Gelsenkirchen-Hassel. Der Nordfriedhof in Gelsenkirchen-Hassel wird kaum noch genutzt. Jetzt hat ein Mann auf dem Gelände das Grab seines Vaters nicht mehr gefunden.
Neun Friedhöfe gibt es in Gelsenkirchen, auf denen noch regelmäßig Bestattungen stattfinden. Früher waren es einmal mehr – doch weil die Einwohnerzahl schrumpft, gibt es Friedhöfe, auf denen nicht mehr beziehungsweise nur noch ganz selten beerdigt wird, wie beispielsweise den Alten Friedhof an der Mühlenstraße in Buer. Und dann gibt es Anlagen, die teilweise eingeebnet, „entwidmet“ werden, wie es im Amtsdeutsch heißt. Um eine solche Anlage geht es: den Alten Nordfriedhof in Hassel.
Auf dem Friedhof an der Pawiker Straße, einem der kleineren Friedhöfe der Stadt, wurde im Jahr 1966 Heinz Herbert Fehst bestattet, der Vater von Hans-Jörg Fehst. Der 73-jährige Hans-Jörg Fehst wohnt seit 1972 nicht mehr in Gelsenkirchen. Als er Jahrzehnte später wieder in seiner alten Heimat war, wollte er auch das Grab seines Vaters besuchen. Das gab es aber nicht mehr. „Alles war weg“, sagt er. „Wir standen vor einem Zaun. Anstelle seines Grabes fand ich bebautes Gelände vor.“
Schon 1970 wurde ein Teil des Gelsenkirchener Friedhofs außer Dienst gestellt
Fehst ist in Hassel geboren und aufgewachsen, sein Vater hatte auf der Zeche Bergmannsglück gearbeitet. Der Junge absolvierte zunächst eine Ausbildung bei der Stadt Gelsenkirchen – in diese Zeit fiel auch der frühe Tod des Vaters, der schon mit 43 Jahren schwer erkrankte und starb, „wahrscheinlich als Folge seiner Arbeit auf der Zeche“, vermutet Fehst. Der Vater fand seine letzte Ruhestätte auf dem Alten Nordfriedhof. Hans-Jörg Fehst entschied sich wenig später für einen Berufswechsel, zog nach Niedersachsen und studierte Zahnmedizin. „Auch meine Mutter und meine Schwester zogen aus Gelsenkirchen weg“, berichtet er.
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Der Alte Friedhof an der Pawiker Straße wurde bereits 1970 teilweise außer Dienst gestellt. „Im Laufe der Jahre hat der Friedhof immer mehr an Bedeutung verloren, weil die Einwohner aus Scholven und Hassel vermehrt ihre Angehörigen auf dem Hauptfriedhof in Buer bestatten ließen“, heißt es in einem Ratsbeschluss von 2012, in dem die Entwidmung einer Teilfläche des Friedhofs beschlossen wurde. Zurzeit gebe es noch genau drei Gräber mit laufenden Ruhfristen, teilte Gelsendienste-Sprecher Tobias Heyne mit, die letzte Ruhefrist würde im November 2016 enden.
Friedhofsatzung: Diese Regeln gelten
Ruhefrist 1994 abgelaufen
Im Jahr 1959 hatte die Einwohnerentwicklung in Gelsenkirchen ihren Höhepunkt erreicht (391.745 Einwohner), seitdem sinkt die Zahl. 1963 wurde ein Grundsatzbeschluss gefasst, zu überlegen, einzelne Friedhöfe im Stadtgebiet zu schließen, um die Anzahl der Friedhöfe zu reduzieren. Auf der Fläche in Hassel, die 2012 entwidmet wurde, fand 1969 die letzte Beisetzung statt. Die letzten Ruhefristen sind seit April 1994 abgelaufen.
Dass es solche Ruhefristen gibt, war auch Hans-Jörg Fehst klar – trotzdem sei es ein Schock für ihn gewesen, das Grab seines Vaters einfach nicht mehr vorzufinden. „Ich finde das dermaßen pietätlos“, sagt er. Ihn ärgere, dass niemand von der Stadt Gelsenkirchen sich bei ihm oder seiner Schwester gemeldet habe, als die Ruhezeit abgelaufen war. „Ich habe mich bei meinem Wegzug ordnungsgemäß abgemeldet“, sagt er, „es wäre kein Problem gewesen, mich zu finden.“
Dem widerspricht Tobias Heyne – die Friedhofssatzung sei da eindeutig. „Die Nutzungsberechtigten haben der Friedhofsverwaltung jede Änderung ihrer Anschrift mitzuteilen“, heißt es dort. Bei Reihengräbern würde die Ruhefrist nach 25 Jahren enden, in der Regel würden die Gräber dann Anfang des Folgejahres eingeebnet. Das heißt: Grabschmuck und Grabstein werden entfernt – die sterblichen Überreste, sofern es solche nach 25 Jahren noch gibt, verbleiben im Boden.
Was Fehst auch ärgerte, war eine seiner Meinung nach sehr knappe Antwort von Gelsendienste, als er dort nachgefragt hatte. „Nach Rücksprache mit dem Friedhofsleiter handelt es sich um ein Vorgehen, welches unter Berücksichtigung aller gesetzlichen Legitimationen durchgeführt wurden“, hieß es dort. „Der Rückbau der Friedhofsanlage erfolgte nach Beendigung der Ruhefristen und natürlich einer entsprechenden Entwidmung.“ Fehst hält das für eine sehr „unpersönliche Antwort“, wie er sagt – schließlich gehe es um seinen toten Vater. Inzwischen hat sich Gelsendienste bei dem 73-Jährigen entschuldigt. „Die Kommunikation mit Herrn Fehst ist auch aus unserer Sicht nicht glücklich verlaufen“, sagt Tobias Heyne. In einem längeren Schreiben habe man ihm den Sachverhalt noch einmal dargestellt.
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