Essen. Dies sei nicht die Zeit für ausgeklügelte Unterrichts-Konzepte, heißt es auf dem Bildungsforum Ruhr.

Mehr Pragmatismus und Mut im Umgang mit digitalem Lernen in Corona-Zeiten sowie eine bessere Unterstützung individueller Lern- und Schulkonzepte – diese zentralen Wünsche und Forderungen an die NRW-Schulpolitik äußerten Bildungsexperten und Schulpraktiker am Montag auf dem 9. Bildungsforum Ruhr. Die Pandemie werde den Schulalltag noch auf unabsehbare Zeit prägen. Es sei daher nötig, dass der Weg auch für neue Formen der Bildungsarbeit geöffnet werde, betonte Duisburgs Bildungsdezernentin Astrid Neese gleich zum Auftakt der vom Regionalverband Ruhr (RVR) erstmals virtuell ausgerichteten Veranstaltung. Neese mahnte mehr Flexibilität in der Schulpolitik an. „Wir haben nicht die Zeit, ausgeklügelte Konzepte zu schreiben, sondern müssen versuchen, pragmatisch durch die Zeit zu kommen“, sagte die städtische Beigeordnete.

Flexibilität und Gestaltungsfreiheit

https://www.waz.de/politik/landespolitik/nrw-schulpolitik-landesregierung-droht-die-loehrmann-falle-id230950016.html Auch Hamms Bildungsdezernentin Britta Obszerninks erwartet vom Land mehr Flexibilität und Gestaltungsfreiheit für Kommunen und einzelne Schulen. Klaus Hebborn, Schulexperte beim Deutschen Städtetag, forderte „etwas mehr Freiheiten“ für Schulen bei ihren Unterrichtsstrategien im Corona-Alltag ein. Der jüngste Streit zwischen der NRW-Landesregierung und der Stadt Solingen um das dortige Hybrid-Modell aus Präsenz- und Online-Unterricht zeige, dass „es hier noch Defizite“ im Land gebe. Britta Russack vom Regionalen Bildungsbüro in Mülheim forderte das NRW-Schulministerium auf, „mehr Mut“ an den Tag zu legen und innovative Schulprojekte stärker zu beachten.

Manche Schüler haben sich im Lockdown sogar verbessert

Beispiele für pandemie-bedingte Impulse aus dem Schulalltag gaben Schulleiter, Lehrer und Schüler. Stefan Bornemann von der Heinrich-Heine-Realschule in Hagen betonte den Wert frühzeitiger Digital-Konzepte an Schulen. Seine Schule habe schon vor der Pandemie damit begonnen, Online-Techniken wie eine Schul-Cloud und einen schulinternen Messenger-Dienst für Lehrer und Schüler einzuführen. Dadurch seien die Schüler auf die Erfordernisse des Frühjahr-Lockdowns vorbereitet gewesen. Nicht alles sei zudem durch den Online-Unterricht damals schlechter geworden, betonte Bornemann. „Manche Schüler haben sich gegenüber ihren Leistungen im Präsenzunterricht sogar verbessert“, sagte der Pädagoge. Lea Heitbrink, Schülersprecherin am Steinbart-Gymnasium in Duisburg, berichtete ebenfalls von unerwartet positiven Effekten des digitalen Lernens etwa auf die Selbstdisziplin und Eigenständigkeit ihrer Mitschüler.

Nicht alle Probleme allein mit Technik zu lösen

https://www.waz.de/politik/landespolitik/schulleiter-bewerten-die-nrw-schulpolitik-mit-der-note-4-id216724423.html Vor einem zu verengten Blick auf die Möglichkeiten der Digitalisierung im Bildungsbereich warnte indes Sascha Friesike. „Wir tun so, als könnten wir alle Probleme lösen, wenn wir nur die Technik dazu hätten“, sagte der Professor für das Design digitaler Innovation an der Universität der Künste Berlin. Der Zeitaufwand für die Beschäftigung mit digitaler Technik werde extrem unterschätzt. Man erwarte, dass Menschen im Bildungsbereich plötzlich zu professionellen Medienproduzenten würden, obwohl sie dafür überhaupt nicht ausgebildet seien.