Gelsenkirchen-Schalke-Nord/Ückendorf. Ende der Hängepartie in der Apostel-Gemeinde: An der Paul-Gerhardt-Kirche entstehen Mietwohnungen, die Gnadenkirche weicht einem Sinnesgarten.

Ihre Kirchen in Ückendorf und Schalke-Nord hat die Evangelische Apostel Kirchengemeinde vor Jahren aufgegeben. 2006 wurde die 1967 gebaute und bereits 2004 geschlossene Paul Gerhardt-Kirche an der Nansenstraße entwidmet, 2012 traf es die Gnadenkirche an der Freiligrathstraße 17. Nun kommt Bewegung in die Sache.

Das Diakonie Werk Gelsenkirchen-Wattenscheid schafft einen Sinnesgarten

Das Gebäude, schwer gezeichnet von Wasserschäden, soll nun abgerissen werden. Das Presbyterium der Gemeinde segnete die Entscheidung vergangene Woche ab, „schweren Herzens“, wie es heißt. Auf dem Gelände in Schalke-Nord will das Diakonie Werk Gelsenkirchen-Wattenscheid einen Sinnesgarten errichten. Nebenan liegt die Diakoniestation. 33 Mitarbeitende betreuen von dort aus ambulant 276 Patienten. Im Komplex untergebracht ist auch die Tagespflege. „Sie bietet 18 Plätze für rund 55 Gäste“, sagt Diakonie-Sprecherin Corinna Lee. Auf dem 800 Quadratmeter großen Kirchengrundstück, das die Diakonie bereits 2013 per Erbpacht für 99 Jahre bis 2112 übernommen hat, soll künftig ein Sinnesgarten für Demente den Grundriss des Kirchengebäudes nachzeichnen. Kognitive und emotionale Fähigkeiten sollen Blumen, Sträucher und Kräuter hier wecken, die Sinne anregen. „Das wird eine Nutzung, mit der alles gut leben können“, ist Lee überzeugt.

Die Fenster sind Arbeiten des Halfmannshof-Künstlers Eduard Bischoff

Das farbige Kirchenfenster der Paul-Gerhardt-Kirche soll erhalten bleiben, ebenfalls der Kirchturm. Im Kirchraum könnte beispielsweise ein Atelier entstehen.
Das farbige Kirchenfenster der Paul-Gerhardt-Kirche soll erhalten bleiben, ebenfalls der Kirchturm. Im Kirchraum könnte beispielsweise ein Atelier entstehen. © FFS | Martin Möller

„An so einem Gebäude hängt das Herz einer Kirchengemeinde“, sagt Pfarrer Dieter Eilert. Doch das Gebäude an der Freiligrathstraße sei nicht zu halten und auch nicht wirtschaftlich zu sanieren gewesen. Ein Teil der Kirchenausstattung ist schon in die Christuskirche am Trinenkamp geschafft worden. Die sieben Motivfenster und die große Rosette, 1953 realisierte Arbeiten des Halfmannshof-Künstlers Eduard Bischoff, sollen laut Eilert ausgebaut und gesichert werden, gleiches gilt für die Orgel. Die Glocke der Kirche wird wohl einen Platz im Demenzgarten finden. Dort soll sie möglichst in einem Gestell aufgehängt werden und wieder erklingen können.

Presbyterin Ursel Nieswandt und Pfarrer Dieter Eilert zeigen vor der Christuskirche historische Kirchenbilder – in Ückendorf und Schalk-Nord wurden die Gotteshäuser durch die Apostel Kirchengemeinde aufgegeben. An der Freiligrathstraße soll ein Sinnesgarten entstehen, kündigt Diakonie-Sprecherin Corinna Lee (r.) an. Am Nansenweg werden Mietwohnungen realisiert.
Presbyterin Ursel Nieswandt und Pfarrer Dieter Eilert zeigen vor der Christuskirche historische Kirchenbilder – in Ückendorf und Schalk-Nord wurden die Gotteshäuser durch die Apostel Kirchengemeinde aufgegeben. An der Freiligrathstraße soll ein Sinnesgarten entstehen, kündigt Diakonie-Sprecherin Corinna Lee (r.) an. Am Nansenweg werden Mietwohnungen realisiert. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

Mit dem Abriss „wahrscheinlich noch 2020“ rechnet Eilert, das Gartenprojekt könnte dann 2021 konzipiert und umgesetzt werden. Im Zuge der 2008 eingeleiteten Gebäude- und Finanzplanung für den Evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen-Wattenscheid standen die Zeichen im Bereich der Apostel-Gemeinde schon mehrfach auf Trennung: Es wurden fünf Gemeindehäuser und vier Gottesdienststätten geschlossen. „Das war ein schmerzlicher Prozess“, sagt Pfarrer Henning Disselhoff. Die kirchenpolitische Entscheidung soll zumindest bis 2030 tragen und helfen, Kirche und Angebote vor Ort zu erhalten.

Mitarbeiter des Baustoffhandels Bielefeld haben das Gelände entrümpelt

Stillstand, Wildwuchs und Verfall prägten auch das Bild in Ückendorf. Nun gibt es Bewegung auf dem Gelände der Paul-Gerhardt-Kirche. Mitarbeiter des Baustoffhandels Bielefeld haben in den vergangenen Wochen entrümpelt und einen Bauzaun aufgestellt. Die Inhaber des Unternehmens werden auf dem Grundstück im ehemaligen Kindergarten und dem Gemeindehaus insgesamt sieben Mietwohnungen (fünf davon barrierearm) realisieren. Die Kirche wird als Gebäude erhalten bleiben, vielleicht später mal als Atelier dienen. In einem zweiten Bauabschnitt sollen später auf dem 4324 Quadratmeter großen Grundstück noch Wohnhäuser errichtet werden. „Die Investoren stehen in den Startlöchern. Sie warten noch auf die Baugenehmigung. Sobald die vorliegt, geht es los“, sagt die Presbyterin und stellvertretende Baukirchmeisterin Ursel Nieswandt.

Grundstück in Erbpacht an die Altintop-Brüder als Investoren übertragen

Das Gemeindezentrum am Festweg wurde aus Finanznot aufgegeben. 2010 war das Gebäude noch halbwegs ansehnlich. Seitdem steht auch der ehemalige Kindergarten leer. Hier sollen nun Mietwohnungen entstehen.
Das Gemeindezentrum am Festweg wurde aus Finanznot aufgegeben. 2010 war das Gebäude noch halbwegs ansehnlich. Seitdem steht auch der ehemalige Kindergarten leer. Hier sollen nun Mietwohnungen entstehen. © FFS | Martin Möller

Die Pläne für eine Nachnutzung zogen sich vor allem in Ückendorf zäh, waren begleitet von manchen Enttäuschungen: Hier scheiterte das Beginenhof-Projekt eines Vereins, den etliche Frauen gegründet hatten, um eine andere Form des Zusammenwohnens und -lebens zu gestalten. Das Gelände war von der Gemeinde in Erbpacht an die Altintop-Brüder als Investoren übertragen worden. Die Gelsenkirchener Fußballprofis verloren mit den Jahren offenbar das Interesse an dem Projekt, das von der GSWG, der Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugenossenschaft Senne aus Bielefeld, vollmundig beworben wurde.

2012 wurde der Baustart für ein Beginenhof-Projekt gefeiert

Anfang 2019 gaben die Frauen den Beginen-Verein auf. Christa Müller, links, und Mechthild Siepmann vom Vorstand übergaben das Vereinsvermögen als Spende an Brigitte Paul-Hartmann vom Verein Frauen helfen Frauen e. V (r.)
Anfang 2019 gaben die Frauen den Beginen-Verein auf. Christa Müller, links, und Mechthild Siepmann vom Vorstand übergaben das Vereinsvermögen als Spende an Brigitte Paul-Hartmann vom Verein Frauen helfen Frauen e. V (r.) © Funke Foto Services GmbH | Olaf Ziegler

Der Baustart für 37 Wohneinheiten wurde im März 2012 angekündigt, doch dann versandete das Projekt endgültig, nur die Verwahrlosung nahm zu. Nach zähen Verhandlungen wurde zum Jahreswechsel der Erbpachtvertrag neu verhandelt. „Diese lange Phase war für die Gemeinde schwierig“, sagt Pfarrer Eilert. „Der Zustand des Geländes fällt ja letztlich auf sie zurück, auch wenn andere dafür verantwortlich waren.“

„Kirchen sind Meilensteine im Quartier, das sind Erinnerungsorte. Und es steckt viel architektonisches Wissen in diesen Kirchen“, sagt Pfarrer Disselhoff. Entsprechend wichtig sei, was man aus ihnen macht. Und was bleibt: In der Apostel Kirchengemeinde sind es letztlich die Nicolai-Kirche an der Ückendorfer Straße, die Christuskirche am Trinenkamp und die Lutherkirche in Hüllen. Der letzte offizielle Gottesdienst in der Pauluskirche in Bulmke-Hüllen wurde Pfingsten gefeiert. Das Gotteshaus wird nicht entwidmet und soll zum Lernraum Bildung werden – zusammen mit dem benachbarten Gauß-Gymnasium, der Martin- und der Hansaschule.