Gelsenkirchen-Buer. Warum das Quartiersnetz Gelsenkirchen-Buer-Ost Front macht gegen ein Pilotprojekt. Und was es mit Parkgebühren von 3,50 Euro erreichen will.

„Intelligentes Parksystem“ heißt es, das vom Bund geförderte Pilotprojekt in der City von Buer und angrenzenden Wohngebieten – doch für besonders schlau hält es das Quartiersnetz Buer-Ost gerade nicht. Per Unterschriften-Liste erheben Anwohnende Einspruch gegen das Konzept, das ab November auf Basis des Green City Plans Gelsenkirchen in den Probebetrieb gehen soll. Für sie handelt es sich bei dieser Form der Parkraum-Erfassung um „totalen Irrsinn“.

Eine intelligentere Abwicklung des ruhenden Verkehrs sowie eine effektive Schadstoffreduzierung durch eine „Steuerung und Lenkung des Mobilitätsverhaltens“ per App: Das hatte die Verwaltung im Frühjahr 2020 im Verkehrs- und Umweltausschuss als Ziel ausgegeben.

Gelsenkirchener Sensoren erfassen Belegung und Größe von Parkplätzen

Buer-City mit Rathaus Buer (Bild),Busbahnhof und anliegenden Anwohnerstraßen ist das Pilotgebiet des Projekts „Intelligentes Parken“, das Ende 2022 zur Verfügung stehen soll.
Buer-City mit Rathaus Buer (Bild),Busbahnhof und anliegenden Anwohnerstraßen ist das Pilotgebiet des Projekts „Intelligentes Parken“, das Ende 2022 zur Verfügung stehen soll. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Mit Hilfe von „Über-Kopf“-Sensoren etwa an Beleuchtungsmasten sollen insgesamt rund 1900 Parkplätze am Fahrbahnrand und auf öffentlichen Parkplätzen in Buer-City, am Busbahnhof, Rathaus und den anliegenden Anwohnergebieten (A bis G) erfasst werden. Ob diese gerade belegt oder frei sind, auch Details zur Größe können, so der Ansatz, bei der App angemeldete Autofahrer dann in Echtzeit über ihr Smartphone erfahren – und die Plätze gezielt anfahren.

Schon die Installation der „Über-Kopf“-Sensoren, die an Beleuchtungsmasten angebracht wurden, sorgte im Sommer für Irritation in einigen betroffenen Straßen, weil man eine Kamera-Überwachung fürchtete. Dass die Detektoren weder Aufnahmen machen noch Kennzeichen erfassen, beruhigte die Nachbarn jedoch nur bedingt.

Gelsenkirchener Quartiersnetz hält das Parksystem-Konzept für kontraproduktiv

Zwar begrüßt das Quartiersnetz aus Gründen des Klimaschutzes eine Optimierung der Parksituation, so Dorothea Schäfers. Allerdings sei das jetzige Konzept kontraproduktiv, da es in Anwohnergebieten und auf Spielstraßen für mehr Verkehr sorgen werde – weil die Verwaltung die Stellplätze nicht bewirtschaften will.

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„Die Parkhäuser in Buer werden doch jetzt schon nicht ausreichend genutzt. Diese Situation wird sich eher noch verschärfen, wenn Autofahrer gezielt zu Gratis-Flächen in den Wohngebieten gelotst werden“, kritisiert sie. Es solle vielmehr grundsätzlich in den Innenstädten keine kostenfreien Parkplätze geben.

210 Gelsenkirchener fordern per Unterschrift eine Überarbeitung des Parksystems

210 Anwohnende sähen das genauso, verweist sie auf die Unterschriftenliste, die samt Forderung nach einer Überarbeitung nun der Stadt vorliege. Darin enthalten ist auch die Anregung, die Parkplätze mit einer Gebühr von 3,50 Euro pro Stunde zu bewirtschaften.

Konkret solle das System in veränderter Form erst Mitte 2023 zur Verfügung stehen. „Die Verwaltung soll in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2023 eine Verkehrsmessung durchführen, um festzustellen, wie unter den aktuellen Bedingungen die Parkplätze im Quartier genutzt werden“, betont Dorothea Schäfers. Nur auf dieser Datenbasis könne analysiert werden, wie sich der Verkehr mit dem neuen System verändert.

Quartiersnetz Gelsenkirchen-Buer-Ost fordert höhere Parkgebühren von 3,50 Euro

Das Quartiersnetz geht noch weiter: Schon jetzt sollten die Parkplätze in den Quartieren für Autofahrer ohne Anwohnerparkausweis bewirtschaftet werden mit einer Gebühr von 3,50 Euro pro Stunde. „Wir sind sicher, dass ein solches, verändertes System zu einer ,Win-Win-Situation’ führt. Die Parkhäuser werden besser ausgelastet, und für die Stadt steigen die Einnahmen; der Verkehr nimmt nicht unverhältnismäßig zu, und die Unfallgefahr wird minimiert. So behalten auch Kinder in den verkehrsberuhigten Zonen (Spielstraßen) ihren Raum zum Spielen.“

Die Stadtverwaltung glaubt unterdessen nicht, dass mit dem neuen „Parken 2.0“ mehr Verkehr und eine erhöhte Unfallgefahr für Kinder drohen. Vielmehr solle das Projekt „den Parksuchverkehr reduzieren. Durch eine direkte Routenführung soll dies auch gewährleistet werden. Hier profitieren Anwohner sowie Besucher in gleichen Maße“, so Stadtsprecher Martin Schulmann auf Nachfrage.

Stadt Gelsenkirchen will private Parkhäuser erst später berücksichtigen

Parkflächen der städtischen Verkehrsgesellschaft würden in das Konzept integriert, wodurch deren Auslastung erhöht werden solle. Bei privat betriebenen Parkhäusern und -flächen ist dies offenbar – noch – nicht geplant. In der Verwaltungsvorlage von 2020 ist von einer „perspektivischen“ Planung die Rede (s. Infobox).

Dass die Bürger an der Planung nicht beteiligt wurden – so ein weiterer Kritikpunkt – sei der „hohen Relevanz des Projekts“ für die Luftreinhaltung und Gesundheit der Bürger geschuldet. „Es war ein zügiger Planungs- und Umsetzungsprozess geboten.“

Zu den Forderungen des Quartiersnetzes wollte sich der Stadtsprecher nicht äußern. „Wir werden die Eingabe prüfen. In der Regel werden derartige Schreiben innerhalb von 14 Tagen nach Eingang beantwortet.“

Bund fördert „Parken 2.0“-Projekt zu 70 Prozent

Das „intelligente Parksystem“ in Buer-City geht im November in den Probebetrieb, Ende des Jahres soll es im Pilotgebiet zur Verfügung stehen. Bei einer erfolgreichen Umsetzung in Buer ist eine Ausweitung auf weitere Bereiche in Gelsenkirchen angedacht. Zeitlich begrenzt ist das Pilotprojekt nicht. Die Verwaltung geht davon aus, nach sechs Monaten die erste Evaluation vornehmen zu können.

„Perspektivisch“ sollen Parkhäuser und Parkplätze der Verkehrsgesellschaft Gelsenkirchen und anderer privater Anbieter an das System angebunden werden, um ein ganzheitliches Angebot zu schaffen. Die dazu nötige App soll in die GE City-APP integriert werden.

Die Gesamtmaßnahme kostet 1,16 Millionen Euro, wovon der Bund 70 Prozent (812.000 Euro) trägt. Die jährlichen Betriebskosten beziffert die Verwaltung auf 5000 Euro.