Gelsenkirchen. Während manche Gelsenkirchener Schulen vom zeitversetzten Unterricht nichts halten, wollen andere umplanen. Was das für den Schülerverkehr heißt.

Die Bogestra hat von mehreren Schulen in Gelsenkirchen das Signal erhalten, den Unterricht zeitversetzt beginnen zu wollen. Wie Sprecherin Sandra Bruns mitteilt, erarbeitet das Nahverkehrsunternehmen deshalb nun ein Konzept, um die Fahrten der Schulbusse nach den Weihnachtsferien anzupassen. „Eine Umplanung der Routen ist komplex, aber die Notwendigkeit erkennen wir definitiv - gerade jetzt, da im Winter die Fahrgastzahlen wieder zunehmen, weil weniger Leute per Fahrrad und Bus unterwegs sind.“

Zuletzt hatte die Bogestra noch den Ärger der Elternschaft auf sich gezogen, weil das Unternehmen empfohlen hatte, morgens auf frühere oder spätere Verbindungen auszuweichen, um volle Busse und Bahnen in der Corona-Zeit zu meiden. Es könne nicht sein, dass Stadt und Bogestra die Verantwortung auf die Schüler abwälzten, statt selbst Lösungen und Konzepte zu finden, hieß es seitens der Schulpflegschaft der Gesamtschule Berger Feld . Ein Konzept ist nun offenbar – in Abstimmung mit den Schulen – in Arbeit.

Bogestra musste coronabedingt bereits viel ändern

869 Schulen nutzen Option

Das Land NRW hat erst kürzlich die Möglichkeit zum zeitversetzten Schulbeginn verlängert und erweitert. Nun ist der Schulbeginn zwischen 7 und 9 Uhr möglich.

Nach Angaben der Landesregierung nutzen NRW-weit derzeit 869 öffentliche Schulen diese Möglichkeit, also gut 20 Prozent der Schulen im Bundesland. Im Bogestra-Gebiet sind darunter bislang nur Schulen aus Herne .

Weitere 737 Schulen hätten signalisiert, dass sie ihre Öffnungszeiten ebenfalls flexibel gestalten möchten. Darunter fallen die Schulen in Gelsenkirchen .

Den Bedarf für flexiblere Anfahrtszeiten zwischen 7 und 9 Uhr wird die Bogestra nach eigener Einschätzung nicht durch den Einsatz zusätzlicher Fahrzeuge erfüllen können. „Es rollt bereits alles, was rollen kann“, formuliert es Sandra Bruns. „Deshalb können wir das nur über die Änderung der Routen lösen.“ Seit Beginn der Corona-Pandemie habe die Bogestra bereits 30 Fahrplanänderungen und somit 300 Dienstplanänderungen vornehmen müssen.

Gewünscht wird der flexible Schulbeginn offenbar auch von Schulen, die vornehmlich durch Straßenbahnen wie die Linie 302 erreicht werden. Auch hier arbeite man an einer Möglichkeit, sich dem zeitversetzten Unterricht anzupassen, heißt es seitens der Bogestra.

Warum Reisebusse keine Option sind

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Den von vielen Fahrgästen immer wieder geäußerten Vorschlag, auf Reisebus-Unternehmer zuzugehen und durch deren Fahrzeuge für eine Entzerrung im Schulverkehr zu sorgen, hält die Bogestra für unrealistisch - allein wegen der technischen Ausstattung der Fahrzeuge. „Man hat keinen Haltestellenwunsch-Taster und ist in so einem Bus nicht an das Funksystem angebunden. Deswegen kommen Reisebusse nicht infrage“, erklärt Sandra Bruns.

Ebenfalls nicht zum Einsatz kommen in Gelsenkirchen zusätzliche Schulbusse, die das Land den Kommunen über ein erst im Oktober verlängertes Förderprogramm zur Verfügung stellt. Der Grund ist nach Angaben der Stadt: Solange die Busse nicht wirklich unzumutbar voll sind und keine Alternativmöglichkeiten bestehen, können keine Gelder des Landes in Anspruch genommen werden.

Unterschiedliches Echo von Gelsenkirchener Schulen

Die ersten Schulen in Gelsenkirchen haben bereits verkündet, dass sie den Unterrichtsbeginn ab 7. Januar tatsächlich umplanen werden. So heißt es auf der Homepage des Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums etwa, man habe nach einer Überprüfung der „morgendlichen Schülerströme“ durch die Bogestra entschieden, den Unterricht nach den Weihnachtsferien auf 8 Uhr vorzuziehen.

Umgesetzt wird der flexible Schulbeginn – auch ohne Anpassung der Bogestra – bereits an der Gesamtschule Ückendorf , die viele Schüler mit der Straßenbahn 302 erreichen. „Schon seit den Sommerferien arbeiten wir mit drei verschiedenen Zeitrastern“, sagt Schulleiter Achim Elvert. Die ungeraden Klassen haben demnach regulären Unterricht, für die geraden Klassen beginnt die Schule eine Stunde später. Und in der Oberstufe wechseln die Schüler zwischen beiden Zeitrastern. Das sei dem Umstand geschuldet, dass in der Oberstufe deutlich mehr Unterrichtsstunden zu bewältigen sind.

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„Das führt zwar noch nicht zu einer Halbierung der Klassen, entzerrt aber ungemein“, so Elvert. Benachbarte Jahrgänge hätten keine gemeinsamen Pausen mehr, die Zahl der Kontakte werde deutlich reduziert. „Wir finden eine solche Entzerrung des Unterrichts und damit auch des ÖPNV gut.“ Auch aus der Schüler- und Elternschaft bekomme die Schule ein positives Echo - trotz des „erheblichen organisatorischen Mehraufwands“. So müssten etwa doppelt so viele Kräfte für die Pausenaufsicht eingeplant werden. „Das nehmen wir gerne in Kauf.“

Kritik: Nutzen steht in keinem Verhältnis zum Aufwand

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Michael Scharnowski, Schulleiter am Leibniz-Gymnasium in Buer, ist in Sachen Entzerrung anderer Auffassung. Er befürchtet, dass der „Nutzen in keinem Verhältnis mehr zum Aufwand steht“, wenn eingespielte und schon entzerrte Strukturen noch weiter auseinandergerissen würden.

Am Leibniz beginnt der Ernst des Lebens für die Jüngeren um 8.20 Uhr, für die Oberstufe um 7.30 Uhr. Auch hier nutzen viele Schüler Bus und Bahn, beispielsweise die 302. Einen noch früheren oder späteren Unterrichtsbeginn hält Scharnowski zwar für durchaus denkbar, zugleich wirft er die Frage auf, ob das den Familien und Lehrkräften zumutbar ist.

„Es gibt viele Familien, die mehrere Kinder in verschiedenen Einrichtungen haben, von der Kita über die Grundschule bis hin zur weiterführenden Schule. Da ist der Zeitplan eng getaktet“, sagt Michael Scharnowski. Verschiebungen nach vorn oder hinten würden dem Schulleiter zufolge zu großen Problemen bei der Organisation des Familien- und Berufsalltags sowie bei der Einhaltung des Stundenplans führen. Auch hinterfragt der Schulleiter den Nutzwert hinsichtlich des Corona-Schutzes – „zumal Schulen nach wie vor keine Infektionsherde sind“.