Gelsenkirchen. Sodom wird 40: Die in Gelsenkirchen gegründete und weltweit erfolgreiche Band feiert runden Geburtstag. Ein Gespräch mit Sänger Tom Angelripper.
Erst vor Kurzem sind sie noch in Mexiko aufgetreten. Tausende Besucher waren zum Festival in Monterrey geströmt, um mit 50 Bands aus aller Welt wild, heftig und höllisch laut abzufeiern. Und mittendrin: Sodom. Jene Band, die vor genau 40 Jahren in Gelsenkirchen gegründet wurde – und von hier aus einen Siegeszug angetreten hat, der bis heute andauert, der sie bei Hunderten Konzerten auf alle Kontinente dieses Planeten führte. Und so sehr Sänger Thomas Such diese Live-Auftritte immer noch genießt, so klar ist ihm, dass diese fantastische Reise irgendwann enden wird. Im Interview stellt er aber klipp und klar fest: „Ich will nicht auf der Bühne sterben.“
Ein Interview mit Sodom-Sänger Tom Angelripper im Eiscafé
Treffpunkt ist ein Eiscafé im Herzen von Buer. „Hier bin ich aufgewachsen, hier gehöre ich hin, hier will ich auch nicht mehr weg“, sagt Such, der in Musikerkreisen besser unter seinem Künstlernamen Tom Angelripper bekannt ist, gleich zu Beginn. Dann zündet er sich die erste von vielen noch folgenden Zigaretten an, nimmt einen genussvollen Zug und beginnt zu erzählen.
Neben Kreator aus dem nicht weit entfernten Altenessen gelten Sodom in der Musikhistorie als Mitbegründer des deutschen Thrash Metal. Doch dieser Einordnung widersprich Such sofort: „Wir gehören in keine Schublade. Wir machen Heavy Metal in Reinform: hart, unkonventionell, authentisch.“ Es gebe inzwischen leider genügend andere Bands, für die mehr das Spektakel auf der Bühne zählt – Riesenleinwände, Lichteffekte und Pyrotechnik inklusive. „Wir sind in all den Jahrzehnten bodenständig geblieben“, so der Sänger. „Für uns zählte immer allein die Musik.“
Einige der früheren Bandmitglieder von Sodom sind bereits verstorben
Das war natürlich erst recht in der Anfangszeit so: Such gründete Sodom im Jahr 1982 gemeinsam mit seinen Kumpels Frank „Aggressor“ Testegen und Christian „Chris Witchhunter“ Dudek. Bis heute folgten zahlreiche Umbesetzungen. In der offiziellen Bandhistorie findet sich eine Liste mit über einem Dutzend ehemaliger Mitglieder. „Manche von ihnen sind inzwischen sogar schon verstorben. Zu den meisten anderen habe ich aber noch Kontakt“, sagt der Sänger und Bassist. „Für mich gehören sie alle bis heute zur Sodom-Familie.“
Manches Ex-Mitglied hätte die Formation aber nicht ganz freiwillig verlassen müssen, räumt der Frontmann ein. „Das ist meine Band“, sagt Such im Brustton der Überzeugung. In letzter Instanz fälle er allein die wichtigen Entscheidungen. Und wem das nicht gefiel, der wurde eben auch mal aussortiert. „In einer Band funktioniert Demokratie nun mal nicht immer.“
Die erste Platte kam dann 1985 auf den Markt. 16 weitere Studioalben sollten bis heute folgen. Und zum anstehenden Jubiläum veröffentlicht das aktuelle Quartett – bestehend aus Toni Merkel (Schlagzeug), Frank „Blackfire“ Gosdzik, Yorck Segatz (beide Gitarre) und eben Tom Angelripper – ein Doppelalbum (siehe unten). „Und wir haben einen ganz neuen Song produziert“, sagt Such. Der heiße mit Blick aufs Gründungsjahr „1982“.
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40 Jahre Heavy Metal aus Buer, so etwas hinterlässt natürlich auch Spuren. „Ich leide seit über 20 Jahren an einem Tinnitus. Der Arzt hat gesagt, dass ich mir den durch die Musik eingebrockt habe“, bekennt Such offenherzig. Zwar habe er sich an diese Beeinträchtigung gewöhnt, doch die dadurch entstandene Schwerhörigkeit habe schon einen großen Einfluss auf seinen Alltag.
Der Sänger lebt mit seiner Familie nach wie vor im Gelsenkirchener Norden
Den bestreitet der 59-Jährige mit Frau und Sohn (25) in Schaffrath, die Tochter (29) lebt inzwischen in Essen. Die Familie vermisst er vor allen auf den langen Reisen – etwa, wenn es mal wieder nach Südamerika oder Asien geht, wo Sodom ein ebenso harten wie treuen Kern an Herzblut-Fans hat. Am wildesten vor der Bühne gehe es immer in Argentinien und Brasilien zu. „Da ticken die Leute bei unseren Konzerten immer total aus. So etwas erlebst du nirgendwo anders.“
Das wichtigste Konzert in vier Jahrzehnten war für Such aber der Auftritt 1991 in Sofia. 20.000 Zuschauer waren bei jenem Open-Air-Gig mit dabei. „Wir waren die ersten aus dem Westen, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs dort in Bulgarien auftreten durften“, begründet Such den hohen Stellenwert.
Vor über 70.000 Fans in Wacken
Ein noch größeres Publikum hatte Sodom bei jedem seiner über zehn Auftritte beim legendären „Wacken“-Festival – dem jährlichen Klassentreffen der Heavy-Metal- und Hard-Rock-Szene. „Wenn man da vor über 70.000 Leuten spielt, ist das schon krass“, sagt Such.
Dort in Wacken plant er bei der nächsten Einladung vielleicht auch den ganz großen Coup: „Da werde ich mir vielleicht meine Matte abrasieren lassen“, sagt Such und greift zur nächsten Kippe. Denn eigentlich gehören lange Haare ja zu einem Metal-Sänger dazu wie die Pommes zur Currywurst. „Das wird bestimmt bitter. Für mich. Und für die Fans“, sagt Such und lacht. Und wie lang will er noch mit der Band Musik machen? „Vielleicht noch zehn Jahre.“ Irgendwann sei aber jede Party mal vorbei. Sogar diese unglaubliche von Sodom.
Tom Angelripper ist ein passionierter Jäger
Thomas Such ist nicht nur ein berühmter Heavy-Metal-Sänger, sondern erstaunlicherweise auch ein passionierter Jäger mit eigener Jagdpacht. Sein Revier liege in der Elfringhauser Schweiz zwischen Hattingen und Sprockhövel und sei rund 100 Hektar groß, erzählt der Sodom-Boss. „Das ist seit 1992 mein großes Hobby.“
Such ist gelernter Schlosser und arbeitete früher als Bergmann – davon sieben Jahre unter Tage. Irgendwann setzte er aber allein auf seine Karriere als Musiker.
Zum 40-jährigen Bestehen der Metal-Band Sodom gibt es ein neues Doppelalbum
Ein Jahr hat die Band an der Platte zum 40-jährigen Bestehen gearbeitet. Herausgekommen ist dabei „40 Years At War – The Greatest Hell Of Sodom“, ein Doppelalbum mit 17 Songs, das dem geneigten Zuhörer das bietet, was er erwartet: einen Satz heiße Ohren.
„Das sind alles alte Stücke, die wir neu eingespielt haben“, erklärt Sänger Tom Angelripper. Ziel war es, von jedem der bisher veröffentlichten Studioalben ein Lied aufs neue Album zu packen. „Und wir haben ganz bewusst nicht die üblichen Verdächtigen genommen, sondern auch mal Sachen ausgewählt, mit denen unsere Fans nicht unbedingt rechnen“, betont der Sodom-Boss.
Haben die musikalischen Schwermetaller denn diese Chance genutzt, um die alten Songs in ein neues Soundgewand zu hüllen? „Nein“, sagt Angelripper. „Wir wollten schon recht nah an den Originalversionen bleiben.“ Er selbst beweist bei Stücken wie „Baptism Of Fire“, „Jabba The Hut“ oder „Book Burning“, dass er auch mit 59 Jahren am Mikro alles drauf hat. Ob das Shouten, Sreamen oder gurgelnde Grollen: Angelripper kennt keine Gnade. So klingt Sodom auch mit 40 bedrohlich wie eh und je.