Gelsenkirchen. Gelsenkirchens Polizeipräsidentin Britta Zur wehrt sich gegen Vorwürfe von strukturellem Rassismus - und erklärt zugleich, wie er entstehen kann.
- Gelsenkirchens Polizeipräsidentin Britta Zur diskutierte in einer Online-Veranstaltung mit den Gelsenkirchener Grünen über Rechtsextremismus und Rassismus in der Polizei.
- „Wir sind nicht mit brauner Soße überzogen“: Zur hält Rassismus in der Polizei für ein Problem Einzelner, nicht für ein strukturelles Problem - und hat zugleich Erklärungen dafür, wie dieser bei einzelnen Beamten auf der Streife entstehen kann.
- Die Gelsenkirchener Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) fordert eine Reform des Bundespolizeigesetzes.
Gelsenkirchens Polizeipräsidentin Britta Zur sieht Rassismus und Rechtsextremismus in der Polize nicht als strukturelles Problem. „Ich bin überzeugt, dass wir einzelne schwarze Schafe in der Polizei haben“, sagte Zur bei einer Online-Diskussionsrunde, zu der die Gelsenkirchener Grünen am Dienstagabend (23.3.) eingeladen hatten. Den Vorwurf des strukturellen Rassismus innerhalb der Polizei lasse sie jedoch nicht gelten. „Ich verwahre mich dagegen, dass wir alle mit einer braunen Soße überzogen werden. Wir haben hier tolle Beamte, die jeden Tag für uns alle ihren Arsch riskieren und darunter leiden, dass sie unter einem Generalverdacht gestellt werden.“
Zur: „Kein Polizist soll zu lange auf einer Position hocken“
Um die Entstehung von rechtsextremen Tendenzen innerhalb der Polizei zu verhindern, hält Zur es für entscheidend, dass Beamte regelmäßig zwischen den verschiedenen Abteilungen der Polizei rotieren. „Es ist wahnsinnig wichtig, dass keiner zu lange auf einer bestimmten Position hockt“, so die 40-Jährige. „Wenn ich beispielsweise jahrelang in einem afrikanisch geprägten Viertel in Köln schwarze Drogendealer verfolge oder bekämpfe, muss ich irgendwann aus diesem Stuhl heraus, damit ich nicht bei jedem Schwarzafrikaner sofort denke: Wie viel Koks hat er wohl dabei?“
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Warum sich vereinzelt rassistische Einstellungen innerhalb der Polizei bilden, sei in vielen Fällen gar nicht so schwer zu erklären, ergänzte die Behördenleiterin. Eine Stadt wie Gelsenkirchen habe nun einmal einen hohen Migrantenanteil – dementsprechend auch einen hohen Anteil von Straftaten, der von Menschen mit Migrationshintergrund begangen werde. Wenn ein Polizist über viele Jahre in so einer Stadt jahrelang mit viel Elend und schwierigen Menschen konfrontiert sei, sogar bespuckt, beleidigt und verletzt werde, bestehe die Gefahr, die Erfahrung auf der Straße nicht mehr von einer bestimmten Personengruppe trennen zu können.
Polizeipräsidentin: Wenig Verfahren gegen Rassismus bei Polizisten in Gelsenkirchen
Die Frage, wie sie sie Alltagserfahrungen von Racial Profiling bewertet, von denen zahlreiche Menschen mit Migrationsgeschichte regelmäßig berichten, bewertete Zur als zu pauschalisierend. „Wenn es einen Bürger gibt, der sich – warum auch immer – nicht gut und nicht anständig von der Polizei behandelt fühlt, dann soll er eine schriftliche Eingabe machen. Das wir dann an unser professionelles Beschwerdemanagement weitergeleitet.“ In Gelsenkirchen habe es seit dem Bekanntwerden rechtsextremer Chatgruppen in der Polizei Essen/Mülheim zwar eine Zunahme von Fällen gegeben, in denen Mitarbeiter als Extremisten oder Rassisten bezeichnet worden seien. Allerdings sei die Zahl der Verfahren hier gering.
Zur: AfD und Polizei nicht vereinbar
Polizeipräsidentin Britta Zuhr suspendierte im März 2020, wenige Monate nach ihrem Dienstantritt, den ehemaligen AfD-Ratsherren und Polizeibeamten Martin Jansen vom Dienst, weil er sich auf sozialen Netzwerken rassistisch und menschenfeindlich geäußert hatte. Abgeschlossen ist das offizielle Suspendierungsverfahren allerdings immer noch nicht, wie Zur mitteilte.
Zur betonte, sie könne zwar niemanden vor die Tür setze, nur weil er der AfD angehöre. Eine aktive Mitgliedschaft in einer solch „höchstgefährlichen Partei“ und eine Tätigkeit bei der Polizei hält sie jedoch für „nicht miteinander vereinbar.“
„Die Frage ist natürlich, ob die Zahl der Verfahren die Lebensrealität mancher gesellschaftlicher Gruppen abbildet“, entgegnete Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic, die vor ihrem Eintritt in den Bundestag selbst als Polizeibeamte tätig war und Britta Zur zunächst für ihre Haltung gegenüber rechtsextremen Handlungen in der Polizei lobte. „Es wird nicht jeder Fall gemeldet. Viele Betroffene mögen sich fragen, ob es Erfolg hat, sich mit einer Beschwerde direkt an die Polizei zu wenden.“
Mihalic (Grüne) will Novelle des Bundespolizeigesetzes
Mihalic sprach von einer „anekdotischen Evidenz“ von Racial Profiling, Zahlen dazu erhebe man nicht, Erfahrung seien jedoch nicht von der Hand zu weisen. Die Grünen-Abgeordnete plädierte in diesem Zuge für eine Erneuerung des Bundespolizeigesetzes, das vereinzelt verdachtsunabhängige Kontrollen aufgrund von ethnischen Kriterien begünstige (etwa durch Paragrafen 22).
„Schwammige Vorschriften“ und „falsch angewendete Kontrollbefugnisse“, die als Racial Profiling wahrgenommenes Verhalten befördern, müssten überarbeitet werden. Im CSU-geführten Bundesinnenministerium, so die Grünen-Sprecherin für Innenpolitik, fehle zudem eine Auseinandersetzung darüber, ob Bedingungen in der Polizei existieren, die ein rassistisches Verhalten begünstigen. „Damit wird sich nicht genug auseinandergesetzt.“