Gelsenkirchen. Die Zahl der Coronainfizierten ist auf einem Rekordhoch. Infektionsketten lassen sich nicht mehr immer nachvollziehen. So sollen Schulen lüften.

Führende Virologen und Politiker – allen voran auch die Bundeskanzlerin – haben seit Wochen eindringlich davor gewarnt: Die zweite Corona-Welle bahnt sich an, hieß es unisono. Wie es aussieht, haben sie recht behalten. Es sind bittere Rekordwerte: 6638 Neuinfektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) am Donnerstag, am Freitag stieg die Zahl auf über 7300 Neuinfektionen. Nicht einmal im Frühjahr, als sich das Virus zum ersten Mal in Deutschland ausbreitete, wurden an einem Tag so viele neue Ansteckungen gemeldet.

Auch in Gelsenkirchen erreichte die Zahl der bekannten(!) aktiven Infektionen am Freitag (16.10.) einen neuen Höchstwert. Nach Angaben der Stadt sind 432 Gelsenkirchener aktuell an Corona erkrankt. Das sind 54 mehr als am Vortag und der Höchstwert seit Beginn der Pandemie. Der wichtige Inzidenzwert (Infektionen binnen sieben Tagen je 100.000 Einwohner) stieg auf 78,6. Am Montag noch lag der Wert bei 45,4. Daran wird deutlich wie schnell die Fallzahlen aktuell steigen. Insgesamt sind der Stadt bisher 1535 Gelsenkirchener bekannt, bei denen das Coronavirus nachgewiesen wurde.

„Diese Entwicklung in unserer Stadt wie auch im gesamten Ruhrgebiet und darüber hinaus ist eine absolut ernstzunehmende“, so Gesundheitsdezernent Luidger Wolterhoff. „Es gibt dabei nicht das eine Ereignis, auf das die Infektionen zurückzuführen sind. Nach wie vor ist das Infektionsgeschehen ein sehr verteiltes. In der Hauptsache sind es viele kleine Treffen im familiären Rahmen mit zehn bis 15 Personen, in denen sich Menschen angesteckt haben“, so Wolterhoff. Diese seien nach den Vorgaben der Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen zwar nach wie vor erlaubt. „Aber ich appelliere dringend an jeden einzelnen, sich zu fragen, ob alles, was erlaubt ist, auch unbedingt nötig ist“, so der Gesundheitsdezernent.

„Im Sommer hat sich auch in unserer Stadt das Infektionsgeschehen fast ausschließlich im jüngeren und mittleren Alterssegment abgespielt“, erklärt Luidger Wolterhoff: „Das wird jetzt wieder ein wenig anders. Durch die Ansteckungen im familiären Rahmen sind auch wieder verstärkt ältere Menschen betroffen.“ Das schlage sich auch wieder deutlicher in den Zahlen aus den Krankenhäusern nieder.

Derzeit sind 26 Corona-Patienten in stationärer Behandlung, fünf von ihnen befinden sich auf der Intensivstation, zwei werden beatmet.

„Das zeigt: Das Virus ist zurück. Und zwar mit aller Wucht. Wir können uns die Sorglosigkeit, die sich bei dem einen oder anderen über den Sommer eingeschlichen haben mag, definitiv nicht mehr leisten. Ich appelliere noch einmal an alle: Halten Sie Abstand. Halten Sie sich an die Hygieneregeln. Und bitte vermeiden sie Treffen mit mehreren Personen“, so Wolterhoff.

Stadt Gelsenkirchen kann Corona-Infektionswege nicht mehr immer rekonstruieren

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Indes, das räumt Stadtsprecher Martin Schulmann am Freitag ein, wird es für die Gesundheitsbehörden immer schwieriger, die Infektionswege nachzuvollziehen. Wie in vielen anderen Städten auch, kann das Gesundheitsamt in Gelsenkirchen wegen fehlender Informationen nicht mehr jeden Fall bis zum Ende rekonstruieren.

„Alle Fenster in Gelsenkirchener Schulen lassen sich öffnen“

Sichergestellt hingegen sei, dass in allen Gelsenkirchener Schulklassen die Fenster zum Durchlüften der Räume geöffnet werden können, berichtet Schulmann auf Nachfrage. Mitarbeiter der Stadt hätten alle Fenster überprüft, sollte es unerwartet doch irgendwo noch zu Problemen kommen, solle sich die Schule umgehend an die Stadt wenden, so Schulmann.

In einem neuen Dokument hat das Umweltbundesamt (UBA) am Donnerstag Empfehlungen für die Belüftung während des Schulunterrichts vorgelegt. Die Expertinnen und Experten des UBA entwickelten die Empfehlungen, um die Ansteckungsrisiken im Schulbetrieb zu minimieren.

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Neben warmer Kleidung im Klassenzimmer empfehlen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dreimal pro Stunde stoßzulüften – also alle Fenster für drei bis fünf Minuten weit zu öffnen. So soll sichergestellt werden, dass die Luft im Raum regelmäßig durch Frischluft von außen ausgetauscht wird.

Nur die Tür des Klassenzimmers zu öffnen, um einen Luftaustausch zu den Schulfluren zu ermöglichen, reiche laut Umweltbundesamt nicht aus. Denn dann könnten sich virushaltige Schwebeteilchen (Aerosole) von einem Raum über dem Flur in andere Klassenräume verbreiten.

Langfristig spricht sich das Umweltbundesamt dafür aus, dass alle Schulen, aber auch Kultureinrichtungen mit Wärmetauschanlagen ausgestattet werden sollten. Bei solchen Lüftungsanlagen wird Frischluft von außen angesaugt und gleichzeitig durch die nach außen strömende Abluft erwärmt.

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