Witten/Herne. . Die Herner St.-Elisabeth-Gruppe zahlt ihren Fachpflegern freiwillig fünf Prozent mehr Lohn. Die Rolle der Pflege müsse aufgewertet werden.

Im Wettstreit um gute Pflegekräfte zahlen die Krankenhäuser immer häufiger drauf. Regelrechte Kopfprämien sind angesichts akuten Fachkräftemangels in der Branche nicht mehr unüblich; selbst ein international so bekanntes Haus wie die Berliner Charité hat unlängst angekündigt, Mitarbeitern bis zu 1000 Euro für Experten zu überweisen, die sie angeworben haben. Die katholische St.-Elisabeth-Gruppe mit Sitz in Herne, fünf angeschlossenen Krankenhäusern in Herne und Witten und über 4300 Mitarbeitern geht noch einen Schritt weiter.

Die Klinikgruppe zahlt ihren Fachkräften mehr Lohn – freiwillig. Rund 220 spezialisierte, über zwei Jahre lang fortgebildete Pflegekräfte erhalten ab sofort und dauerhaft ein Plus von fünf Prozent. Damit wolle man ein Zeichen für die Bedeutung der Pflege setzen, sagt Sabine Edlinger von der Geschäftsleitung der Klinikgruppe, und zugleich zeitintensive Weiterbildungen honorieren. Vor allem aber sei der Klinik-Vorstoß als Appell an die neue Bundesregierung zu verstehen: „Gute Pflege braucht gute Leute“, sagt Edlinger. „Wir brauchen die Politik, um diesen Beruf insgesamt besser bezahlen zu können als bisher.“

Um Fachpersonal zu gewinnen, engagiert sich die St.-Elisabeth-Gruppe bereits an vielen Stellen. In der angeschlossenen Krankenpflegeschule gibt es 300 Ausbildungsplätze, im Klinikalltag gibt es Praxisanleiter für den Nachwuchs, Eltern werden Arbeitszeitmodelle und ein Platz in der Betriebs-Kita angeboten. Auch die zweijährige Fachfortbildung, die spezielles Wissen über die Behandlung von Intensivpatienten, technische Geräte und Ernährung vermittelt, trägt die Klinikgruppe.

Trotzdem seien gerade Fachkräftestellen schwierig zu besetzen: „Wir bekommen auf solche Stellenanzeigen deutlich weniger Bewerbungen von außerhalb“, sagt Edlinger. 750 000 Euro investiert die Klinikgruppe nun ins Lohn-Plus für Fachleute – Gelder, die über Einsparungen etwa bei Beschaffungen im Einkauf wieder hereinzuholen seien.

Für Angestellte wie die 39 Jahre alte Frauke Bruns macht das Lohn-Plus bis zu 200 Euro mehr im Monat aus – zusätzlich zu den bevorstehenden Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst, an denen sich die Krankenhäuser orientieren. Bruns arbeitet als Pflegekraft für pädiatrische Intensivpflege und Anästhesie im Wittener Marienhospital auf der Frühgeborenen-Intensivstation. Ein Team von rund 30 Pflegekräften versorgt dort bis zu 20 extrem frühgeborene Kinder – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, mithilfe mannigfacher Gerätschaften und umfangreicher Kunde über Behandlung und Medikamente. Wer Bruns nach Pausen fragt, erntet ein Lächeln. Der Arbeitsalltag sei eng gestrickt, sagt die Mutter eines Grundschulkindes, manchmal verlasse man in einer Schicht nicht einmal das Behandlungszimmer mit den intensiv zu pflegenden Kindern. „Am Ende zu sehen, wie Eltern ihre gesunden Kinder mit nach Hause nehmen, das ist der Grund, warum ich das hier gerne mache.“ Die Lohnerhöhung ihres Arbeitgebers nennt sie eine Wertschätzung.

Die Zahl der Pflegekräfte inNRW-Kliniken sinkt

Ludger Risse vom Pflegerat NRW glaubt indes nicht, dass eine höhere Bezahlung allein im Konkurrenzkampf um Fachkräfte Bestand hat. „Als einzelne Maßnahme verpufft das, weshalb weitere Verbesserungen notwendig sind“, sagt der Pflegefachmann. Dazu zählten verlässliche Dienstzeiten und gesetzlich festgeschriebene Personalschlüssel auf allen Stationen. Obwohl seit 1991 die Zahl der behandelten Patienten in den NRW-Kliniken um rund ein Drittel gestiegen ist, ist die Zahl der Pflegekräfte sogar leicht gesunken. „Gerade in solchen Extremzeiten wie der Grippewelle sind die Folgen spürbar“, sagt Risse, „die Krankenhäuser waren am Rande ihrer Leistungsfähigkeit.“

Auf Nachahmer kann die Herner Gruppe wohl zunächst nicht hoffen. Nach Angaben der Krankenhausgesellschaft NRW gibt es derzeit keine andere Klinik, die einen solchen Schritt getan hat oder plant. Auch deutschlandweit gibt es nur wenige Kliniken, die derart deutliche Lohnanhebungen wie die St.-Elisabeth-Gruppe ins Auge fassen.

In Neuruppin zahlen die Ruppiner Kliniken ihren 550 Pflegekräften seit Juli 2017 mehr Gehalt – nicht pauschal, sondern nach individuellen Vereinbarungen. „99,9 Prozent der Beschäftigten haben das Angebot angenommen, Berufseinsteiger haben etwas stärker profitiert als andere“, sagte eine Klinik-Sprecherin. Der Ruf des Hauses sei aufpoliert: „Wir hatten mehr Bewerbungen und es sind mehr ehemalige Beschäftigte wieder zu uns zurückgekommen.“