Gelsenkirchen. Im WAZ-Medizinforum mit dem Elisabeth-Krankenhaus Gelsenkirchen-Erle geht es um Sucht im Alter. Ein großes Problem, das meist verschwiegen wird.
. Ein weit verbreitetes, doch selten angesprochenes Problem ist Thema des nächsten WAZ-Medizinforums mit dem Elisabeth Krankenhaus Erle: Es geht um Sucht im Alter. Der Auslöser für den Griff zum Medikament oder Alkohol kann sehr unterschiedlich sein: Das Gefühl, nach dem Wechsel in den Ruhestand nicht mehr gebraucht zu werden, der Verlust des Partners, Schmerzen, Altersarmut, nachlassende Leistungsfähigkeit oder fortschreitende Vereinsamung.
Dr. Astrid Rudel, Chefärztin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie wird in dem Forum erklären, welche Ängste, Probleme und Sinnkrisen zum Medikamenten- und Alkoholmissbrauch führen können. Depressive Verstimmungen bis hin zu tiefen Depressionen werden dabei ebenso ein Thema sein wie schwindende kognitive Fähigkeiten.
Meist harmloser Einstieg mit Pille, Pils und Piccolo
Der Einstieg in die Sucht im Alter können Stimmungsaufheller, nicht selten verbunden mit einem Gläschen Sekt oder Pils sein. Sie scheinen im ersten Moment zu helfen. Schleichend steigt dann oft die Dosis, der Weg in die Abhängigkeit ist dann nicht mehr weit, weil der Körper immer mehr braucht, um ruhiger zu werden. Häufige Suchtmittel sind auch Schmerz- und Schlafmittel. Angesprochen wird im Forum zudem ein anderes Phänomen: Der Rückfall in die Sucht von Abhängigen, die in den letzten Jahren oder gar Jahrzehnten abstinent gelebt haben. Mit dem Alter und damit verbundenen Negativerlebnissen steige die Rückfallgefahr für sie, so Rudel.
Alkohol und Medikamente erhöhen die Sturzgefahr
Dr. Andrea Erdmann, Leitende Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, weiß, dass es im Alter besonders schwer ist, die Sucht einzugestehen, zumal mancher denke, dass sie auch keine Rolle mehr spiele: „Aber der Alkoholmissbrauch beschleunigt den kognitiven Abbau, außerdem steigt die Sturzgefahr, auch bei Medikamentenmissbrauch, weil der Gleichgewichtssinn beeinträchtigt wird“, warnt die Expertin.
Gefährlich sei unerkannte Sucht auch, wenn ein Patient etwa nach einem Sturz kurzfristig operiert werden müsse und im Krankenhaus plötzlich ohne seine Suchtmittel auskommen muss. Der quasi kalte Entzug kann lebensbedrohlich werden. In jedem Fall müssten Medikamente bei Bedarf schrittweise heruntergefahren werden, der Patient dabei beobachtet werden.
Sucht wird oft erst in der Klinik entdeckt
Sucht werde oft erst bei stationären Aufenthalten entdeckt, weil es im Umfeld niemand bemerkt hat oder keiner den Betroffenen darauf ansprechen mochte. Dem möchten die Experten beim Forum mit Aufklärung von Senioren, aber auch von Angehörigen und Pflegenden entgegen wirken. Scham und Schuldgefühle, aber auch Unwissenheit verhindern häufig, dass über Sucht im Alter gesprochen werde, haben die Medizinerinnen festgestellt.
Körper kann Gifte im Alter schlechter abbauen
Dr. Willi Leßmann, Leitender Arzt der Klinik für Geriatrie am Elisabeth, wird die Aufklärung über Hintergründe und Entwicklung von Sucht im Alter mit deren Auswirkungen auf die Organe der Betroffenen und mögliche Gegenmaßnahmen und Therapien ergänzen. Schließlich kann der in die Jahre gekommene Körper den Alkohol und auch die Medikamente nicht so schnell abbauen wie bei jungen Menschen, wodurch die Situation für die Organe deutlich schneller brenzlig wird als bei jungen Menschen, die Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch betreiben.
Medikamentenmix spielt eine wichtige Rolle
Hinzu kommt, dass Senioren ohnehin häufig viele verschiedene Medikamente verordnet bekommen, deren Wechselwirkungen unkontrolliert schwer überschaubar sind. Thema im Forum werden auch Schulungsangebote zum Umgang mit Abhängigen für die Familie und das Umfeld sein, Vertreter von Selbsthilfegruppen sind eingeladen. Wer mag, kann vor Ort über einen Selbsteinschätzungsbogen ermitteln, ob der eigene Medikamenten- und/oder Alkoholkonsum eine gefährliche Größenordnung erreicht hat.