Gelsenkirchen-Ückendorf. In Gelsenkirchen-Ückendorf leben und erarbeiten sechs Menschen ein Projekt, das virtuelle Realität und Kunst verbindet – Corona zum Trotz.

Ein Dramaturg am Institut für theatrale Zukunftsforschung. Eine Bildhauerin. Ein Sounddesigner. Eine Malerin. Eine Spieleprogrammiererin. Und ein immersiver Geschichtenerzähler, der die virtuelle Umgebung als real empfunden erscheinen lässt. Unter dem Dach des „Subversiv“ in Gelsenkirchen-Ückendorf leben in dieser Woche sechs fremde Menschen zusammen. Verbunden durch die Begeisterung für die virtuelle Realität, bringen sie sechs Tage lang ihre eigenen Perspektiven ein. Für das Projekt „Creative_Places“, für Kunst in der VR.

Landauf, landab fallen Ausstellungen und Aufführungen aus. Covid-19 hat die Kunst- und Kulturszene mit voller Wucht getroffen. Und doch: „In Deutschland ist mehr möglich. Hier suchen die Menschen kreative Lösungen und haben Vertrauen.“ Das sagt Lucas Dewulf mit dem Abstand eines in Gent lebenden Belgiers. Für den Geschichtenerzähler, der mit seinen Effekten die Grenzen von digitaler und analoger Welt auflöst, stand deshalb trotz Corona fest: Ich will beim „Places“-Festival in Ückendorf dabei sein. Um Kunst neu zu denken, um an einer neuen Realität mitzubauen.

Eine reizvolle Aufgabe im „Subversiv“ in Gelsenkirchen-Ückendorf

So wie der Rest des Teams. Die beiden Essener Beate Gärtner und Jan Schulten. Die Hamburgerin Lena Biresch. Ilja Mirsky aus Tübingen sowie die Düsseldorferin Kathi Schulz. Sie alle hätten gemeinsam diese Entscheidung getroffen, sich auf das Virus testen lassen, um dann anzureisen, erzählt die Runde im Hinterhof des „Subversiv“. Sie sprechen von einer „krassen Chance, einer reizvollen Aufgabe“. Die beginnt am Sonntag mit dem Einzug in die WG, dem Kennenlernen, dem auf eine Wellenlänge kommen.

Initiatoren, Förderer und eine Jury

Der Verein Insane Urban Cowboys hat das Projekt „Creative_Places“ ins Leben gerufen und in der Innogy Stiftung für Energie und Gesellschaft einen engen Partner und Förderer gefunden. Nach der Premiere 2019 wählte eine fünfköpfige Jury auch in diesem Jahr sechs Bewerberinnen und Bewerber aus – 25 Interessierte, darunter auch welche aus Belgien und Russland, hatten sich beworben.

Ihre Performance präsentiert die Gruppe am Freitag (15 bis 20 Uhr) und Samstag (10 bis 18 Uhr) im „Exodos“ auf der Bochumer Straße. Jeweils drei Personen haben gleichzeitig Eintritt. Die Vernissage findet Corona-bedingt am Freitag um 18 Uhr im Studio des „Places“-Festivals statt, der Livestream läuft unter places-festival.de/live.

Die setzt sich fort im großen Raum des „Subversiv“: Links hängt ein Board an der Wand, übersät mit Stichworten und kleinen Zettelchen in Rot, Orange und Lila. Auf der Couch darunter sitzt das Sextett morgens zusammen und diskutiert, abends wechselt die Gruppe auf die gegenüberliegende Seite (und Couch). „Blickwinkel verändern“, nennt das Schulz mit einem Lächeln. Dazwischen stehen auf Schreibtischen fast ein Dutzend Laptops, liegen mehrere VR-Brillen. Es herrscht kreative Ordnung.

Ohne Druck, mit Spaß, gemeinsam: Die Arbeit des Kollektivs in Gelsenkirchen

Ordnung und Struktur spiegeln sich auch in der Zusammenarbeit wieder. „Die Arbeit ist auf einem professionellen Level und sinnvoll aufgeteilt. Dazu nimmt dir das Fachwissen der Anderen den Druck. Du kannst einfach mit Spaß an die Sache gehen – und relativ angenehme Menschen sind wir ja auch“, sagt Sounddesigner Jan Schulten, woraufhin die Gruppe loslacht. Das passiert sowieso häufig. Auf Deutsch und Englisch kommunizieren die vormals Fremden, als kennen sie sich schon länger als ein paar Tage.

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Den Aspekt spricht auch Ilja Mirsky an. „Wir arbeiten gemeinsam, nicht jeder für sich. Das geht auch ein bisschen gegen den Corona-Trend“, bemerkt der Dramaturg und spielt auf Homeoffice und Vereinsamung an. Lucas Dewulf ergänzt: „Sicher beeinflusst der Kontext der Zeit unsere Arbeit, ist aber keine Reaktion darauf.“

„Exodos“ in Gelsenkirchen wird zur Fläche für die VR-Performance

Und so entwickeln die Künstlerinnen und Künstler seit Montag ein Konzept und eine Performance, die unter dem Motto „insane urban energys“ den Titel „dispatched“ trägt. Zu viel verraten möchte das Kollektiv nicht, wirft aber Gegensätze wie „Körper und Projektion“, „virtuell und real“ und „drinnen und draußen“ in den Raum. Konkreter: Mit einer VR-Brille bewegen sich die Festival-Besucher am Freitag und Samstag durch das umgestaltete „Exodos“ direkt neben dem „Subversiv“ und tauchen in eine neue Welt ein.

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Als Social VR-Performance bezeichnen das die sechs Kreativen. Die Geschichte des Stadtteils und der Location habe sie beeindruckt, sagen Lena Biresch und Beate Gärtner unisono: „Er hat eine gewisse Aura und macht, was er will. Wir versuchen, ihn nutzbar zu machen.“ Das Duo abschließend: „Das ist Herausforderung und Chance zugleich.“ Was genauso auf das gesamte Projekt zutrifft. Premiere ist am Freitag, ab 15 Uhr auf der Bochumer Straße.