Gelsenkirchen. Fast 27 Jahre lang leitete Volker Bandelow in Gelsenkirchen das städtische Referat Kultur. Nun geht er in den Ruhestand. Seine Spuren bleiben.

Er war der „Herr der Schachtzeichen“, zeichnete für die städtischen Planungen für die Kulturhauptstadt 2010 verantwortlich, erarbeitete die Konzepte für den Wandel des Consol-Geländes und für das Kreativquartier Ückendorf maßgeblich mit und trieb die Umstrukturierung der Künstlersiedlung Halfmannshof voran: Dr. Volker Bandelow geht als Leiter des Referates Kultur am 15. August in den (Vor-) Ruhestand.

Strukturwandel in der Gelsenkirchener Kulturszene

Mit der Kunstaktion „Schachtzeichen“ wurden 2010, im Jahr der Kulturhauptstadt, ehemalige Zechenorte kenntlich gemacht. Das Projekt war die Idee von Volker Bandelow.
Mit der Kunstaktion „Schachtzeichen“ wurden 2010, im Jahr der Kulturhauptstadt, ehemalige Zechenorte kenntlich gemacht. Das Projekt war die Idee von Volker Bandelow. © WAZ FotoPool | BAUER, Dirk

Fast 27 Jahre lang hat der gebürtige Bochumer das kulturelle Leben in dieser Stadt nachhaltig geprägt – und dabei trotz aller Zukunftspläne nie die Wurzeln vergessen. Und das hatte seinen Grund: Volker Bandelow ist selbst ein Kind des Ruhrgebietes, wuchs im Norden von Bochum mit Blick auf das Bergwerk Constantin 6/7 auf.

Während seines Studiums beschäftigte er sich mit Fragen zu stadtgeografischen und wirtschaftshistorischen Zusammenhängen. „Sein Weg führte über die Freie Kulturarbeit und sozialwissenschaftliche Forschung schließlich ab 1993 in das Kulturamt von Gelsenkirchen“, so hieß es im offiziellen Flyer zu „Schachtzeichen“: „Da begannen die Hochphase der IBA Emscher Park und das Ende des Bergbaus in Gelsenkirchen – Strukturwandel und kulturelle Nutzung waren täglich Themen seiner Arbeit“.

Kulturetat wurde zusammengestrichen

Denn Bandelow übernahm das Amt, das in „Referat Kultur“ umbenannt wurde, in wirtschaftlich schlechten Zeiten: Von 1993 auf 1994 kürzte der Rat der Stadt im Rahmen der damaligen Haushaltskonsolidierung den Etat des Kulturamtes um 65 Prozent. Den Sparmaßnahmen fielen auch die Haushaltsstellen „Projektförderung, Kunst- und Kulturprojekte” sowie „Strukturförderung freie Kulturarbeit” zum Opfer. Doch Volker Bandelow gab nicht so einfach auf, suchte nach kreativen Wegen, um mit wenigen Mitteln viel zu erreichen. Seine Erkenntnisse flossen in seine Promotionsschrift ein, die er 1997 auch als Buch veröffentlichte mit dem Titel: „Organisationsprobleme kommunaler Kulturverwaltung”.

In Volker Bandelows Amtszeit fiel auch der Strukturwandel auf dem Consol-Gelände, das sich nach dem Ausstieg aus der Kohleförderung in den 1990er Jahren von der Zeche zum Kultur- und Begegnungsort mauserte – mit Consol Theater und dem Musikprobenzentrum auf Consol 4, das es ohne ihn in dieser Form heute nicht geben würde.

Kreative Wege, die Kunst zu fördern

Ein vielseitiger Arbeitsplatz

Die WAZ-Anfrage für ein Sommerinterview zum Abschied lehnte Volker Bandelow dankend ab – er wolle seine Arbeit der letzten 27 Jahre nicht bewerten.

Ab Oktober wird seine Nachfolgerin das Ruder in Gelsenkirchen übernehmen. Zum Verantwortungsbereich des Referates gehören auch das Kunstmuseum Gelsenkirchen, die Städtische Musikschule, der Kulturraum „die flora“ sowie das Schloss Horst als Bürgerzentrum mit Museum und damit insgesamt rund 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Das Referat Kultur trägt zudem die konzeptionelle und/oder organisatorische Verantwortung für die kulturell genutzten Liegenschaften Stadtbauraum, Halfmannshof, Kunstinstallation „Sammlung Werner Thiel“, das Volkshaus Rotthausen und das Musikprobenzentrum Consol 4.

Als 2003 die freie Kulturszene in Gelsenkirchen aufgrund der angespannten Haushaltslage nicht mehr mit öffentlichen Projektmitteln gefördert werden konnte, wurde der „Kulturcent“ eingerichtet: Ein Teil jeder verkauften MiR-Eintrittskarte geht seither als finanzielle Unterstützung an die freie Kulturszene in Gelsenkirchen. Kulturschaffende können sich mit ihren konkreten Projekten beim Referat Kultur um Förderung bewerben. Dem Leiter des Kulturreferates war es auch ein Anliegen, dem Mainstream immer wieder andere Kulturimpulse entgegenzusetzen. „Die schnelllebige, reizüberflutende, globale Medienwelt drängt eine kommunale Kulturarbeit, die sich jenseits von eventorientierter Veranstaltungsorganisation als Bildungsarbeit, Kulturentwicklungsarbeit und Kunst-(qualitäts)förderung versteht, finanziell wie medial ins Abseits. Damit muss aber der Anspruch und das Ziel nicht aus den Augen verloren werden. Denn gleichzeitig erfordern die gesellschaftlichen Verhältnisse, den Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit zu geben, sich jenseits der auf sie einstürzenden Reize mit sich, ihrer Stellung im soziokulturellen Umfeld, ihrer Kultur und ihren immateriellen Träumen und Wünschen auseinander zu setzen, sie zu leben und zu erleben.“ Diesen Leitgedanken stellte das Referat Kultur seinen Berichten voran.

2007 übernahm Volker Bandelow eine Doppelrolle und fungierte bis 2011 als Leiter des Kulturhauptstadtbüros für Gelsenkirchen. „Wir haben uns manchmal gefragt, wann schläft dieser Mann jemals“, erinnern sich Mitstreiter aus dieser Zeit. Ehrenamtlich erfüllte sich Bandelow im Kulturhauptstadtjahr 2010 seinen Traum der „Schachtzeichen“, die ehemalige Förderschächte im Revier mit riesigen gelben Ballons markierten – hierfür mussten Sponsoren und ehrenamtliche Organisatoren gefunden werden. Auch diese Mammutaufgabe gelang. Irgendwie.

Ein Herz für die Walcker-Orgel

Nicht jedes seiner Herzensprojekte stieß auf derart positive Resonanz: Um die Neustrukturierung der Künstlersiedlung Halfmannshof gab es viel Wirbel, auch der Erfolg des „Kreativquartiers Ückendorf“ offenbarte sich nicht jedem über Nacht. Doch Bandelow bewies einen langen Atem – und bekam mit der „Szeniale“ in „seinem Kreativquartier“ ein vorzeitiges Abschiedsgeschenk serviert.

Der Ruhestand wird Volker Bandelow nun die Gelegenheit für noch mehr Kulturgenuss bieten. Eine Veranstaltung für den 15. Dezember ist bei ihm jetzt schon im Kalender markiert: An diesem Tag wird die Gelsenkirchener Walcker-Orgel zum ersten Mal in ihrer neuen Heimat in Papenburg erklingen. Das Schicksal der Orgel hat ihn als Leiter des Kulturreferates viele Jahre lang beschäftigt.