Gelsenkirchen. Der Ukraine-Krieg und die Energiepreise: Warum manche Städte in NRW weniger vom russischen Gas abhängig sind – Gelsenkirchen allerdings schon.

Während zwei Drittel der Wohnungen in NRW überwiegend mit Gas beheizt werden, sind es in Gelsenkirchen nur etwas mehr als die Hälfte. Das geht aus einer aktuellen Auswertung des Statistischen Landesamtes IT NRW von Zahlen aus 2018 hervor. Doch auch wenn Gelsenkirchen bei der Gasversorgung gegen den Trend schwimmt: Von einer weiteren Preisschraube oder einer Lossagung von russischem Gas wären hier immer noch mindestens 60.000 Wohnungen betroffen.

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Wo das Gas in Gelsenkirchen genau herkommt, kann man bei der Emscher Lippe Energie (ELE) nicht konkret beantworten. Wie alle deutschen Gas-Versorger sei man von überregionalen Erdgaslieferungen abhängig, heißt es seitens Unternehmenssprecher Peter Efing. Unter den Vorlieferanten der ELE sind etwa Uniper, Shell, Eon oder Wintershall. Bundesweit wird mehr als 50 Prozent des Erdgases aus Russland, rund 30 Prozent aus Norwegen und etwa 10 Prozent aus den Niederlanden bezogen.

L-Gas und H-Gas: Warum manche Städte auf russische Importe verzichten können

Dass die Grundversorger vereinzelter Städte in NRW – von der Energieversorgung Oberhausen bis zu den Stadtwerken im sauerländischen Menden – dagegen zuletzt ihre Kunden mit der Botschaft, ihr Gas stamme nicht aus Russland, versucht haben zu beruhigen, hat damit zu tun, dass man dort noch mit L-Gas beliefert wird.

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In Deutschland gibt es zwei Arten von Erdgas: H-Gas und L-Gas. Letzteres hat einen geringeren Brennwert und Energiegehalt. Im Norden und Westen Deutschland wird das L-Gas zurzeit noch überwiegend genutzt, in NRW gibt es bei der Versorgung einen Flickenteppich – manche Regionen und Städte werden vor allem mit L-Gas versorgt, viele haben aber auch schon längst auf H-Gas umgestellt.

Das L-Gas stammt entweder direkt aus Deutschland oder wird aus den Niederlanden importiert. Da die Vorkommen aber in absehbarer Zeit erschöpft sein werden, soll bis 2030 überall auf H-Gas umgestellt sein, das aus Norwegen, Großbritannien und eben Russland kommt. Das heißt also: L-Gas mag zwar weniger effizient sein, seine Beschaffung ist aber weniger tangiert vom Ukraine-Krieg und den wirtschaftlichen Konsequenzen. Das heißt allerdings nicht, dass das L-Gas von den Preisentwicklungen auf dem Energiemarkt unbetroffen bleibt.

ELE rechnet auch mit steigenden Gaspreisen in Gelsenkirchen

Und mit weiter steigenden Preisen wird mit Blick auf die Ukraine überall gerechnet, ob in Fachverbänden oder in der Politik. „Über die aktuell laufende Heizperiode brauchen wir uns keine Gedanken machen, die nächsten Wochen sind noch unkritisch. Aber wie sich die aktuellen Entwicklungen auf die nächste Heizperiode auswirken, weiß man natürlich noch nicht“, sagt ELE-Sprecher Peter Efing, der jedoch darauf aufmerksam macht, dass die Preise ja nicht erst seit dem Angriffskrieg nach oben schießen. „Seit dem dritten Quartal 2021 gehen sie steil nach oben.“

Die Grundversorgungspreise für Gas und auch Strom hatte die ELE zuletzt dennoch stabil gehalten. Die Beschaffung, so Efing, sei schließlich langfristig angelegt. Zahlreiche andere Grundversorger im Ruhrgebiet, etwa in Bochum, Duisburg, Dortmund Essen und Oberhausen, hatten ihre Tarife zuletzt dennoch deutlich kostspieliger gestaltet und zwischen fünf und 25 Prozent erhöht, für Neukunden teils sogar um mehr als 100 Prozent.

Verbraucherzentrale bietet mehrere Seminare zum Thema Energie und Heizen

Die Verbraucherzentrale Gelsenkirchen verzeichnet in den letzten Monaten, insbesondere aber auch seit der russischen Invasion, eine verstärkte Nachfrage an Energieberatungen. „Das Interesse, ein anderes System, wie eine Wärmepumpe, nutzen zu wollen, war noch nie so hoch“, sagt Energieberater Norbert Mohr. Die Verbraucherzentrale reagiert mit entsprechenden Veranstaltungen auf den Informationsbedarf: Am 8. März geht es in einem Online-Seminar um „Klimafreundliches Heizen“, am 26. April um „Solarstrom und Batteriespeicher“, am 3. Mai um „Solarstrom vom Balkon“ und am 17. Mai um die Frage: „Wie dämme ich mein Haus umweltfreundlich?“. Infos zur Teilnahme auf www.verbraucherzentrale.nrw/beratungsstellen/gelsenkirchen/ oder telefonisch bei Norbert Mohr unter 0209 15760377.

Weitere Daten zum Heizverhalten

Heizöl sorgt IT NRW zufolge bei 10.000 Wohnungen in Gelsenkirchen für ein angenehmes Wohnklima (knapp 9 Prozent der Haushalte). 40.000 Wohnungen werden mit anderen Energieträgern- und arten beheizt, also etwa Fernwärme, Holz, Biogas, Sonnenergie oder Elektrizität. Das sind knapp 36 Prozent der Haushalte

Mit 78 Prozent wurde der höchste Anteil der mit Gas beheizten Wohnungen für die Stadt Aachen ermittelt, gefolgt von Dortmund (77,7 Prozent) und dem Kreis Borken (76,4 Prozent).