Gelsenkirchen-Ückendorf. Der Besitzer baut die aufgegebene evangelische Paul-Gerhardt-Kirche in Ückendorf um. Die Baufirma Bielefeld gönnt ihr eine Frischzellenkur.

Die Sicht spielt eine große Rolle in der Geschichte der Paul-Gerhardt-Kirche an der Ecke Festweg und Nansenstraße. Am Sonntag „Okuli“ (latein.: Augen) vor 14 Jahren hat hier die evangelische Gemeinde den letzten Gottesdienst gefeiert. Abendmahlsgeschirr, Altarbibel und die Altarkerzen sind in der Nicolaikirche untergekommen. Im Blick ist die entwidmete Ückendorfer Kirche allein schon durch den markanten Turm in ihrem Dorf geblieben. Nun beginnt eine Zukunft für sie, die die Sicht auf den Sakralbau verändern wird.

Der wird von Farbe, von Farben bestimmt. Da ist das Blau in dem riesigen Fenster, das eine ganze Seite einnimmt, und das sind Gelb und Hellbraun. „Ocker“, wirft Ulrich Lehmann ein. Das ist der eine der beiden Farbtöne am Turm, der den Zuschlag bekommt. Lehmann ist hier „Oberbauleiter“ für seine Söhne Stephan und Michael, Geschäftsführer der Traditionsfirma Bielefeld an der Florastraße, die Gelände und Gebäude in Erbpacht vom Kirchenkreis übernimmt.

Turm, Kreuz und Kirchenschiff in Gelsenkirchen-Ückendorf sollen bestehen bleiben, der neue Besitzer baut aber vorsichtig um.
Turm, Kreuz und Kirchenschiff in Gelsenkirchen-Ückendorf sollen bestehen bleiben, der neue Besitzer baut aber vorsichtig um. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Fünf der sieben Wohnungen, die hier entstehen, sind bereits vergeben. Eine Wohnnutzung kommt für das eigentliche Kirchenschiff nicht in Betracht. „Da geht eigentlich nur irgendetwas in Richtung Atelier, Ausstellungen“, meint Lehmann senior, während seine Baumannschaft den nackten Betonboden vorbereitet.

Gefälle zum Altar ausgleichen

Denn in der Kirche war der Blick natürlich auf den Altar gerichtet, der Grund hat ein deutliches Gefälle in Richtung der längst leeren Stufe. 25 Kubikmeter Beton werden hier bald aufgebracht, dazu noch einmal acht Zentimeter Estrich „und dann Fliesen, ist ja unser Ding“, meint der 63-Jährige verschmitzt. Gut 35 Zentimeter wollen sie so in der Höhe angleichen.

Das Fenster des Künstlers Helmut Sander mit der Jahresgravur 1966 hat außer dem kräftigen Blau noch lila und braune Akzente. Dabei ist von außen praktisch nichts davon zu sehen. Bis Lehmann probeweise Strahler von innen auf die Wand richten ließ: „Da standen die Nachbarn auf den Balkonen und haben Fotos gemacht.“ Bergbaumotive sieht er in den gestalteten Glasflächen angedeutet, das Farbkonzept soll auch das eigentliche eckige Gebäude behutsam aus seiner sakralen Vergangenheit lösen.

Wasserschäden und Diebstahl

Die lange Zeit des Leerstandes ist dem für das Baujahr 1967 typischen Bauwerk nicht gut bekommen, Wasserschäden haben ihm zugesetzt. Leider auch Diebe, die die Kupfer-Dachrinnen und Rohre gestohlen haben, auch an den Türen ist einiges zerstört worden. Elektriker Uwe Haarmann schätzt, dass er bis jetzt schon „gut drei Kilometer Kabel neu gezogen hat“, teils über den Dachboden. „Da hatte sich wohl der Marder eingenistet“, meint Lehmann und zeigt auf die Flecken an der Decke.

Edelstahl und Figuren

Stellplätze werden auf dem Außengelände für die Wohnungen auf dem bisherigen Kirchenareal eingerichtet. Die Einfahrt soll mit dem Fortschritt der Bauarbeiten verlegt werden.

Zur Gestaltung der Flächen an der Straße hat sich Ulrich Lehmann überlegt, Palisaden aus Edelstahl zu installieren, wohl mit unterschiedlichen Figuren darauf. Er hat bereits eine Anfrage erhalten, das Gebäude für eine „temporäre Ausstellung“ zu vermieten.

Neben den Strahlern in dem großen Raum für die laufenden Arbeiten war eine der ersten Aufgaben für den Elektriker, die Glocken im Turm, vier kleine und eine große, wieder betriebsfähig zu machen. Dass die irgendwann per Autokran ausgebaut und ausgehoben werden müssen, daran mag Ulrich Lehmann noch gar nicht ganz denken.

Visionen für den Glockenturm

Aber für den Turm hat er schon „eine Vision“, wie er selbst schmunzelnd beschreibt, „und da würde ich sogar selbst einziehen.“ Eine Wohnung, „eine Art Loft mit Terrasse“, schwebt ihm vor, dem Himmel ein Stückchen näher. Das Kreuz mit der klassischen grünen Patina ganz oben hat unter den letzten Stürmen sichtlich gelitten. Die Gemeinde ist für die Pflege verantwortlich, meint Lehmann. Da bleibt die Kirche im Dorf, auch in einer neuen Zukunft.