Gelsenkirchen. Lenin-Statue in Gelsenkirchen steht seit einem Jahr vor der MLPD-Zentrale. Partei kündigt an, dass eine zweite von Karl Marx bald folgen soll.
Für die einen ist sie nach wie vor ein Schandfleck im Stadtbild, für die anderen hingegen eine Pilgerstätte, die Neugierige aus aller Welt anlockt: Seit genau einem Jahr erhebt sich vor der Bundeszentrale der MLPD in Horst eine Lenin-Statue. Und diese soll bald nicht mehr allein dort stehen: Denn die linksextreme Partei lässt derzeit ein Standbild ihres zweiten Namensgebers anfertigen: Karl Marx. Wann das Duo komplett aufgestellt ist, steht laut der Parteivorsitzenden Gabi Fechtner noch nicht fest. „Die beiden werden sich aber wie im Dialog miteinander auf Augenhöhe begegnen“, verkündet Fechtner.
Stadt Gelsenkirchen scheiterte im Vorjahr mit einer Klage in zwei Instanzen
Ein kurzer Blick zurück: Es war der 20. Juni 2020, ein sonniger Samstag, als die Gelsenkirchener Lenin-Statue enthüllt wurde. Das umstrittene Standbild hatte gerade in den Wochen vor seiner Enthüllung die Stadtgesellschaft extrem polarisiert. Kritiker schimpften über eine „Provokation“ und den „Personenkult für einen Massenmörder“. Die MLPD pochte hingegen darauf, dass sie mit dieser Aktion eine Diskussion über den in Deutschland vorherrschenden Anti-Kommunismus anstoßen wolle. Mit einer Klage hatte die Stadt Gelsenkirchen unter Nennung von Gründen des Denkmalschutzes noch die Aufstellung zu verhindern versucht. Sie scheiterte aber in zwei Instanzen.
Wenige Tage nach der Enthüllung tauchten dann einige Mitglieder einer AfD-Jugendorganisation aus dem Sauerland vor der Parteizentrale auf. Die jungen Männer verspritzten Kunstblut auf dem Fußgängerweg vor der Statue und posierten für Fotos, die sie in einem sozialen Netzwerk veröffentlichten. „Das war bis heute der einzige nennenswerte Zwischenfall“, stellt Fechtner klar. Und das überrasche ein wenig, denn ihre Parteimitstreiter und sie hätten schon befürchtet, dass das Standbild öfter das Ziel von Sachbeschädigungen werden könnte.
Alarmanlage und Videoüberwachung als Schutz
Dass dem bislang nicht so ist, liege auch „an der sozialen Kontrolle durch die Nachbarschaft“, vermutet die Parteivorsitzende. Denn zum einen befinden sich im Gebäude an der Schmalhorststraße/Ecke An der Rennbahn, in dem die MLPD residiert, mehrere Privatwohnungen. Aber auch einige Anwohner von der Straßenseite gegenüber würden stets ein wachsames Auge auf das gusseiserne, etwa 16.000 Euro teure Kunstwerk auf dem Sockel haben.
Zusätzlich gebe es laut Fechtner auch einen realen Schutz – in Form einer Alarmanlage und einer Videoüberwachung. Letztere hat mit ihren Kameras nur das Grundstück der MLPD im Visier, auf dem auch die silberfarbene Statue steht. Diese wurde zudem mit einem Speziallack überzogen, der es leichter macht, eventuelle Farbschmierereien oder Aufkleber zu entfernen.
Dialog mit Zufallsgästen und gezielt angereisten Statuen-Fans
„Die Statue ist von Teilen der Horster Bevölkerung aber inzwischen angenommen worden. Sie dient als Treffpunkt für Verabredungen“, schildert Fechtner ihre Beobachtungen. Noch spannender seien aber die Begegnungen mit Menschen, die gezielt anreisen, um das umstrittene Standbild einmal mit eigenen Augen zu sehen. Neulich erst sei ein Pfarrer mit dem Fahrrad vom Niederrhein bis nach Horst gestrampelt. Kurz davor war eine Jugendgruppe aus Düsseldorf da. „Dann entsteht oft ein Dialog. Und das ist ja auch genau das, was wir wollten“, so Fechtner.
In einer Statistik, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, wurden innerhalb des vergangenen Jahres über 2600 Personen gezählt, die an der Statue Blumen niedergelegt oder Fotos gemacht haben. Darunter seien manche Menschen mit russischer Herkunft gewesen, weiß Fechtner, aber auch aus anderen Teilen der Welt. Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass vor einem Jahr Berichte über die Enthüllung in über 100 Ländern veröffentlicht wurden. Ist die Lenin-Statue also doch nur ein aufmerksamheischendes PR-Mittel für die Partei gewesen? Fechtner verneint das. Sie pocht darauf, dass die Statue „die Grundlage für eine gesellschaftliche Diskussion über den Sozialismus“ sei.
Rund 30.000 Euro für das Marx-Standbild sollen auch über Spenden finanziert werden
Und bald wird Lenin nicht mehr allein in Horst zuhause sein: Eine Statue von Karl Marx soll dazukommen. Im Vorjahr gab es eine Ausschreibung. Anfang 2021 erhielt der Bildhauer Rainer Günther den Zuschlag. Er fertigt das Standbild an, das in Höhe, Form und Farbe dem ersten ähneln soll. „Wir hätten leicht eine alte Marx-Statue bekommen können. Um sie aber auf Augenhöhe nebeneinander aufstellen zu können, haben wir uns für eine Neuanfertigung entschieden“, so Fechtner. Die Kosten liegen bei rund 30.000 Euro. Es seien bereits mehrere Spenden für das Kunstwerk eingegangen, so die MLPD.
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