Gelsenkirchen. Kinos müssen sich weiterentwickeln, um die Säle vollzubekommen. Das Apollo setzt deshalb mehr auf japanische Anime-Filme – mit Erfolg.

Wer seine Jugend um die Jahrtausendwende erlebte, der ist nur schwer an Animes wie „Dragon Ball“ oder „One Piece“ im TV vorbeigekommen. Doch so wie die heutige Jugend kaum mehr das lineare Fernsehprogramm verfolgt, kommt der japanische Zeichentrick auch auf andere Weise zu seinen Fans: Mit Crunchyroll hat längst ein auf Animes spezialisierter Streamingdienst den deutschsprachigen Markt erobert. Aber das US-Unternehmen setzt nicht nur auf das Heimkino, sondern verleiht auch die neuesten Filme von weiterhin beliebten Franchises wie eben „Dragon Ball“ oder „One Piece“ an die Kinos – was man in Gelsenkirchen dankbar annimmt.

Denn im Apollo Cinemas Multiplex setzt man, etwa seit der für Kinos schweren Corona-Zeit, verstärkt auf Animes, wie Betriebsleiter Babeethan Ketheeswaran verrät. Mit Erfolg. Über 2000 Besucher hätten den neuen „One Piece“-Film „Red“, der seit dem 13. Oktober in den deutschen Kinos läuft, in der ersten Woche im Apollo gesehen. „Damit war es der am besten besuchte Film in dieser Woche. Und auch jetzt kann er mit Neuerscheinungen wie ,Black Adam’ oder ,Smile’ mithalten“, sagt Ketheeswaran.

Anime-Hype im Gelsenkirchener Kino: „Eine Ze­le­b­ra­ti­on der japanischen Pop-Kultur“

„One Piece“, die Piraten-Abenteuer um Monkey D. Ruffy und seiner „Strohhut-Bande“, ist eine der am längsten laufenden Anime-Serien jemals; die dazugehörigen Comics, die Mangas, sind sogar die erfolgreichste Manga-Reihe aller Zeiten. Dazu sind mittlerweile 15 Filme entstanden.

Im Apollo Cinemas Multiplex setzt man zunehmend auf japanische Anime-Filme.
Im Apollo Cinemas Multiplex setzt man zunehmend auf japanische Anime-Filme. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

„Mit den Geschichten sind mehrere Generationen aufgewachsen, in den Kinosälen sitzen 40-jährige Väter mit ihren Söhnen“, erzählt Ketheeswaran, der mit seinen 34 Jahren ebenfalls damals als Schuljunge das Anime-Programm im TV verfolgte. Bis diesen Donnerstag wurde „One Piece: Red“ deshalb drei Mal am Tag im Apollo gespielt, auch in der japanischen Originalversion mit deutschen Untertiteln. „Die Fans sind gewohnt, die japanischen Stimmen zu hören; es gibt Leute, die kennen die japanischen Synchronsprecher beim Namen“, sagt der Betriebsleiter. „Es ist eine Ze­le­b­ra­ti­on der japanischen Pop-Kultur.“

Und hier liegt dann eben doch ein großer Unterschied zu den Erwachsenen von heute, die damals bei „Dragon Ball“ reingezappt haben: Die Animes und der Japan-Kult drumherum sind heute ein Lifestyle, eine große Subkultur. Ketheeswaran verweist auf den Japan-Tag in Düsseldorf, auf den Manga-Day, der dieses Jahr erstmals bei Buchhandlungen von Thalia, Mayersche und Osiander in ganz Deutschland stattfand. „Das junge Publikum ist ganz verstärkt japan-affin“, formuliert es Ketheeswaran. Dazu gehöre auch, sich in Cosplay, also Verkleidungen der Lieblingshelden, zu werfen. „Manche sind auch mit Strohhut ins Kino gekommen“. Ganz so wie Monkey D. Ruffy.

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Dass das Anime-Publikum etwas anders tickt, dass es sich hier um eine feste Community handelt, das merkt Babeethan Ketheeswaran auch beim Ticketkauf. „Der Normalfall ist, dass zwei oder vier Leute Tickets buchen, eben zum Beispiel für einen Pärchen-Abend. Aber bei den Anime-Filmen kommt es vor, dass jemand 12 Plätze auf einmal bestellt. Da merkt man: Das ist kein spontaner Kino-Besuch, sondern eine geplante Gruppe, die von Vorverkauf verfolgt hat.“

Dieser immer stärker wachsenden Fan-Gemeinschaft will sich das Apollo nicht verschließen. „Das Kino entwickelt sich weiter. Und dazu gehört, auch alternative Inhalte anzubieten“, sagt der Betriebsleiter. Im Bochumer Metropolis, bei dem Ketheeswaran auch mitwirkt, setzte man deshalb darauf, „alte Filme wiederzuentdecken“, gelegentlich auch Animes wie „Akira“ aus 1988. Aber auch Theateraufführungen des National Theatre Londons werden dort gezeigt. Im Apollo dagegen ist für den 29. Oktober eine Liveübertragung vom Coldplay-Konzert in Buenos Aires geplant.

Apollo Gelsenkirchen erzielte nicht nur mit „Dragon Ball“ und „One Piece“ einen Erfolg

Dass es sich bei der Sparten-Ausrichtung auch lohnt, auf Animes zu setzen, das habe man zuerst gespürt, als man Klassiker wie das oscarprämierte Märchen „Chihiros Reise ins Zauberland“ gezeigt hatte. „Damit fing es an!“, sagt Ketheeswaran. Weil die Vorführungen so gut angenommen wurden, hätte man es dann immer dienstags im Apollo, dort wo das Publikum jünger ist, mit einem Anime-Filmabend versucht. So sei eine „Lawine losgetreten worden“, sagt der Kinoleiter. „Da haben wir dann festgestellt, dass der eine Termin in der Woche nicht ausreicht, dass wir immer mehr Vorstellungen anbieten müssen.“

Dass das Kino damit eine wirtschaftlich kluge Entscheidung getroffen hat, zeigt nicht nur der aktuelle „One Piece“-Erfolg. Ende August lief der neue „Dragon Ball“-Film in den Kinos an. „Der hat sich natürlich auch gut gehalten“, sagt Ketheeswaran. Ein Kassenschlager sei aber auch „Jujutsu Kaisen 0“ gewesen, die Vorgeschichte des gleichnamigen Animes, das zwar erst seit 2020 läuft, aber längst von einer gigantischen Fan-Gemeinschaft gefeiert wird. „Da hatten wir ein spezial limitiertes Manga-Heft als Anreiz für die Frühbucher angeboten. Die waren ruckzuck weg – und wurden hinterher für teures Geld im Internet verkauft.“

„One Piece: Red“ (Spielzeit 115 min.) läuft ab Donnerstag, 27. Oktober, nur noch einmal die Woche im Apollo Cinemas, in der deutschen Fassung. Die Vorstellungen beginnen um 15:30 Uhr. Der Film ist ab 12 Jahren freigegeben, ab 6 Jahren mit Begleitung der Erziehungsbeauftragten.