Gelsenkirchen. . Zum 150-jährigen Bestehen lud das Marienhospital Gelsenkirchen 120 Schüler zu einer Live-Operation. Auch als Werbung für Gesundheitsberufe.
Den Applaus eines großen Publikums bekommen Operateure ja eher selten. Vielleicht freuen sie sich auch deshalb sichtlich. Ihr Lächeln nämlich kann man trotz Mundschutz erahnen. Für die 120 Schüler, die heute erstmals eine Operation live über eine große Leinwand verfolgen können, gehen spannende Minuten zu Ende. Ein Experiment ist die Aktion des Marienhospitals in jedem Fall. Ein gelungenes, resümiert auch Chefarzt Prof. Dr. Andreas Raffel. Der steht an der Uni häufig vor jungen Menschen – vor so jungen aber doch selten. „Die sind noch sehr gehemmt. Aber ich hoffe, dass wir ein bisschen Interesse wecken konnten für unseren Berufszweig.“
Ein Live-Erlebnis, das es so sonst nicht gibt
Rund zwei Stunden zuvor ist die Spannung spürbar. „Das, was ihr gleich sehen werdet, könnt ihr erleben – aber nie bewusst“, sagt Wolfgang Heinberg, der Pressesprecher des Hauses. Dann übernehmen die Moderatoren, wollen gleich Hemmungen abbauen: „Wir sind keine Halbgötter in Weiß. Wenn Sie wollen, können Sie den Kollegen nach der OP anfassen“, führt Andreas Raffel scherzend seinen Co-Moderator, Dr. Markus Krausch, ein. Der lacht: „Ich freu mich drauf.“
Dann erinnert die Szenerie ein bisschen an Live-Schaltungen im TV. „Wir sind bereit“, meldet Dr. Rouwen Riediger aus dem Operationssaal. In den wird nun eine 24-jährige Patientin hinein geschoben. „Da sieht man, man kann auch in jungen Jahren Probleme mit der Gallenblase haben.“ Während die Patientin vorbereitet wird auf den Eingriff, erklärt Markus Krausch eine mögliche Ursache für solch frühe Beschwerden. „Wenn ihr zu viel im Schnellrestaurant esst, lebt ihr zu fettig und könnt Gallensteine bekommen.“ Deren Folge seien Entzündungen, die das Entfernen des Organs notwendig machen.
Locker moderierter Streifzug durch die Organe
Die OP geht los. „Mit einem Hautschnitt. Kann das jeder ertragen?“, fragt Andreas Raffel in den Raum. Schon versinkt das Skalpell in der Haut – und ein Raunen geht durch den Saal. „Ich kann das auch nicht sehen“, sagt Markus Krausch humorvoll. Jetzt wird es spannend: „Zeig uns doch mal alle Organe“, weist der Chefarzt an. Es beginnt ein locker moderierter Streifzug durch den Bauchraum. Man sieht den Blinddarm, die Gebärmutter, die Milz. Eine Zwischenfrage kommt aus dem Raum: Ob so eine Beschau normal ist oder heute zum Programm gehört? Andreas Raffel antwortet: „Das machen wir immer. Die erste Frage der Patienten ist, ob alles in Ordnung ist. Bei uns heißt das salopp: Hafenrundfahrt.“ Die verfolgen die Schüler gebannt. Insbesondere das gelbe Fett erregt das Interesse. „Wenn man so ein Sixpack hat wie ich, hat man dann auch so’n Speck?“, will ein junger Mann wissen. Die Antwort muss er ertragen: „Ja. Männer haben eher mehr Fett innen drin. Bei Frauen ist das anders. Die haben eine andere Anatomie.“ Soll heißen: Sie tragen ihr Fett sichtbar mit sich herum.
Auch für Laien ist vieles gut erkennbar
Im Hintergrund haben die Chirurgen das Aktionsfeld frei gelegt. Nun sind der Gallenblasengang und die Gallenarterie gut zu erkennen – auch für Laien. Das Abtrennen der Gallenblase beginnt. „Das ist der wichtigste Schritt. Wenn das geschafft ist, ist man auf der sicheren Seite“, erklärt Rouwen Riediger. Und das merkt man auch. Kaum ist die Gallenblase in einem „Bergebeutel“ gut verpackt, ist die Stimmung im OP gelöst und spaßig. Durch den größten der kleinen Schnitte zieht der Chirurg die Gallenblase heraus – und steckt den Finger hinein. Aus der Innenansicht ein ulkiger Anblick. Zumal der Arzt dies mit einem fröhlichen „Hallo“ begleitet. Die Schüler amüsiert das sehr. Und sogar der Chefarzt kann darüber lachen. „Das ist der Klassiker. Wenn man merkt, der kritische Punkt ist überschritten, dann fällt die Anspannung.“
Um Nachwuchs für Gesundheitsberufe werben
Mit dieser ungewöhnlichen Aktion wollen die St. Augustinus Kliniken um Nachwuchs werben. Daher waren am Mittwoch schon Schüler vom AvD-Gymnasium dabei, vom MPG, vom Gauß-Gymnasium und der Gesamtschule Ückendorf. Sie wurden auch im Vorraum der Übertragungsstätte im Rahmen eines Erlebnisparcours informiert, der viele Arbeitsbereiche vorstellte.
Gesundheitspfleger als Zwischenstation
So auch den von Pascal Klimmek, einem jungen Gesundheits- und Krankenpfleger, der seit anderthalb Jahren auf der Intensivstation seinen Dienst leistet. Ein schwieriger Arbeitsbereich: „Im Normalfall wird man da erst einmal an die Hand genommen, geht mit einem Mentor mit. Da braucht jeder seine gewisse Zeit. Und die wird einem auch zugestanden“, erzählte der junge Mann, der nach dem Abi an die Klinik ging und vielleicht später noch Medizin studieren möchte.
Zu wenige Ausbildungsplätze für Ärzte
Für den Ärzte-Nachwuchs ist Dr. Matthias Leiter zuständig. Der Assistenzarzt und angehende Anästhesist betreut Medizinstudenten im praktischen Jahr – und wollte für diesen Beruf werben. „Es gibt zu wenige Ausbildungsplätze.“ Der Hintergrund: Das Medizinstudium kostet den Staat eine Stange Geld. Insbesondere der Leichenpräparierkurs verursacht hohe Ausgaben. „Aber klar ist, wir brauchen mehr Ärzte. Der Bedarf steigt schneller als die wachsenden Studentenzahlen.“
Neben den 120 Schülern übrigens hatten auch einige junge WAZ-Leser die Möglichkeit, hinter die Kulissen eines OPs zu schauen. Einer von ihnen war Volker Heuker. Er studiert Biologie und Chemie auf Lehramt, interessiert sich sehr für die pharmazeutische Forschung. Und für chirurgische Eingriffe: „Ich habe darüber gelesen und gleich gedacht, das will ich mir anschauen.“