Gelsenkirchen-Heßler. Der Heimatbund Gelsenkirchen legt “Wissenswertes zum Westfriedhof“ vor. Ein Heft über besondere Bauten, Priestergräber und frühe Beisetzungen.
Gelsenkirchen-Heßler. Kann die Einweihung einer Friedhofshalle ein Ereignis sein, das eine schier unüberschaubare Menschenmenge anzieht? Kann es. 1912 wurde am Westfriedhof Heßler die Trauerhallenanlage ihrer Bestimmung übergeben. Tausende Menschen verfolgten die Zeremonie. Ein historisches Foto erinnert an den Tag, der für den damals noch jungen Vorort ein Anlass für eine würdige Feier war- mit Ansprachen, Blumengirlanden, Fahnen und Gepränge. Im mittlerweile 23. Heft seiner Schriftenreihe "Gelsenkirchen in alter und neuer Zeit" erinnert der Heimatbund Gelsenkirchen an die Eröffnung und rückt eine besonderes Bauwerk ins Blickfeld.
1908 kaufte die Stadt Gelsenkirchen das Gelände
Zehn Jahre zuvor war in Heßler der - zunächst evangelische - Friedhof nah der damaligen Zechenbahn bereits belegt worden. Am Montag, 11. August, meldet die "Emscher Zeitung": "Im Anschluß an den Gottesdienst fand am Sonntag Morgen die Einweihung unseres Friedhofs statt. Die ersten Toten, die zur Ruhe gebracht wurden, waren eine junge Frau, die in ihrer Jugendkraft, kaum 30 Jahre alt, an der Lungenentzündung hinweggerafft wurde, und ein Kindlein von fünf Monaten."
"Wissenswertes zum Westfriedhof" - Bilder aus 100 Jahren
1908 kaufte die Stadt nach zähen Preisverhandlungen mit der Gemeinde das Gelände und erweiterte es. 37.780 Mark wurden für den Gemeindteil gezahlt, Erweiterungsflächen wurden von den Landwirten Große-Grollmann und Horn erworben. 31 Hektar Fläche erstand die Stadt und zahlte für den Grund insgesamt 128.860 Mark
Ehrenmale für Kriegstote und NS-Opfer
Heinz Pfaff und Lothar Ullrich haben für das Heimatbund-Heft "Wissenswertes zum Westfriedhof" zusammengetragen, von der Planung über die besonderen Grabstätten wie die katholische Priestergruft, der Grabstätte für die Bergopfer der Zeche Wilhelmine-Viktoria bis zu den Gedenk- und Ehrenstätten für gefallene Soldaten, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Opfer der NS-Zeit. Beruflich waren Pfaff und Ullrich als Stadtmitarbeiter mit diesem Friedhof verbunden - und seinem prägenden Bauwerk, der Gedächtnishalle.
Inspiriert von der Trauerhalle des Münchener Nordfriedhofs
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David Schuster, seinerzeit in der Entwurfsabteilung des städtischen Hochbaumts tätig, lieferte den Entwurf für den Komplex. Schuster hatte in München studiert und arbeitete zunächst in der bayerischen Landesbauverwaltung. Sein Entwurf aus zentraler Halle und langgestreckten, offenen Seitenflügeln scheint inspiriert von der Trauerhalle des Münchener Nordfriedhofs und folgt auch Vorbildern wie der Kirche San Vitale im italienischen Ravenna. Prägendes Element hier wie dort: die achteckige Dachtrommel.
Aufbahrungszellen und ein Raum für die "Fundleichen"
Die Arkaden waren zur Aufnahme von je vier Familiengrüften vorbereitet, "die beiderseitigen Anbauten an die Gruftarkaden sind durch Aussparen in den Mauern des Keller- und Hauptgeschosses als Urnenhallen ausgebildet", heißt es in einer Baubeschreibung von 1913. Ganz modern: Zur Beförderung der Särge gab es einen Aufzug. Ferner war hinter der Gedächtnishalle der Beschreibung nach der "Sezierraum mit einem besonderen Raum für die Ärzte und einem Raum für die Geistlichkeit", im Untergeschoss gab es "4 Aufbahrungszellen" sowie einen speziellen Raum für "Fundleichen" sowie einen abgetrennten Bereich in dem "infizierte Leichen bis zur Bestattung aufgebahrt werden".
Zahl der Beisetzungen ging um die Hälfte zurück
Halle und Anbauten sind seit 1983 ein Baudenkmal Die Aufbahrungsräume wurden erweitert, ein Anbau errichtet. Die achteckige Halle mit den Gewölbebögen, Terrazzoboden und kassettierter Kuppel entspricht der ursprünglichen Gestaltung. Verändert hat sich die Friedhofskultur rundum. Und die Zahl der Bestattungen. Sie ist stark rückläufig. In der gesamten Stadt ging die Zahl der Beerdigungen zwischen 1985 und 2015 um rund 1000 pro Jahr auf knapp 2500 zurück. Auf dem Westfriedhof hat sich die Zahl der Beisetzungen in diesem Zeitraum etwa halbiert von 308 auf 134, in den 1930er Jahren lag sie noch bei durchschnittlich 318.
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