Gelsenkirchen-Schalke-Nord. 60.000 Tonnen Reis und Hülsenfrüchte werden bei Müller’s Mühle in Gelsenkirchen pro Jahr verarbeitet. Die Silo-Silhouette prägt den Stadthafen.

Das tiefe Dröhnen ist körperlich zu spüren und absolut nicht zu überhören hier weit oben im Mühlturm, abgeschottet hinter dicken Stahltüren in einem fensterlosen Raum. Keine Menschenseele weit und breit. Der Betrieb läuft auf diesen Etagen automatisch bei Müller’s Mühle. Und rasend schnell. Werkleiter Tobias Breuer tippt an einem Überwachungspanel einen Monitor an, sichtet eine Stichprobe. Durch das Rohrsystem rundum rauschen tausende Kilo Reiskörner, werden geeinigt, geschält, poliert, veredelt. Einige Körnchen, hält der Monitor in einer Momentaufnahme fest, sind auf dieser rasend schnellen Fahrt dunkler geblieben als die Zigtausend anderen. Sie müssen nochmal in den Mühl-Kreislauf und werden gezielt mit Druckluft aus dem System geschossen.

Bei Müller’s Mühle wird auf das Gramm genau eingetütet

Vollautomatisch abgefüllt, gewogen und verpackt werden die Mühlenprodukte in Gelsenkirchen. Hand angelegt wird bei Müller’s Mühle nur noch am Endprodukt.
Vollautomatisch abgefüllt, gewogen und verpackt werden die Mühlenprodukte in Gelsenkirchen. Hand angelegt wird bei Müller’s Mühle nur noch am Endprodukt. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

Auf zur nächsten Runde, bis die Körner einige Stationen später im Erdgeschoss landen, auch hier vollautomatisch verpackt werden und als Spitzen-Langkornreis im 500-Gramm-Beutel oder 25-Kilo-Gebinde ihre weitere Reise in den Handel antreten. In rasanter Fahrt zwischen den Maschinen sind nebenan auch Erbsen, Bohnen, Linsen auf Transportbändern unterwegs, werden Gramm-genau eingetütet, durchlaufen in Bruchteilen von Sekunden einen Metalldetektor. Jeder Fremdkörper in der Packung wird hier aufgespürt. „Unsere Systeme sind geschlossen, um einen optimalen Produktschutz zu haben“, sagt der Werkleiter.

Durch die Rohrleitungen geht’s mit Hochdruck: Reis oder Hülsenfrüchte werden gereinigt, geschält und poliert – und von Etage zu Etage weitertransportiert.
Durch die Rohrleitungen geht’s mit Hochdruck: Reis oder Hülsenfrüchte werden gereinigt, geschält und poliert – und von Etage zu Etage weitertransportiert. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

Schüttelsiebmaschinen und Rundrotoren arbeiten im Inneren der Spezialmaschinen, bearbeiten auf den oberen Etage Körner, sortieren Bruch aus. Maximal fünf Prozent dürfen bei Müller’s Mühle im Endprodukt landen, zumindest bei der Kategorie Spitzenreis. Technik dominiert. Ein Müller pro Schicht überwacht am Leitstand von der zentralen Steuerwarte aus alle Prozesse. „Die Anlage kann bis zu 15 Tonnen pro Stunde fahren“, sagt Breuer.

5500 Paletten-Stellplätze bieten ausreichend Kapazität

5500 Paletten-Stellplätze bieten ausreichend Kapazität,im Hochregallager.
5500 Paletten-Stellplätze bieten ausreichend Kapazität,im Hochregallager. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

140 Mitarbeiter hat Müller’s Mühle in Gelsenkirchen, davon arbeiten rund 90 im Zweischichtbetrieb in der Produktion, im Abpackbereich, im Lager. 5500 Paletten-Stellplätze bieten ausreichend Kapazität, davon 3000 im sogenannten Blocklager. Hier läuft der Betrieb vollautomatisch. Was Müller’s Mühle national an Hülsenfrüchten oder Reis dreht, bewegt, mahlt und veredelt - es wird hier im Betrieb am Stadthafen produziert oder zumindest gehandelt, vertrieben, beworben. Tobias Breuer, 43, der Werksleiter, ist im 27. Jahr im Betrieb, ist Meister – und „er lebt den Betrieb“, wie Uwe Walter betont. Der 48-Jährige ist seit drei Jahren Geschäftsführer im Haus, diesem Mühlenbetrieb, der seit Generationen zum Stadtbild gehört, mit seiner markanten Silo-Silhouette die Szenerie im Hafen prägt und mit Gelsenkirchen verbunden ist, wie der „Willy“. Dieser kleine Müllersmann mit der roten Zipfelmütze gehört zum Markennamen mit dem Firmen-Logo. Auf jeder Packung prangt er, natürlich auch auf der Firmen-Fassade.

Werkleiter Tobias Breuer, 43, ist seit 27 Jahren im Betrieb.
Werkleiter Tobias Breuer, 43, ist seit 27 Jahren im Betrieb. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

Müller’s Mühle, das war lange ein Familienbetrieb. Adolf Müller gründete Müller’s Mühle 1893. Seit 1913, Kanalbau und Hafeneröffnung machten’s möglich, wird im Innenhafen Getreide und Reis angeliefert. Seit 1989 ist Müller’s Mühle ein Teil der Unternehmensgruppe „GoodMills Deutschland“, dem - mit Marken wie Aurora, Diamant oder Rosenmehl – größten nationalen Anbieter im Bereich Markenmehl.

Die Müllers lebten in der Mühle

Der letzte „Müller“ lenkte bis dahin noch die Geschicke des Betriebs vom Firmensitz aus. In der alten Müller-Wohnung im Obergeschoss sind heute Besprechungsräume, hat der Geschäftsführer sein Büro mit Ausblick auf die alte Terrasse der Familie hoch oben über dem Hafen.

Aus Kanada oder auch Frankreich („besonders interessant im Erbsenbereich“, sagt Breuer) bezieht der Mühlbetrieb Hülsenfrüchte. Risottoreis kommt immer noch bevorzugt aus Italien, klassischer Langkorn-, Jasmin- oder Basmati-Reis dagegen aus Ostasien. Über 60.000 Tonnen Reis, Getreide und Hülsenfrüchte werden pro Jahr im Mühlbetrieb am Hafen verarbeitet. „Die Menge ist relativ stabil geblieben in den vergangenen Jahren“, sagt Geschäftsführer Uwe Walter.

Rezepte im Internet

Rezepte von Reis bis Perlgraupen, von Bulgur bis Quinoa hat Müller’s Mühle auf der Homepage des Unternehmens zusammen gestellt. Allein für Erbsen gibt es 33 verschiedenen Küchenvorschläge, 63 sind es gar für Linsen. Was auch zeigt: die Vielfalt ist riesig.

Rezeptbroschüren der Müller gibt es auch als E-Paper. Detailliert und durchaus aufschlussreich sind auch die Angaben zur „Produktwelt“ – inklusive Produktvideos.
www.muellers-muehle.de

Siloteile aus einem alten U-Boot-Druckkörper

16 Meter hoch sind die Silozellen hinter der Betonfassade, 45 stehen allein auf dieser Hafenseite. Jede fasst 70 Tonnen. Insgesamt, so Walter, „haben wir über alles rund 12.500 Tonnen Silokapazitäten. Besonders markant sind die alten U-Boot-Druckkörper. Im Schalker Verein wurden sie einst gefertigt, kamen aber nicht mehr zum Kriegseinsatz. Aus 76 Einzelteilen entstanden nach 1945 schließlich reisige Behälter, die jeweils Platz für 2000 Tonnen Reis bieten.

Reis wird per Frachter angeliefert - lose

Die „Filagram“ liegt am Kai. Der polnische Frachter hat Reis geladen. Rund 800 Tonnen Rohware sind an Bord.
Die „Filagram“ liegt am Kai. Der polnische Frachter hat Reis geladen. Rund 800 Tonnen Rohware sind an Bord. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

60 Prozent der Ware wird über die Straße transportiert. Speditions-Lkw fahren Müller’s Mühle in hohem Takt an. 40 Prozent Anteil hat der Schiffsverkehr. Im Hafenbecken vor den Silos liegt an diesem Morgen ein Frachter am Kai. Die „Filagram“ fährt unter polnischer Flagge, hat Reis geladen. Lose, rund 800 Tonnen sind an Bord. Mit der Greiferschaufel des Krans wird die Ladung gelöscht, wandert in die Silos, zuvor hat die hauseigene Qualitätskontrolle die Freigabe erteilt. Der Kreislauf durch den Mühlbetrieb kann beginnen.

Wachtelbohnen, Bulgur oder Quinoa

Müller’s Mühle: das bedeutet: Produktion, oder wie sie hier sagen „Veredelung und Verarbeitung“ allein in Deutschland. Die Bandbreite ist enorm. Klar, klassischer Langkorn-Reis, Schälerbsen oder weiße Bohnen sind immer noch die Massenprodukte für den Mühlbetrieb, doch der Absatz, so Geschäftsführer Uwe Walter, sei hier auf hohem Niveau „eher stagnativ“. Das Angebot fächert sich immer breiter auf: Pardina Linsen und Rote Linsen, Wachtelbohnen, Bulgur, Quinoa oder Kichererbsen, zählt Walter auf, gehörten „zum Portfolio. Das ist dynamisch gewachsen, auch auf Kundenwunsch. Wir sind in der Küche weg von der klassischen Erbsen-Bohnen-Linsensuppe. Mit der Gesellschaft hat sich auch die Ernährung verändert. Der Trend geht zum schneller kochen. Auch vegetarische oder vegane Kost wird für viele immer wichtiger“.

„Wir stehen ganz klar für pflanzliche Ernährung“

Uwe Walter, 48, ist Geschäftsführer von Müller’s Mühle.
Uwe Walter, 48, ist Geschäftsführer von Müller’s Mühle. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

Worauf auch Müller’s Mühle reagiert – mit „aktuell über 80 verschiedenen Fruchtarten“ und mittlerweile und 350 verschiedenen Produkten, mit einer hauseigenen Entwicklungsabteilung, die seit 2018 dem veränderten Marktgeschmack nachspürt. „Mit unseren Produkten, die wir nach und nach auf den Markt bringen, wollen wir all’ dem Rechnung tragen“, erklärt Walter und kündigt an: „In unserem Segment sind wir Marktführer, aber wir wollen insgesamt dynamischer werden. Dabei stehen wir ganz klar für pflanzliche Ernährung, das ist unsere Kernkompetenz. Das Wissen um Produktionsketten wurde über Generationen weitergegeben. In 125 Jahren hat es hier nie einen Lebensmittelskandal gegeben.“

Der Eintopf aus der Dose ist Geschichte

Erbsen- oder der Linseneintopf, gerne mit Bauchspeck oder Bockwurst – das waren Dosen-Klassiker bei Müller’s Mühle. Doch Erbsen- oder Linsensuppen als Konserve sind Geschichte. Geschäftsführer Uwe Walter: „Davon haben wir uns getrennt, das ist nicht mehr unser Markt.“ Ziel ist, stärker jüngere Zielgruppen zu erreichen. „Das wird unsere Aufgabe der nächsten Jahre sein“, sagt Walter. Dazu gehört auch eine neue Marketingstrategie. „Da stehen wir vor einem Relaunch, da werden wir viel aktiver werden. Die Marke ist es wert, sie viel stärker zu zeigen.“