Gelsenkirchen. Eine neue Tagesklinik der Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen hilft chronischen Schmerzpatienten. Es geht um Strategien, gut damit zu leben.

Es gibt Schmerzen, die lassen sich einfach nicht wegdrücken. Nicht mit Schmerztabletten, nicht mit Spritzen und auch nicht mit Bewegungstherapien. In der neuen Tagesklinik der Evangelischen Kliniken sollen Patientinnen und Patienten mit solchen chronischen Schmerzen, unter denen unter anderem Rheumatiker, Krebspatienten, an Fybromyalgie Erkrankte und Rückenpatienten leiden, lernen, trotzdem ein gutes Leben führen zu können. Zum Thema:Uniklinik stellt Therapien gegen chronischen Schmerz vor

Strategien lernen, die den Schmerz in den Hintergrund drängen

In dreiwöchigen Kursen üben die Patientinnen und Patienten an fünf Tagen der Woche von morgens 8.30 bis 15.30 Uhr in der Tagesklinik an der Feldmarkstraße Strategien, Techniken und Verhaltensweisen die helfen, den Schmerz nicht ihr Leben beherrschen zu lassen. Leiterin der Tagesklinik ist Dr. Jutta Schröder, die an den Evangelischen Kliniken schon seit Jahren die Schmerzambulanz leitet und zwischenzeitlich auch eine stationäre Schmerztherapie im Haus anbot. Zum Thema:Schmerzen sind Kopfsache

Martina Otten ist als Pain-Nurse speziell ausgebildet in Techniken, die den schweren Folgen chronischer Schmerzen entgegenwirken. Auch die Faszienrolle in ihrem Rücken spielt dabei eine Rolle.
Martina Otten ist als Pain-Nurse speziell ausgebildet in Techniken, die den schweren Folgen chronischer Schmerzen entgegenwirken. Auch die Faszienrolle in ihrem Rücken spielt dabei eine Rolle. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Oft bremst die Angst vor erwarteten Schmerzen Aktivitäten aus

Die Fachärztin für Anästhesie, spezielle Schmerztherapie, Psychotherapie, Palliativmedizin und Traditionelle Chinesische Medizin setzt auf sogenannte multimodale Konzepte. Gemeint ist damit, dass die Patienten verschiedenste Verfahren kennenlernen, die ihnen Entlastung verschaffen können. Was individuell wem am besten hilft, können die Patienten so selbst erproben. Teil der ambulanten Reha ist aber auch das Wissen um die Entstehungs- und Wirkmechanismen chronischer Schmerzen. „Oft ist es die Angst vor dem Schmerz, die Aktivitäten und damit Teilhabe am Leben und Selbstbestimmtheit ausbremst. Wie dieser Mechanismus entsteht und gestoppt werden kann, auch das gehört zum Programm hier“, erläutert die Psychotherapeutin Schröder.

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Stress, Anspannung, falsche Ernährung, schlechte Körperhaltung, wenig Bewegung aus Angst vor Schmerz – all das sind Faktoren, die chronische Schmerzen verstärken können. Wer aktiv bleibt, lässt den Schmerz nicht sein Leben bestimmen und ihn zumindest vorübergehend in den Hintergrund treten.

Von Achtsamkeit bis zum Reizstrom

Dabei setzt das Team mit zwei Pain-Nurses – speziell ausgebildeten Pflegefachkräften für Schmerztherapie – der Oberärztin Ulrike Beste-Draeger, medizinischen Fachangestellten, Physio- und Ergotherapeuten auf einen ganzheitlichen Ansatz. Gespräche, technische Verfahren mit Reizstrom (Tens-Behandlung) ergänzt durch Akupunktur, Ernährungsberatung, Achtsamkeitsübungen, Entspannungstechniken von progressiver Muskelentspannung über Pilates, Chi Gong, Selbsthypnose und bald auch Yoga stehen auf dem Programm.

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Auch Medikamente spielen in der Therapie eine Rolle. „Aber da gibt es leider noch nicht allzu viel revolutionär Neues“, bedauert Jutta Schröder. Auf Cannabis-Produkte sei große Hoffnung gesetzt worden, nennenswerte Erleichterung verschafften dieses nach aktuellen Erkenntnissen jedoch nur einem kleinen Teil der chronischen Schmerzpatienten, so Schröder. In neue Studien sei man jedoch eingebunden, die weitere Entwicklung habe man im Blick, versichert die Medizinerin. Lesen Sie auch: Gelsenkirchener Schmerztage zeigen neue Wege auf

Soziale Unabhängigkeit zurück gewinnen

Noch keine langen Wartelisten

Aktuell laufen die ersten beiden Kurse mit je acht Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die nächsten beiden Kurse starten im Juni. Dank der Anlaufphase gibt es – im Gegensatz zur weitergeführten Schmerzambulanz des EvK an der Munckelstraße – für die Tagesklinik noch keine langen Wartelisten. Wer an einem dreiwöchigen Kurs teilnehmen möchte, braucht allerdings ein Vorgespräch und eine Überweisung.

Die Tagesklinik ist aus Platzgründen nicht im Stammhaus des EvK, sondern neu ausgestatteten Räumen an der Feldmarkstraße 2 angesiedelt. Genauere Informationen für Interessierte gibt es telefonisch unter 0209 70277071. Die Schmerzambulanz im EvK ist unter der Nummer 0209 16053601 erreichbar.

Wichtig sei, dass die Patienten ihre soziale Unabhängigkeit zurück gewinnen, ihre Lebensqualität verbessern können und die erlernten Techniken mit in ihren Alltag nehmen. Bewegungsangebote etwa sollten daher am besten in Nähe zum Wohnort fortgeführt werden, um sie dauerhaft ins Leben integrieren zu können. Die Klinik vermittle gern Kontakte zu Vereinen in der Nähe, die entsprechende Kurse anbieten.

Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen helfe gerade bei Schmerzpatienten – etwa in Selbsthilfegruppen, die ebenfalls an die Klinik angegliedert sind – bei der Bewältigung des Alltags „Zu sehen, dass man nicht allein betroffen ist, es anderen ähnlich ergeht, kann sehr hilfreich sein“, hat Jutta Schröder beobachtet.