Gelsenkirchen-Resse. Politiker beklagen Stillstand nach dem Brand des Gelsenkirchener Jugendstil-Hauses 2019. Nun scheint Bewegung in den Wiederaufbau zu kommen.

Dreieinhalb Jahre ist es her, dass das markante Mehrfamilienhaus an der Ewald-/Ecke Middelicher Straße an einem Märzmorgen gegen 4.30 Uhr in Brand geriet. Mit zwei Drehleitern rückte die Feuerwehr damals an. Gerettet werden konnten alle 13 Bewohner. Wie es jedoch mit dem leer stehenden Jugendstil-Denkmal selbst weitergeht, bleibt für viele Resser ein Thema. Vor Ort gilt es in seinem jetzigen Zustand als „Schandfleck“. Nun scheint aber endlich Bewegung in die Sache zu kommen.

Bereits mehrfach hakten seit März 2019 Politiker verschiedener Fraktionen in der Bezirksvertretung Ost bei der Verwaltung nach, wann mit welcher Sanierung zu rechnen sei. Schließlich lasse das um 1906/07 errichtete Wohn- und Geschäftshaus mit den schwarzen Rußspuren im zweiten Obergeschoss die gesamte Umgebung unattraktiv erscheinen – so zuletzt der SPD-Verordnete Florian Eichenlaub.

Zwei Etagen des Brandhauses in Gelsenkirchen-Resse sind unbewohnbar

Die zwei Fenster, aus denen Ende März 2019 die Flammen schlugen, sind provisorisch verschlossen. Trotzdem lassen sich noch gut die Jugendstil-Ornamente des Denkmals in Gelsenkirchen-Resse erkennen.
Die zwei Fenster, aus denen Ende März 2019 die Flammen schlugen, sind provisorisch verschlossen. Trotzdem lassen sich noch gut die Jugendstil-Ornamente des Denkmals in Gelsenkirchen-Resse erkennen. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Während rot-weiße Warnbaken den Bereich großflächig absperren, wirkt das historische Gebäude wie im Dornröschenschlaf: Von Instandsetzungsarbeiten ist – zumindest von außen – nichts zu sehen. Dass diese nötig sind, allerdings sehr wohl: Die Polizei hatte das zweite Ober- und das Dachgeschoss nach dem Feuer für unbewohnbar erklärt, weil die Statik der oberen Etagen mit deren Holzeinschubdecken beeinträchtigt war; das Löschwasser hatte zudem die Geschäfte im Erdgeschoss stark in Mitleidenschaft gezogen. So sehr, dass anfangs sogar ein Abriss nicht ausgeschlossen wurde.

Der ist mittlerweile vom Tisch, so Bezirksbürgermeister Wilfried Heidl. Es geht nun um einen Wiederaufbau – unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes, versteht sich. Wie die Verwaltung auf Eichenlaubs Anfrage mitteilte, steht die Untere Denkmalbehörde seit knapp zwei Jahren mit dem (neuen) Eigentümer in Kontakt, der allerdings „trotz intensiver Beratungsgespräche ohne die erforderliche Erlaubnis“ 2020 Arbeiten im Gebäude in Auftrag gegeben habe. Die Denkmalschützer legten daraufhin die Baustelle still.

Gelsenkirchener Denkmal muss zügig winter- und wetterfest gemacht werden

Stillstand statt Wiederaufbau: Auf dem Balkon des architektonisch außergewöhnlichen Jugendstil-Hauses in Gelsenkirchen-Resse wächst ein Baum.
Stillstand statt Wiederaufbau: Auf dem Balkon des architektonisch außergewöhnlichen Jugendstil-Hauses in Gelsenkirchen-Resse wächst ein Baum. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

In der Folge habe der Eigentümer mehrere Architekten konsultiert, die ein erlaubnisfähiges Konzept entwickeln sollten; es hätten zudem mehrere Ortstermine stattgefunden, „bei denen der Eigentümer auf den Denkmalwert seines Objektes und die daraus folgenden Konsequenzen hingewiesen wurde.“ Offenbar mit Erfolg: Der neue Besitzer legte Fotos von besenrein gesäuberten Innenräumen vor und erhielt im Januar 2022 die Erlaubnis für Instandsetzungsarbeiten. Die seien jedoch „bis Mitte dieses Jahres“ noch nicht begonnen worden, so die Verwaltung.

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Das Problem: Die Zeit drängt, noch vor einem möglichen Kälteeinbruch in Herbst und Winter tätig zu werden, geht es doch darum, „weiteren Schaden von dem Denkmal abzuwenden.“ Der Eigentümer habe die Verzögerung mit Problemen begründet, entsprechend qualifizierte Handwerksbetriebe zu finden, so die Verwaltung weiter. Nun hat die Untere Denkmalbehörde ihm eine Frist bis zum Herbst 2022 gesetzt, wenigstens das Dach und die fehlenden Fensterscheiben, „gegebenenfalls auch provisorisch“ zu schließen.

Gelsenkirchener Fachmann lobt „außerordentliche architektonische Qualität“

Bezirksbürgermeister Wilfried Heidl (SPD, Bezirk Ost) hofft darauf, dass nun endlich Bewegung in den Wiederaufbau des Denkmals Ewaldstraße 42 in Gelsenkirchen-Resse kommt. Das Wohn- und Geschäftshaus war 2019 in Brand geraten, die oberen Stockwerke sind unbewohnbar.
Bezirksbürgermeister Wilfried Heidl (SPD, Bezirk Ost) hofft darauf, dass nun endlich Bewegung in den Wiederaufbau des Denkmals Ewaldstraße 42 in Gelsenkirchen-Resse kommt. Das Wohn- und Geschäftshaus war 2019 in Brand geraten, die oberen Stockwerke sind unbewohnbar. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Besonderes Sorgenkind sei der Balkon am Erker, der „enorme Bauschäden“ aufweise. Daher sei aus Verkehrssicherheitsgründen auch der Bürgersteig darunter abgesperrt.

Viele Resser verfolgen besorgt den Verfall an so prominenter Stelle, sei das historische Gebäude doch von „außerordentlicher architektonischer Qualität“, wie der einstige Stadtplaner Dr. Lutz Heidemann kurz nach dem Brand 2019 klarstellte. Er ordnet es der „Kultur der Eckhäuser“ um 1910 zu, „als Resse aus einer Bergarbeiter-Siedlung zu einer ,Kleinstadt mit Gesicht’ und die Ewaldstraße zu einer guten Adresse wurde.“

Stadt Gelsenkirchen meldet Bewegung beim Wiederaufbau des Brandhauses

Dass der Wiederaufbau kein Spaziergang würde, darauf hatte schon Heidemann kurz nach dem Brand hingewiesen und öffentliche Fördermittel angeregt. Die könne jedoch nur der Eigentümer beantragen, stellte auf Nachfrage Stadtsprecher Martin Schulmann klar – und wies auf die neueste Entwicklung hin: „Der Eigentümer hat am Montag, 5. September, den Baubeginn angezeigt.“

Nicht nur Bezirksbürgermeister Heidl hofft nun, dass die Sanierung endlich Fahrt aufnimmt. Er ist überzeugt: „Wenn das Gebäude ordentlich wiederaufgebaut ist und einen neuen Anstrich erhalten hat, ist es ein Schmuckstück.“ Für die Redaktion war der Eigentümer nicht zu sprechen.

Verkaufsraum mit Jugendstil-Kacheln „einmalig“ in der Stadt

Erbaut wurde das Wohn- und Geschäftshaus an der Ewaldstraße 42 von den Westerholter Bauunternehmern Gebrüder Lackmann 1906/07, so der Ex-Planer Dr. Lutz Heidemann. Bald ging es in den Besitz von Fleischermeister Bredenbrock über. Laut Heidemann ist der mit dekorativen Jugendstil-Kacheln ausgeschmückte Verkaufsraum „in Gelsenkirchen einmalig“.

Der Fachmann zählt das Eckhaus mit Erker, breit geschweiftem Giebel und weit ausladendem Balkon zum Hauptwerk des Erler Architekten Hubert Kötting. Verglasung und Sprosseneinteilung der Fenster mit kleinstrukturierten Oberlichtern seien noch weitgehend original erhalten.