Gelsenkirchen. Bernhard Südholt geht als Schulamtsdirektor Ende September in den Ruhestand – mit 68 Jahren. Was er sich für Gelsenkirchener Schulen wünscht.

Eilig hatte Bernhard Südholt es nicht mit seinem Ruhestand. Wenn der Schulamtsdirektor zum 1. Oktober seinen Schreibtisch im Gelsenkirchener Hans-Sachs-Haus endgültig räumt, ist er 68 Jahre alt. Er ist gern in die Verlängerung seiner Arbeitszeit gegangen – allerdings hätte er auf die letzten Monate mit den Corona-Einschränkungen gut verzichten können. Der gelernte Grund- und Hauptschullehrer, der zudem ein Aufbaustudium für Sonderpädagogik absolvierte, begann sein Dienstleben 1977 in Gelsenkirchen: Als Referendar an der Hauptschule Grillostraße.

Transparente Entscheidungen ersparen im Nachgang viel Ärger

Danach allerdings zog es ihn zurück ins Münsterland. 20 Jahre war er als Lehrer im Einsatz, elf Jahre lang leitete er eine Förderschule in Vreden. „So selbstständig wie als Schulleiter ist man in keinem anderen Bereich“, erinnert er sich an diese Zeit. Gestalten könne man zwar auch als Schulamtsdirektor. Allerdings nur in einem bestimmten Rahmen, als Mittler zwischen Kommune für die äußeren, baulichen Angelegenheiten, dem Land für die inneren, personellen und inhaltlichen Dinge und natürlich den Schulen vor Ort. Sein Grundsatz sei gewesen: „Wichtig ist, transparente Entscheidungen zu treffen. Das ist zwar anstrengend, erspart im Nachgang aber viel Ärger und Arbeit.“

Dabei habe für ihn immer die Frage im Vordergrund gestanden: Was kommt bei den Kindern an? Gerade bei der sonderpädagogischen Förderung hat sich viel geändert, seit er aktiv als Lehrer war. Das Gemeinsame Lernen, das einem Aussortieren entgegen wirken soll, lag und liegt Südholt besonders am Herzen. Zumal seine Stelle in Gelsenkirchen lange Zeit eine geteilte war: Zur Hälfte hatte er die Aufsicht über Gelsenkirchener Grundschulen, zur anderen war sie der Umsetzung von Inklusion vor Ort beziehungsweise der Aufsicht darüber im Dienste der Bezirksregierung gewidmet.

Zu wenige Lehrer für zu viele Kinder mit Förderbedarf

„Förderschulen und allgemeinbildende Schulen mit Gemeinsamem Unterricht – beide leisten gute Arbeit, je nachdem, welche Unterstützung ein Kind braucht. Aber es gibt einen Widerspruch im System: Wir wollen entsprechend der UN-Konvention für Menschenrechte Kinder mit Förderbedarf nicht aussortieren, aber wir sortieren alle Kinder schon nach der vierten Klasse in verschiedene Systeme. Das ist exklusiv, nicht inklusiv“, klagt er. In vielen anderen europäischen Ländern werde im Sinne der Bildungsgerechtigkeit erst später getrennt. Eine Trennung der Bildungsgänge nach Klasse acht hält Südholt für angemessener.

Dass es beim Gemeinsamen Lernen noch viel Luft nach oben gibt, bestreitet der Verfechter der Inklusion nicht. „Es gibt viel zu wenige Lehrer für Kinder mit Förderbedarf und zu wenig Schulräume. Die Prognosen zur Schülerzahlentwicklung von vor zehn Jahren hatten 1000 Kinder weniger geschätzt als wir jetzt haben.“ Auf die veränderte Situation der letzten Jahre sei nicht schnell genug und nicht entschlossen genug reagiert worden.

„Wir sind am untersten Limit“

Kompliment von den Kollegen

Offiziell verabschiedet wird Bernhard Südholt am 28. September. Das Team werde ihn mit Sicherheit sehr vermissen, er habe viel angestoßen in Gelsenkirchen, betont Kollegin Petra Bommert, die als Schulamtsdirektorin auch weiterhin die Hälfte der Grundschulen in Gelsenkirchen betreuen wird.

Das Auswahlverfahren zur Schulaufsicht durch die Bezirksregierung für die andere Hälfte der Grundschulen ist in der Endphase, Anfang Oktober soll es abgeschlossen werden. Die Inklusion und Förderschulen wird weiterhin Schulamtsdirektorin Heike Grüter betreuen.

Bei der Frage, wie die Lehrerversorgung an Gelsenkirchener Grundschulen aktuell ist, holt Bernhard Südholt erstmal tief Luft. „Wir sind am untersten Limit, die Versorgung aller Klassen mit Minimalunterricht ist noch gesichert. Viel passieren darf aber nicht“, räumt er ein. Und Differenzierungsunterricht sei ohnehin kaum möglich, mangels Räumen, mangels Personal und ein wenig derzeit auch wegen der Corona-Einschränkungen. Dass die Kinder wieder in der Schule sind und nicht mehr daheim im Lockdown, „ist richtig, aus vielen Gründen, sonst könnten andere Schäden drohen,“ ist er überzeugt.

Nach der Pensionierung wollte er eigentlich viel und lange reisen. Zunächst wird er sich dabei auf die Ostsee beschränken. Langeweile befürchtet er jedenfalls nicht.