Gelsenkirchen-Buer. Am St. Marien-Hospital in Gelsenkirchen-Buer unterstützt ein Roboter beim Einsetzen einer Knie-Prothese. In Deutschland ist es eine Premiere.
Dr. Alexander Awakowicz strahlt über das ganze Gesicht. „Ich bin wirklich aufgeregt“, sagt der Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am St. Marien-Hospital in Gelsenkirchen-Buer. In wenigen Minuten steht dort eine Deutschland-Premiere ins Haus: Der „BalanceBot“, ein neues Robotersystem, kommt zum ersten Mal bei einer Knie-Operation zum Einsatz. Und obwohl der erfahrene Mediziner den Eingriff selbst – es geht um das Einsetzen einer Knieprothese – schon unzählige Male vorgenommen hat, freut er sich sichtlich.
Es ist kurz nach halb neun an diesem Donnerstagmorgen, als Awakowicz den OP-Raum betritt. Die Patientin, eine 71-jährige Frau, ist schon anästhesiert und liegt auf dem OP-Tisch. Ihr linkes Kniegelenk soll durch eine Prothese ersetzt werden. Eine Routine-OP. Heute allerdings bekommt der Operateur Unterstützung durch einen Roboter, der ihm hilft, noch präziser und genauer zu arbeiten.
Das neue System verringert die Beschwerden bei den Patienten
„Etwa 20 Prozent der Patienten, die ein künstliches Kniegelenk bekommen, klagen anschließend über Beschwerden“, sagt Dr. Awakowicz. Der Grund dafür ist meistens eine fehlende Stabilität der Bänder im Knie, ein Problem, das entsteht, wenn die Prothese nicht hundertprozentig passt. Mit diesem neuen System könne die Zahl deutlich gesenkt werden.
8.50 Uhr: „Schnitt“, sagt Dr. Awakowicz. Er setzt das Skalpell an, knapp über dem Knie, und schneidet längs über das Gelenk, durch Hautschichten und die Kniekapsel hindurch. Schnell sind die Knochen freigelegt.
Der Rechner erstellt ein virtuelles Modell des Kniegelenks
Bis hierhin alles Routine – doch jetzt kommt der „BalanceBot“ der Firma Corin zum Einsatz. Sydney Lenza, Technologie-Vorstand bei Corin, steht zwei Meter neben dem OP-Tisch und bedient einen Rechner; vor ihm, dem Operateur zugewandt, steht ein großer Bildschirm, über dem zwei Kameras angebracht sind. Jetzt fährt Awakowicz mit verschiedenen Sensoren über das Kniegelenk und vermisst es genau, die Daten werden vom Rechner erfasst.
„Das ist das Besondere an diesem System“, erklärt der Chefarzt. „Es erstellt ein virtuelles Modell des Kniegelenks und berechnet in Echtzeit, welche Belastungen auf den Bandapparat einwirken.“ Er bewegt das Bein der Patientin, streckt und beugt es und schaut dabei auf die grafische Darstellung auf dem Bildschirm. Grün heißt, dass alles in Ordnung ist, bei Rot muss noch nachjustiert werden. „Aufgrund dieser Daten errechnet das System genau, wo ich gleich die Säge ansetzen und für welche Prothesengröße ich mich entscheiden muss“, erläutert der Chirurg.
St. Augustinus leiht das System zum Testen vorerst aus
Jetzt setzt Awakowicz die Führungsschiene für die Säge an – dank des Roboters weiß er auf den Millimeter genau, wo er sie fixieren muss. Mit der Knochensäge schneidet er jeweils dünne Scheiben des Oberschenkel- und Schienbeinknochens ab, dort wird gleich die Prothese eingesetzt. Zwischendurch erfolgt immer wieder die Kontrolle, ob alles passt: „Grün“, zeigt das System, der Arzt ist zufrieden.
Bei der St. Augustinus GmbH, zu dem das St. Marienhospital gehört, ist man stolz. Vorerst soll der Roboter bei etwa 15 bis 20 Operationen leihweise getestet werden, eventuell werde man sich dann für den Kauf entscheiden, sagt Wolfgang Heinberg, Leiter der Unternehmenskommunikation. Die deutschlandweit einmalige Methode würde sowohl Patienten als auch Ärzte, die sich informieren wollen, nach Gelsenkirchen bringen.
Die neue Methode verlängert die OP lediglich um zehn Minuten
Bevor das System am Patienten angewendet wurde, konnten die Ärzte üben: Bei der Agentur Prosympos auf der Essener Zeche Zollverein konnte der „BalanceBot“ sowohl an Plastikimplantaten als auch an echten Präparaten getestet werden. „Das war sehr wichtig“, lobt Dr. Awakowicz.
Inzwischen ist es 10.20 Uhr: Das neue Gelenk ist eingebaut, jetzt muss nur noch die Wunde vernäht werden. Mit dem System dauert die OP lediglich etwa zehn Minuten länger als vorher. Schon am Abend, so der Plan, soll die Patientin zum ersten Mal vorsichtig aufstehen. „Alles super gelaufen“, sagt Dr. Awakowicz. Und freut sich schon auf die nächste OP mit dem Kollegen Roboter.
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