Gelsenkirchen. Zweijähriger ertrinkt im Gelsenkirchener Sportparadies. Im Prozess gegen die Tante ist das Urteil gefallen. Weitere Ermittlungen sollen folgen.

  • Der Strafprozess um die fahrlässige Tötung eines Zweijährigen endet am Mittwoch vor dem Amtsgericht in Gelsenkirchen mit einem Freispruch.
  • Im Prozess konnte nicht klären, ob die Angeklagte oder die Mutter die Aufsichtspflicht innehatte.
  • Der Staatsanwalt will nun gegen die Mutter des ertrunkenen Zweijährigen die Ermittlungen aufnehmen.

Im Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung des zweijährigen Ahmed, der im Juni 2019 im Gelsenkirchener Sportparadies ertrunken ist, hat das Amtsgericht Gelsenkirchen nun die Tante des Jungen freigesprochen. Angeklagt war die 45-jährige Tamara S., weil sie ihrer vermeintlichen Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sein soll. Am 10. Juni 2019 war der kleine Ahmed vier Tage vor seinem dritten Geburtstag in einem der Schwimmbecken ertrunken.

Es konnte im Verlauf des Prozesses nicht geklärt werden, ob der Angeklagten, sie ist die Tante des Kindes, die Aufsichtspflicht tatsächlich von der Mutter übertragen worden ist. Grundsätzlich, so das Gericht, sei die Mutter verpflichtet, auf ihr Kind aufzupassen.

Der Staatsanwalt kündigte an, nun vermutlich gegen die leibliche Mutter des Jungen, Nour S., Ermittlungen wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung aufzunehmen.

Jede Hilfe für den Zweijährigen im Gelsenkirchener Sportparadies kam zu spät

Mit einigen Freunden und den Kindern von Nour S. hatte die 45-Jährige das Sportparadies besucht. Die aus Syrien stammenden Familien leben erst seit kurzem in Deutschland. Das Amtsgericht Gelsenkirchen sah es als erwiesen an, dass sich die beiden Frauen im Restaurant im 1. Stock befanden, als das Unglück geschah.

Leblos hatte der kleine Ahmed im Nichtschwimmerbereich auf dem Beckenboden gelegen. Jede Hilfe kam zu spät. Der Sachverständige erklärte, warum keiner der Besucher auf das ertrinkenden Kind aufmerksam geworden ist. Kinder in dem Alter zeigten keine Reaktionen, wenn sie untergingen, wehrten sich nicht, verlören die Orientierung.

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Festsetzung des Strafmaßes

Ein Einzelrichter hatte die 45-jährige Tamara S. vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Ein Einzelrichter kann ein Strafmaß bis zu zwei Jahren festsetzen. Ein Schöffengericht kann Angeklagte bis zu einer Strafe von vier Jahren verurteilen.

Ist ein höheres Strafmaß zu befürchten, landet der Fall vor dem Landgericht. Sollte es zu einer Anklage der Mutter kommen, würde der Prozess erneut von einem Einzelrichter geführt.

Nach dem Ertrinken von Ahmed (2) nahm zunächst die Tante die Schuld auf sich

Noch am Tag des Unglücks hatten Zeugen beobachtet, wie sich die Schwestern darauf einigten, dass die Angeklagte die Schuld auf sich nehmen sollte und ihr die Aufsichtspflicht von der leiblichen Mutter übertragen worden sei. Gegenüber der Polizei hatte Tamara S. zunächst ihre Schuld eingeräumt.

Der Hintergrund für die Übernahme der Verantwortung: Man vereinbarte, dass die leibliche Mutter danach keine Anzeige erstatten werde und es somit nicht zu einem Prozess kommen würde. Nicht bekannt war den Schwestern, dass im Tötungsfall grundsätzlich von Amts wegen ermittelt wird. Auch hatte die leibliche Mutter des Jungen, die unter Beobachtung des Jugendamtes stand, Zwangsmaßnahmen der Behörde bei der Kindererziehung befürchtet.

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Prozess vor dem Amtsgericht Gelsenkirchen: Zeuge bezeichnet Mutter als Lügnerin

Husam K., ein Bekannter von Nour S., war ebenfalls an dem Unglückstag vor Ort. Er hatte keine Schwimmsachen dabei, filmte und fotografierte Kinder und Erwachsene. In seiner Zeugenaussage bestätigte er, dass beide Frauen gemeinsam mit ihm ins Restaurant gegangen seien, während die Kinder unbeaufsichtigt im Becken gespielt hätten.

Im Chat-Verkehr mit Tamara S. habe er wie auch die angeklagte Tante Tage nach dem Unfall Nour als eine große Lügnerin bezeichnet. So habe diese auch alle Fotos, die er im Bad mit seinem Handy gemacht habe, gelöscht. Husam K. sieht die falsche Person auf der Anklagebank. Die Mutter hätte auf ihr Kind aufpassen müssen. Das Unglück habe bei ihm einen Schock ausgelöst: „Ich kann es immer noch nicht glauben.“

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