Gelsenkirchen-Buer. Wie eine junge Flüchtlingsfrau in die Mühlen der Ausländerbehörden gerät. Und wie die Stadt Gelsenkirchen die Bewertung des Falls erklärt.

Corona erschwert vieles. Das weiß Karl-Heinz Mohr, Ehrenamtlicher der Flüchtlings-Anlaufstelle Help-Laden im Michaelshaus, sehr wohl. Dass es aber über fast drei Monate nicht gelang, für seinen Schützling Precious Akpobuwa eine buchstäblich lebenswichtige Rückmeldung der Ausländerbehörde zu erhalten, hat ihn ratlos gemacht. Als die Nigerianerin auch noch die Aufforderung erhielt, samt gerade eingeschultem Sohn (6) vorübergehend nach Bayern zu ziehen, wandte er sich hilfesuchend an die Redaktion. Die Antwort auf deren Nachfrage überraschte.

Es sind viele Stunden, die Mohr und seine Frau Helga seit Frühjahr 2021 in den „Fall“ der 29-Jährigen investiert haben. Die Verständigung ist schwierig, der Beratungsbedarf beim Verständnis des Schriftverkehrs mit Behörden und in 1000 Alltagsfragen, er ist enorm.

Riesige Probleme, mit Gelsenkirchener Ausländerbehörde Kontakt zu bekommen

Karl-Heinz Mohr (71) engagiert sich seit 2016 ehrenamtlich im ökumenisch getragenen Help-Laden im Gelsenkirchener Michaelshaus, seine Frau Helga (68) seit 2018. Flüchtlingen bei der Orientierung und Integration zu helfen, ist den pensionierten Lehrern ein echtes Anliegen.
Karl-Heinz Mohr (71) engagiert sich seit 2016 ehrenamtlich im ökumenisch getragenen Help-Laden im Gelsenkirchener Michaelshaus, seine Frau Helga (68) seit 2018. Flüchtlingen bei der Orientierung und Integration zu helfen, ist den pensionierten Lehrern ein echtes Anliegen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Es war im November vergangenen Jahres, als den Ehrenamtlichen klar wurde: Frau Akpobuwa, die nach ihrer Flucht aus Nigeria bis Anfang 2021 in Bayern gelebt hatte, braucht einen Termin bei der Ausländerbehörde zur Erneuerung ihrer seit Februar 2021 geltenden Aufenthaltserlaubnis. „Nur mit dem Nachweis eines solchen Termins erhält sie über Februar hinaus Zahlungen vom Jobcenter“, berichtete Helga Mohr (68).

Aber genau dieser Termin sei nicht zu bekommen gewesen, weil überhaupt kein Kontakt zustande gekommen sei, ob nun telefonisch, per Post oder Mail über das Kontaktformular der Ausländerbehörden-Homepage.

Ausländerbehörde: Flüchtlingsfrau sei zu Unrecht in Gelsenkirchen

Die Nigerianerin wurde zusehends nervös – und die Mohrs auch. Die Zeit drängte. Am 17. Januar endlich erreichte der 71-Jährige eine Mitarbeiterin telefonisch. Und dabei tat sich eine noch größere Baustelle auf: „Sie behauptete, Frau Akpobuwa sei unrechtmäßig in NRW, weil der Stadt keine Zustimmung der Bezirksregierung Arnsberg vorliegt, dass die Wohnsitzauflage für Bayern aufgehoben wurde und sie nach Gelsenkirchen ziehen durfte.“

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Sie möge bis zur Klärung ihres Falls nach Garmisch-Partenkirchen zurückkehren, hieß es wenig später auch schriftlich unter Verweis auf eine „gültige Wohnsitzverpflichtung für das Land Bayern“, die bis Ende 2023 gelte.

Gelsenkirchener Flüchtlingshelfer sind überzeugt: Frau hat nichts falsch gemacht

Precious Akpobuwa verstand die Welt nicht mehr, und auch die Mohrs waren ratlos. „Ihr Sohn ist gerade eingeschult worden und hat sich genau wie seine Mutter gut in Gelsenkirchen eingelebt. Sie jetzt wieder da herauszureißen, ist ein Unding. Das ist das Gegenteil von gelungener Integration!“

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Während Gelsenkirchen auf dem Umzug beharrte, habe man Mohr in Bayern mitgeteilt, der Umzug sei „rechtlich in Ordnung gewesen.“ Tatsächlich heißt es in einem der Redaktion vorliegenden „Zusatzblatt zur Aufenthaltserlaubnis“ vom 20. Februar 2021, dass die Wohnsitzauflage im Freistaat Bayern aufgehoben und die Nigerianerin zur Wohnsitznahme in NRW „verpflichtet“ sei. Die Mohrs waren sicher: „Die Frau hat doch nichts falsch gemacht!“

Auf Redaktions-Nachfrage bestätigt Gelsenkirchen: Nigerianerin kann bleiben

Die Nachfrage der Redaktion ergab: „Frau Akpobuwa hat wirklich nichts falsch gemacht. Der Fehler liegt in Garmisch-Partenkirchen“, so Stadtsprecher Martin Schulmann. Die Sachbearbeiter dort hätten versäumt, die Aufhebung der Wohnsitzauflage in Arnsberg anzuzeigen. Weil diese Meldung nicht vorgelegen habe, hätten Mutter und Sohn wieder umziehen sollen.

Wobei der Help-Laden Flüchtlinge unterstützt

Der Help-Laden im Michaelshaus an der Hochstraße 47 in Buer unterstützt Flüchtlinge bei der Bearbeitung von Schriftverkehr mit Behörden, Arztbesuchen und in Fragen zur Beschulung ihrer Kinder. Die derzeit vier ehrenamtlichen Mitarbeitenden helfen bei der Suche nach Möbeln und Haushaltsgegenständen, bei der Suche nach einer Wohnung oder einem Praktikumsplatz. Auch Sprachkurse werden vermittelt.

Getragen wird die Einrichtung von der Evangelischen Trinitatis-Kirchengemeinde Buer, der Katholischen Propsteipfarrei St. Urbanus und der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde am Spinnweg, die mit der Task-Force Flüchtlingshilfe Gelsenkirchen kooperiert.

Geöffnet ist der Help-Laden montags von 10 bis 12 Uhr. Eine vorherige Anmeldung ist nicht nötig.

Die Mitarbeitenden freuen sich über weitere ehrenamtliche Unterstützung. Kontakt: 0209 98 89 98 75 (Mail: helpladen-buer@web.de).

Warum die Ausländerbehörde beim Blick in die Unterlagen den Fehler nicht sofort in Garmisch ausmachte, sondern bei der Nigerianerin suchte, wusste Schulmann nicht zu beantworten. „Das Wichtigste ist doch, dass die Bescheinigung nachgeordert wurde und Frau Akpobuwa in Gelsenkirchen bleiben kann.“ Ein Verschulden aufseiten der Verwaltung schloss er aus.

Auch was den Nachweis eines Termins bei der Ausländerbehörde angeht, der Voraussetzung für die Jobcenter-Zahlungen ist, meldete die Stadt nach Eingang der Redaktionsnachfrage ein „Happy-End“. Wieso es zuvor über fast drei Monate nicht möglich war, eine Rückmeldung zu erhalten, jedenfalls für die junge Mutter und den Help-Laden-Mitarbeiter? „Wir haben immer noch Corona, die Folge sind lange Wartezeiten.“