Gelsenkirchen. Wie mit Risikokindern umgehen, wie werden i-Männchen begrüßt, wie geht Ganztag? Die Gelsenkirchener Schulen müssen vieles selbst entscheiden.
Die Schulleitungen in Gelsenkirchen rotieren derzeit, um die neuesten Anweisungen aus dem Schulministerium zum Start in den Regelbetrieb umzusetzen. Interpretation spielt dabei eine große Rolle, da die jüngste Schulmail viele grundlegende Entscheidungen auf die Schulleitungen und Schulträger schiebt, mit Ausnahme der Maskenpflicht und Hygieneregeln. Unklar ist auch, wie viele Lehrer zum Schulstart für den Präsenzunterricht zur Verfügung stehen. Die Lehrkräfte müssen neue Atteste vorlegen, wenn sie als Risikopatienten vom Präsenzunterricht befreit werden möchten. Die Atteste aber müssen erst zum Schulstart vorliegen.
Singen bei der Einschulungsfeier verboten
Auch zu den Einschulungsfeiern gibt es keine klare Ansage: Sie sind möglich entsprechend der Corona-Regeln, dürfen aber keinen „überwiegend geselligen Charakter“ haben. An der Grundschule Kurt-Schumacher-Straße etwa plant Schulleiter Thorsten Seiß gestaffelte Einschulungsfeiern in der St.-Anna-Kirche. Je Kind dürfen maximal zwei Begleitpersonen dabei sein, Masken sind Pflicht, gesungen wird nicht.
Schulleiter: „Faceshields“ wären für den Unterricht besser geeignet
Dabei ist selbst die Maskenpflicht nicht eindeutig geregelt. „Fraglich ist, ob auch die Faceshields, also die Klarsichtschilder, genutzt werden können. Die sind deutlich angenehmer und besser für den Unterricht geeignet, da Mimik und Aussprache klarer wären“, beklagt Volker Franken, Leiter der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen, die unklare Masken-Definition.
Schwierig umzusetzen sei auch, dass nur jahrgangsweise und im Klassenverband unterrichtet werden soll. „Die Stundenpläne stehen längst und beim Unterricht in Fachräumen kann die Sitzordnung auch nicht eingehalten werden. Wir haben schon im Vorfeld entsprechend geplant, auch mit versetzten Anfangszeiten. Die dezentrale Anlage unserer Schule macht die Jahrgangstrennung für uns einfacher.“
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Zum Schulstart soll an der EGG nach Urlaubsrückkehrern aus Risikogebieten gefragt werden. „Wer davon keinen negativen Test vorweisen kann, den schicken wir wieder nach Hause, bis ein Testergebnis vorliegt“, kündigt Franken an. Schwierig werde auch der Umgang mit Kindern, die als Risikopatienten nicht zum Unterricht kommen. „Wie viele werden es sein und wie soll für sie parallel Ersatzunterricht entwickelt werden?“, gibt Franken zu bedenken.
Elternvertreter: „Bei so vielen Stunden müssten die Masken gewechselt werden“
Jan Klug, Vorsitzender der Stadtelternschaft, hat von Eltern sehr unterschiedliche Rückmeldungen bekommen. Dass es im Regelbetrieb eine Maskenpflicht auf Fluren und Gelände braucht, sei unstrittig. Ob dies im Unterricht sinnvoll und machbar sei, da gebe es große Bedenken. „Wenn die Masken über Stunden getragen werden, müssten sie eigentlich gewechselt werden. Und in unseren meist nicht klimatisierten Klassenräumen ist das stundenlange Tragen bei Hitze sehr anstrengend.“
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Die Mehrheit sehe, dass Schule wieder stattfinden muss, „aber es ist erschreckend, dass dem Ministerium in fünf Monaten nicht mehr eingefallen ist. Es heißt an zu vielen Stellen ,soll möglichst‘ oder ,wenn die Gegebenheiten es erlauben‘, auch beim Ganztagsbetrieb: Die Verantwortung wird auf die Schulen abgeladen, die Ministerin zieht sich raus“.
Vor allem Fachräume müssen mehrmals täglich desinfiziert werden
Die Schulverwaltung kümmert sich unterdessen um die Sicherstellung der Hygieneschutzmaßnahmen. „Wir haben 16.000 Masken vom Land für die Gelsenkirchener Schulen bekommen, zusätzlich haben wir noch 15.000 der 50.000 Masken, die wir selbst zur Schulöffnung nach den Osterferien besorgt hatten“, erklärt Bildungsdezernentin Annette Berg. Wobei die Schüler grundsätzlich selbst für die Maskenausstattung zuständig sind. Die von Stadt und Land gestellten Masken dienen nur als Reserve. Den 3000 Lehrern vor Ort werden FFP2-Masken gestellt, für Lehrkräfte an Schulen, wo die zum Infektionsschutz nötige Distanz nicht gehalten werden kann, gibt es zudem ein Budget für Schutzkleidung.
21 neue Grundschullehrkräfte
21 neue Grundschullehrkräfte verstärken Gelsenkirchener Grundschulen. 15 von ihnen haben sich freiwillig, so Schulamtsdirektorin Petra Bommert, für mindestens zwei Jahre an Gelsenkirchener Schulen verpflichtet, zugleich wurden sie von anderen Schulamtsbezirken bereits eingestellt. Oberbürgermeister Frank Baranowski begrüßte die Neuen: „Ich freue mich sehr, dass sich diese jungen Lehrkräfte ganz bewusst für Gelsenkirchen entschieden haben – ich bin mir sicher, dass sie Ihren Erfahrungsschatz bei der Arbeit hier, mit allen Höhen und Tiefen, die zum Schulalltag gehören, erweitern werden.“
Wie viele Stellen an Gelsenkirchener Schulen zum Schulstart insgesamt besetzt sind, darüber gibt das Land entgegen den bisherigen Gepflogenheiten keine Auskunft.
Schwierig dürfte es werden, die vor allem in Fachräumen mehrfach täglich notwendigen Desinfektionen sicherzustellen. „Wir klären jetzt mit Gelsendienste, ob sie das in dem Umfang leisten können“, räumt Bildungsreferatsleiter Klaus Rostek ein. Annette Berg ist ausdrücklich froh, dass die Kinder in den Regelbetrieb zurückkehren können: „Sie brauchen die Struktur, den Ablauf. Gerade für Kinder aus benachteiligten Familien ist das wichtig. Die dürfen wir nicht verlieren!“ Berg hat Verständnis dafür, dass das Ministerium nicht alles bis ins Kleinste regeln kann. Aber: „Das große Problem ist die Kommunikation. Wir haben in der ganzen Corona-Zeit immer nur auf die E-Mails gewartet und reagiert. Es fand keine Abstimmung, keine Abfrage von Problemen statt.“
Endgeräte für weniger als ein Fünftel der 38.000 Schüler gefördert – Schulen entscheiden
Digitale Endgeräte für Schüler aus finanzschwachen Familien, die keine Endgeräte für einen eventuell wieder notwendigen Distanzunterricht zur Verfügung haben, kündigt die Ministerin zwar bereits als auf den Weg gebracht an. Doch die Beschaffung der Geräte, für die erst Ende Juli die Richtlinien genannt wurden, obliegt den Kommunen. Die müssen nun zunächst die Schulen fragen, wie viele Geräte sie benötigen. Konkrete Kriterien für den Bedarf gibt es nicht, die Schulleiter müssen entscheiden. Erst wenn der Rücklauf aus den Schulen vorliegt, kann eine Bestellung rausgehen. Doch da das ganze Land jetzt bestellt, kann es Liefer- und Preisprobleme geben. Ohnehin genügt die Fördersumme nur für 7000 solcher Schüler-Endgeräte in Gelsenkirchen – also für weniger als ein Fünftel der 38.000 Schüler. Zur Erinnerung: Laut Bertelsmann-Stiftung sind in Gelsenkirchen 41,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Armut betroffen.
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