Gelsenkirchen. „Ich bleibe aus Solidarität. Und weil ich eine Aufgabe habe“: Der Gelsenkirchener Jürgen Hansen (SPD) ist in der Ukraine – und braucht Hilfe.

Was jetzt zu einem Kriegsschauplatz geworden ist, war Jürgen Hansens Sehnsuchtsort. Hier, in der Ukraine, wollte sich der Gelsenkirchener SPD-Stadtverordnete bald zur Ruhe setzen. Jetzt ist er dort gefangen. „Ich habe keine Option mehr hier wegzukommen, selbst wenn ich wollte“, sagt uns der 64-Jährige am Donnerstagabend per Video-Telefonat. Aber er will auch gar nicht. „Ich bleibe hier aus Solidarität zur Ukraine. Und weil ich eine Aufgabe habe.“

Gelsenkirchener SPD-Politiker arbeitet jetzt bei ukrainischer Hilfsorganisation

Hansen ist seit Ende Dezember in der Mittelukraine, in der 45.000-Einwohner-Stadt Switlowodsk, etwa 15 Kilometer entfernt von der mit Gelsenkirchen vergleichbaren 220.000-Einwohner-Großstadt Krementschuk – nicht einfach, um seinen Lebensabend vorzubereiten, sondern um vor Ort zu helfen. Hansen hat einen Daueraufenthaltsstatus, weil er beim „Verband der Organisationen humanitärer Hilfe der Ukraine“ angeheuert hat. Die Hilfsorganisation kümmert sich schwerpunktmäßig um Familien von Kriegsveteranen, die in dem mittlerweile schon seit 2014 tobenden Krieg gefallen oder schwer verletzt worden sind.

Switlowodsk liegt direkt am Krementschuker Stausee. „Von hier wird die gesamte Mittelukraine mit Wasser versorgt. Deswegen hoffe ich, dass wir glimpflich davonkommen“, sagt Hansen. Schließlich sei es für die Invasoren aus reinem Eigeninteresse strategisch unsinnig, den Staudamm zu beschädigen. „Sollte er doch etwas abbekommen, ist nicht nur Krementschuk hinüber. Das wäre eine absolute Katastrophe.“ In Krementschuk bereitet man sich auf jede mögliche Katastrophe vor.

Gelsenkirchener Hansen: „Putin wird den Krieg gegen die Menschen nicht gewinnen“

Als Mitglied der Hilfsorganisation ist Hansen mittlerweile Mitglied im Krementschuker Krisenstab und wird dort mit den wichtigsten Informationen über den Einmarsch der russischen Truppen versorgt. „Es werden jetzt alle Kräfte gebündelt“, sagt Hansen. Er berichtet von Freiwilligen, die in Sporthallen Erstversorgung von Kriegswunden lernen und Tarnnetze knüpfen. „Es gibt lange Schlangen vor Apotheken und Tankstellen. Der Sprit geht aus, aber ich habe noch eine Ladung bekommen.“

In Krementschuk bereitet man sich auf das Vordringen der russischen Truppen vor: Freiwillige knüpfen vor Ort Tarnnetze.
In Krementschuk bereitet man sich auf das Vordringen der russischen Truppen vor: Freiwillige knüpfen vor Ort Tarnnetze. © Privat | Jürgen Hansen

Hansen, der in Gelsenkirchen Vorsitzender der „Task Force Flüchtlingshilfe“ ist, spricht von einer „riesigen Welle der Solidarität, einem riesigen Zusammenhalt zwischen den Leuten.“ An Sammelstellen werde alles abgegeben, was die Menschen vor Ort entbehren könnten. „Ein Mütterchen hat einen selbst gebackenen Kuchen vorbeigebracht, ein Junge hat sein Geld zusammengeschmissen um fünf Telefone zu kaufen und sie dort abgegeben.“ Hansen ist sich sicher: „Wir werden es Putin nicht leichtmachen, den zweiten Krieg, nämlich den gegen die Bevölkerung, zu gewinnen.

Einigkeit im Westen: „Das wird Putin das Genick brechen“

Trotz Fehler im Umgang mit Russland in der Vergangenheit, sieht Hansen sich und die Bevölkerung vor Ort jetzt durch die politischen Führungskräfte im Westen gestärkt. „So einig, wie sich die freie Welt im Moment zeigt, waren wir noch nie. Es gab bei vielen Krisen und Konflikten immer Ausreißer. Aber heute stehen wir alle zusammen. Das wird Putin das Genick brechen.“

Vorbereitung auf den immer näher kommenden Krieg: In Krementschuk wird Freiwilligen die Erstversorgung von Kriegswunden beigebracht.
Vorbereitung auf den immer näher kommenden Krieg: In Krementschuk wird Freiwilligen die Erstversorgung von Kriegswunden beigebracht. © Privat | Jürgen Hansen

Hansen navigiert sich selbst mit seinen Russisch-Kenntnissen durchs Land, Ukrainisch hat er nicht gelernt. „Aber damit kommt man gut zurecht, die Sprachen sind sehr ähnlich.“ Zu den russischen Separatisten und Truppen zugewandt fühlen sich dem Gelsenkirchener zufolge nur wenige Menschen. „Hier wünschen sich die wenigsten, an Russland angegliedert zu werden. Der Kampfeswille, dagegen anzutreten, ist dagegen enorm.“

Ukraine-Krieg: Den Menschen vor Ort fehlt es an ganz alltäglichen Dingen

Und wie sieht Hansen seine persönliche Rolle? „Dass ich keine Kalaschnikow in die Hand nehmen werde, ist klar, aber ich werde so gut wie es geht, nach außen transportieren, worum es hier wirklich geht. Nicht nur die Chaosbilder von Explosionen und Feuer zu zeigen, es geht auch darum, wie das normale Leben jetzt von der ganzen Situation beeinflusst wird.“

Denn den Menschen fehle es schon jetzt an ganz alltäglichen Gütern. Hansen will deswegen sein Bestes versuchen, Gegenstände wie Decken und Seife, wie Geschirr und Unterwäsche aus Deutschland, aus Gelsenkirchen in die Ukraine zu bringen. „Für mich steht fest: Wenn ich die Möglichkeit bekommen sollte, das Land zu verlassen, dann mache ich das nur, wenn ich auch zurückkehren kann und all das verteilen kann, was helfende Hände gesammelt haben.“

Jürgen Hansen bittet um Spenden

Wer den Menschen vor Ort helfen möchte, kann Jürgen Hansens Spendenaufruf folgen: „Wir brauchen Decken, Kissen, Matratzen, Mullbinden, Heftpflaster, Tabletten gegen Fieber und Durchfall, Solarbatterien, Taschenlampen, Geschirr aus Metall, Verbandstoffe, Seife, Shampoo, Zahncreme, lange warme Unterwäsche für Männer, kleine Zelte für zwei bis vier Personen, Taschenlampen.“

„Ich bitte Sie von ganzem Herzen: Wenn sie etwas von den Sachen entbehren können, spenden Sie es und geben Sie es an der Adenauer Allee 102 oder unserem Help Laden in der Von-der-Recke-Straße 3 ab. Ich verspreche: Wenn ich hier raus komme, werde ich zurückkehren und persönlich die Sachen in die Ukraine bringen, dorthin wo Sie gebraucht werden.“ Ansprechpartner ist Uwe Bestmann (0170-3590772).

Auch Geldspenden werden entgegengenommen. Das Konto der Task Force: IBAN DE 69 4205 0001 0101 1753 45 (Sparkasse Gelsenkirchen).