Gelsenkirchen. Während der Alkoholkranke akut in der Klinik entgiftet, wird die Partnerin kompetent beraten. Was das Elisabeth-Krankenhaus Gelsenkirchen plant.

Wenn Menschen alkoholabhängig sind, leiden darunter in aller Regel auch die Menschen im Umfeld, vor allem die enge Familie. Es ist keine neue Erkenntnis, aber eine, deren Dimension eine immer größere Rolle in der Therapie Abhängiger spielt. Und so beschreitet das Elisabeth-Krankenhaus in Erle, dessen Psychiatrische Klinik auf Akutbehandlungen und Entgiftungen Abhängiger verschiedener Drogen spezialisiert ist, neue Wege. In Zusammenarbeit mit dem Blauen Kreuz in der Evangelischen Kirche finden hier Angehörige von Patienten, die zur akuten Entgiftung in der Klinik sind, nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch Unterstützung.

Hilfe zur Selbsthilfe von neutralen Beratern, so früh wie möglich

Daniela Junglas und Regina Hoven, beide speziell für diese Beratungen geschulte Mitarbeiterinnen des Blauen Kreuz NRW und selbst dereinst betroffene Angehörige, werden dafür an jedem zweiten Donnerstag des Monats in der Klinik an der Cranger Straße 226 Angehörigen von Patienten für Beratungsgespräche zur Verfügung stehen.

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Vier Selbsthilfegruppen für Angehörige Alkoholkranker gibt es in Gelsenkirchen allein vom Blauen Kreuz in der Evangelischen Kirche. Aber in diese Gruppen finden viele Angehörige bislang erst, wenn der Partner bereits aus der Entgiftung zurück ist. „Aber wir wissen, dass es eigentlich schon während des Klinikaufenthaltes viel Klärungs- und Beratungsbedarf gibt, den die Klinik so gar nicht auffangen kann. Vieles im persönlichen Umfeld ist bei den allermeisten ungeklärt. Häufig wurde die Sucht des Partners totgeschwiegen, oft gab es Gewalterfahrungen. Was kann man tun, sind Behördengänge nötig, braucht es finanzielle Unterstützung? Bei der Klärung solcher Fragen können wir helfen, auch mit direkten Ansprechpartnern“, erklärt Daniela Junglas.

Konzeptwandel: Erhalt der Partnerschaft als starke Motivation zum Entzug

Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Elisabeth-Krankenhaus in Gelsenkirchen Erle ist auf Suchterkrankungen spezialisiert.
Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Elisabeth-Krankenhaus in Gelsenkirchen Erle ist auf Suchterkrankungen spezialisiert. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Chefärztin Astrid Rudel, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, freut sich auf den Ausbau der bereits vor längerem begonnenen und durch Corona zwischenzeitlich ausgebremsten Kooperation. „Es ist ein niederschwelliges Angebot, das Angehörigen sicher den Zugang auch leichter macht, als wenn wir als Therapeuten der Erkrankten sie beraten. Das Konzept in der Begleitung Abhängiger hat sich ja auch geändert. Früher ging man davon aus, dass ein Entzug erst angestrebt wird, wenn alle den Abhängigen bereits verlassen haben, es keine Alternative mehr gibt. Heute wissen wir: Auch die externe Motivation kann sehr stark wirken, nämlich wenn der Partner, die Familie es nicht mehr aushalten und drohen, sich abzuwenden“, so Rudel. Stabile Partnerschaften aber seien sehr wichtig in der Therapie suchtkranker Menschen.

Mindestens einmal während des Klinikaufenthaltes des Kranken zur Beratung

An jedem zweiten Donnerstag vor Ort

Dei beiden Beraterinnen sind ab Donnerstag, 10. November, an jedem zweiten Donnerstag, also zweimal im Monat, in der psychiatrischen Institutsambulanz des Elisabeth-Krankenhauses an der Cranger Straße 226 ansprechbar, und zwar jeweils zwischen 14.30 und 17.30 Uhr.

Ab Januar 2023 ist zusätzlich ein Online-Beratungsangebot des Blauen Kreuzes in der Evangelischen Kirche geplant. Als Ergänzung, nicht als Ersatz.

Dass die Medizinerin von „er“ spricht, ist kein Zufall. Es sind weiterhin vor allem Männer, die zur Entgiftung von Alkohol in die Klinik kommen. Zehn bis 15 Patienten sind es in der Regel auf der Station, die wegen Alkoholmissbrauchs kommen und für zwei bis drei Wochen dafür in der Klinik bleiben. „Die Idee ist, dass die Angehörigen in dieser Zeit mindestens einmal zu uns in die Beratung kommen. Wir rechnen etwa eine halbe Stunde je Angehörigem, bei Bedarf nehmen wir uns aber auch länger Zeit“, versichert Regina Hoven.

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Beraten werden allerdings nur Partner oder erwachsene Kinder. Für das Auffangen Minderjähriger arbeitet die Klinik mit dem Nienhof zusammen, für die Beratung von Kindern fehlen entsprechend ausgebildete Fachkräfte vor Ort.