Gelsenkirchen. Einige Städte haben ihn schon, den Gesundheitskiosk. In Gelsenkirchen soll ab 2025 eine solche Anlaufstelle die Versorgung verbessern.

Ein überdurchschnittlicher Anteil von Krebserkrankungen, hohe Säuglingssterblichkeit, die höchste Kinderarmut, vermehrte Adipositasfälle bei Kindern, ein hoher Anteil von Zuwanderern ohne Sprachkenntnisse und zum Teil ohne Krankenversicherung: Die Gesundheitskompetenz vieler Menschen in Gelsenkirchen ist ausgesprochen ausbaufähig. Vor allem darum und um die Schaffung von gesundheitlicher Chancengleichheit ging es bei der Diskussion um die Einrichtung eines „Gesundheitskiosks“ in Gelsenkirchen im Rahmen der jüngsten Gesundheitskonferenz.

Beirat mit allen an Gesundheit Beteiligten startete im November

Gesundheitsdezernentin Andrea Henze, die in Bochum und Wattenscheid bereits die Entwicklung einer solchen zentralen Anlaufstelle begleitet hatte, liegt das Projekt besonders am Herzen. Bis zum Jahr 2025 soll eine solche zentrale Stelle auch in Gelsenkirchen installiert sein. Um zunächst zu ermitteln, welche Angebote und welche Bedarfe es in Gelsenkirchen gibt, wer was leisten kann und was machbar ist, wurde ein 30-köpfiger Beirat unter anderem mit Vertretern der kassenärztlichen Vereinigung, der Wohlfahrtsverbände, Schalke hilft, der Gleichstellungsstelle der Stadt, dem Sozialamt, der Clearingstelle, Kliniken und Politikvertretern gegründet. Ende November tagte er erstmals.

Tatsächlich ist es nicht nur für Zugewanderte schwierig, sich im deutschen Gesundheitssystem zurechtzufinden. Arzt, Krankenkasse, Versicherer, Ämter, Finanzierungsmöglichkeiten von Hilfsmitteln, Pflege – es gibt viele Zuständigkeiten. Im Kiosk sollen Ansprechpartner beziehungsweise Mittler für alle Bereiche zur Verfügung stehen, die den Zugang zur Gesundheitsversorgung erleichtern. Zudem sollen Wege gefunden werden, die Gesundheitskompetenz der Menschen im Bildungssystem, im Bereich Ernährung und am Arbeitsplatz zu steigern. Auch die Versorgung chronisch kranker Menschen soll so optimiert werden. Über seine Erfahrungen soll ein Team aus Köln berichten, das dort bereits einen Gesundheitskiosk betreibt.

Niedrigschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung ermöglichen

Gesundheits- und Sozialdezernentin Andrea Henze liegt der Gesundheitskiosk besonders am Herzen. Er soll Türen öffnen zur niedrigschwelligen Gesundheitsversorgung für alle.
Gesundheits- und Sozialdezernentin Andrea Henze liegt der Gesundheitskiosk besonders am Herzen. Er soll Türen öffnen zur niedrigschwelligen Gesundheitsversorgung für alle. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Am Anfang der Planungen für eine solche zentrale Anlaufstelle, die ausdrücklich weder Kliniken noch niedergelassenen Ärzten Konkurrenz machen will, sondern deren Arbeit erleichtern, stehe die Erhebung der Bedarfe an Unterstützung, so Henze. Dafür sollen umfassende Daten erhoben werden, vor allem auch zur Gesundheit von Kindern auf der Basis von Sozialraumanalysen. Für den Bereich Schalke-Nord liegen diese Daten bereits vor, eine weitere Sozialraumanalyse in Bulmke-Hüllen soll kurzfristig starten. Es geht um genutzte Vorsorgeuntersuchungen, Adipositas im Kindesalter, Fehlernährung, mangelnde Bildungsteilhabe und Sprachkenntnisse sowie Bildungsniveau in der Familie.

Schwerpunkt auf Kinderarmut und Kindergesundheit in 2023

„Wir wollen uns 2023 mit Gesundheits- und Bildungsreferat gemeinsam dem Thema Kinderarmut als eigene Säule widmen, um gemeinsam in beiden Bereichen nach Lösungen zu suchen. Es geht um Bildung und Gesundheitsförderung in Kita und Schule“, kündigt Henze an. Dabei sollen auch Jugendhilfe und medizinische Partner eingebunden werden.

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Eingebunden werden in das, was unter dem Arbeitstitel „Gesundheitskiosk“ läuft, soll auf jeden Fall die vorhandene Clearingstelle, deren Landesfinanzierung ausläuft und die ohnehin verstetigt werden soll. Die Clearingstellen unterstützen Menschen ohne Krankenversicherung auf dem Weg in den Versicherungsschutz, was nicht nur Zuwanderer betrifft, sondern auch deutsche Bürger, die nach einer in Insolvenz gemündeten Selbstständigkeit die Kosten für eine private Versicherung nicht stemmen können oder auch Menschen ohne festen Wohnsitz.

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Ein Muss ist nach Einschätzung von Andrea Henze auch die Einbindung von Hebammen in den Kiosk, um bei der Säuglingssterblichkeit gegenzusteuern. Allzu häufig kommen werdende Mütter erst zur Entbindung in die Klinik, verzichten auf wichtige Vorsorgeuntersuchungen, was die Komplikationsrate steigert, wie die Geburtskliniken klagen.

Um die Planungen zu beschleunigen, wurde eine Arbeitsgruppe mit reduzierter Teilnehmerzahl – je ein Kostenträger, Ärztevertreter, Verwaltungsmitglied, Clearingstellenmitarbeiter, Politiker und Selbsthilfevertreter – eingerichtet, die ab Dezember die Planungen vorantreiben soll. Wo genau die Anlaufstelle stehen wird, unter welchem Titel sie arbeitet, wer wie zuarbeitet: All das soll bis Ende 2024 geklärt sein, damit der Kiosk 2025 die Arbeit aufnehmen kann.