Gelsenkirchen-Beckhausen. Eigenheim-Neubau und Kita-Verlagerung nach Beckhausen: Wieso die Grünen der SPD „Doppelmoral“ attestieren – und wie sie sich verteidigt.

„Verlogene Doppelmoral“ werfen die Grünen im Stadtrat und in der Bezirksvertretung (BV) West der SPD in Sachen Neubebauung und Kita Heilig Geist im Schaffrath vor. „Das Abstimmungsverhalten der SPD und ihr Engagement vor Ort passen einfach nicht zusammen“, schimpft Mirco Kranefeld, Stadt- und Bezirksverordneter der Grünen.

Es war im September, als die SPD in BV, Planungsausschuss und Rat für den Aufstellungsbeschluss votierte, der eine Bebauung des einst kirchlichen Geländes an der Giebelstraße mit 24 Reihenhäusern planerisch und baurechtlich vorbereitet. Wie berichtet, hat die Deutsche Reihenhaus AG das Grundstück von der Pfarrei St. Urbanus gekauft. Die katholische Kita darauf soll geschlossen bzw. nach Beckhausen verlagert werden – und dagegen machen etliche Schaffrather seit der vergangenen Woche Front.

Darunter auch: die SPD, obwohl sie zuvor für den Aufstellungsbeschluss gestimmt hatte. „Widersprüchliches Verhalten“ wirft Kranefeld nun dem Stadtverordneten Manfred Rose und der Bezirksverordneten Ingrid Husmann aus Schaffrath vor, weil sie „urplötzlich“ Kita-Eltern unterstützen, die per Unterschriften-Initiative eine Verlagerung der Einrichtung zur Braukämperstraße ebenso wie das gesamte Neubauprojekt verhindern wollen. Auch der WIN-Stadtverordnete Ali Akyol zeigte sich darüber „irritiert“.

Gelsenkirchener Grüne: SPD-Ja zu Planzielen im Rat widerspricht Engagement vor Ort

Attackiert die SPD in Gelsenkirchen wegen ihres Abstimmungsverhaltens in Sachen Neubebauung des Grundstücks Heilig Geist im Schaffrath: Mirco Kranefeld, Stadt- und Bezirksverordneter der Bündnisgrünen.
Attackiert die SPD in Gelsenkirchen wegen ihres Abstimmungsverhaltens in Sachen Neubebauung des Grundstücks Heilig Geist im Schaffrath: Mirco Kranefeld, Stadt- und Bezirksverordneter der Bündnisgrünen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Wenn die SPD wirklich gegen die Reihenhäuser wäre, dann hätte sie in den Gremien für unseren Antrag stimmen müssen, die aktuellen Planungen eben noch nicht zu beschließen, sondern zu überarbeiten“, betont er. Es sei widersinnig, Kranefelds Formulierung „Kurze Beine, kurze Wege“ in Bezug auf die Kita einerseits zu kritisieren (wie es Husmann getan habe), sie andererseits bei einem Pressetermin zur Unterschriftenaktion – wie Rose – aber selbst zu nutzen, um die eigene Position zu untermauern.

Wie berichtet, sah der Antrag der Grünen im Rat vor, dass die Verwaltung präzise Vorgaben machen solle beispielsweise mit Blick auf die Ansiedlung eines Lebensmittelangebots für Schaffrath und die Sicherung des wohnortnahen Kita-Platzangebots im Ortsteil; ergänzt werden könne sie um Geschosswohnungsbau über einem Lebensmittelmarkt und generell erweitert um die Festsetzung einer klimaneutralen Bebauung. Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt, der Aufstellungsbeschluss mit den Stimmen von SPD, CDU, Tierschutzpartei und AfD gegen das Votum von Grünen, Linken, FDP und Die Partei durchgewunken; WIN enthielt sich.

SPD in Gelsenkirchen begründet Abstimmung mit baurechtlichen Vorgaben

Die derartig kritisierten Sozialdemokraten weisen die Vorwürfe zurück und können nichts Widersprüchliches in ihrem Verhalten entdecken. „Die Grünen haben offenbar nicht verstanden, was ein Aufstellungsbeschluss ist. Es geht doch nur darum, eine Wohnbebauung möglich zu machen, damit die Fläche künftig anders genutzt werden kann als nur für eine Kirche und eine Kita“, so Manfred Rose.

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Er bekräftigte wie Ingrid Husmann, dass „eine Wünsch-dir-was-Haltung“ an den Realitäten vorbeigehe. „Die Eltern, die die Unterschriften sammeln, kennen die politischen und baurechtlichen Gegebenheiten nicht. Als Initiatorin unterstützte ich die Umsetzung der Wünsche der Quartiersbewohner. Sie müssen ernst genommen werden. Als Bezirksverordnete aber muss ich die Privatrechte der Kirche und bauliche Vorschriften sehen und respektieren“, so die Bezirksverordnete. Man könne einem Grundstückseigentümer nicht vorschreiben, an wen er verkaufen soll. „Wir haben nach dem Aufstellungsbeschluss noch alle Optionen, für die künftige Nutzung Vorgaben zu machen.“

Bauantrag für Kita Braukämperstraße ist bei der Stadt Gelsenkirchen eingereicht

Ihr Anliegen sei es, „dass die Kita-Eltern Planungssicherheit haben und nicht in der Luft hängen, wenn es um die Betreuung ihrer Kinder geht“. Daher sei es mit Blick auf die Realitäten zwingend nötig, die Kita Braukämperstraße zügig zu errichten, „bevor die bisherige Einrichtung wegen der Bauarbeiten auf dem Kirchengrundstück an der Giebelstraße schließen muss.“

Gleichzeitig spricht sie sich für eine „wohnortnahe Versorgung mit Kita-Plätzen im Schaffrath“ aus, „wenn nicht an der Giebelstraße, dann an einem anderen Standort“. Für einen solchen „Plan B“ gebe es bereits Bemühungen, zu dem sie sich aber nicht näher äußern wollte.

Was das Ziel der Unterschriftensammlung ist

Im Mittelpunkt der Unterschriftensammlung für „Mehr“ im Schaffrath stehen die Forderung nach einer wohnortnahen Kita im Ortsteil, die auch für Eltern ohne Fahrzeug erreichbar ist, und der Kampf gegen „noch weniger Parkmöglichkeiten durch neue Reihenhäuser“ sowie gegen die „Rodung alter Bäume und die Verdichtung weiterer Rasenflächen“.

Initiiert von Kita-Eltern, weiteren Schaffrathern sowie unterstützt von der SPD vor Ort, läuft die Unterschriftenaktion noch bis 10. November. Im Anschluss soll sie an die Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) übergeben werden.