2005 wurde die Paul Gerhardt Kirche von der evangelischen Gemeinde in Ückendorf aufgegeben, wenig später machten Kindergarten und Jugendheim dicht. Wasserschäden zeichnen heute den Kirchenraum. Ein einsames Klavier und das Kreuz blieben am Festweg zurück. Mit der Zukunft des Viertels wurde der Komplex länger nicht mehr verbunden.
Doch jetzt wird er zum Herzstück eines ungewöhnlichen Projekts. Rund um die Kirche soll ein Beginenhof entstehen – mit 29 Einzimmerappartements und größeren Wohnungen von 41 bis 77 m², mit einem Gemeinschaftsraum für Frauen unterschiedlichen Alters, die hier eine neue Kultur von Gemeinschaft leben wollen – mit und ohne Kinder, mit und ohne Behinderung, mit verschiedenen Lebenssituationen und Einkommensverhältnissen. Nicht zuletzt soll das Projekt Alternativen zu den bisherigen Einrichtungen der Altenpflege aufzeigen. Faktoren, die es interessant machen: für die Stadt, für einen Investor, für die Kirchengemeinde und schließlich auch für viele Frauen. Im September 2008 war die erste Info-Veranstaltung, 2009 wurde der Verein Beginenhof gegründet. Im Idealfall sind die Wohnungen Ende 2011 bezugsbereit. „Ich finde es schön, wenn ich nicht isoliert lebe, sondern in einer gleichgesinnten Gemeinschaft“, sagt Ursula Marschalek vom Beginenverein.
Gut die Hälfte der Wohnungen sind bereits belegt. Für Rainer W. Kolodziey, Vorstand der Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugenossenschaft Senne (GSWG) zeigt die frühe Nachfrage, „dass Unternehmen aufgefordert sind, Wohnraum zu schaffen, der sich an den Bedürfnissen orientiert. Dafür ist dann auch ein Markt vorhanden.“ Mit der OWIT, der Ostwestfälischen Immobilien- und Treuhand GmbH und deren Projektleiterin Martina Buhl hat die GSWG bereits mehrerer Beginenhöfe bundesweit realisiert. Das Projekt in Gelsenkirchen ist als öffentlich geförderter Miet-Wohnungsbau geplant. „Für viele ist alleine leben keine Alternative. Dafür müssen wir funktionsfähige Angebote machen. Ich freue mich, dass so ein Projekt auf die Beine gestellt wird“, sagt Stadtdirektor Michael von der Mühlen. Auch in der Gemeinde, die im Dezember einen Erbpachtvertrag mit dem Investor schloss, sieht man erleichtert, dass sich eine Lösung mit sozialer Note für das 4324 m² große Grundstück fand. „Das war uns wichtig. Es war ein langer Prozess, aber wir sind jetzt sehr zufrieden“, so Peter Finke. Dass trotz neuer Bebauung Turm und teils auch die Kirche erhalten bleiben, erleichtert aus Sicht des Pfarrers der Gemeinde den endgültigen Abschied. „Den Komplex zu unterhalten, hätte uns pro Jahr 17 000 Euro gekostet. Das war nicht mehr aufzubringen.“