Ückendorf. . Beim ersten WAZ-Medizinforum der Saison mit dem Marienhospital Gelsenkirchen ging es im Wissenschaftspark um Möglichkeiten moderner Chirurgie.

  • Leiter der Chirurgischen Klinik stellten Vor- und Nachteile verschiedener OP-Verfahren vor
  • Bei der Schilddrüse ist laut Experten die offene Operation schonender als die minimal invasive
  • Bei Darmoperationen gibt es laut Prof. Andreas Raffel Nachholbedarf in Deutschland bei Techniken

Ohne Narben aus dem OP? Eine etwas provokante Frage, der die Chirurgen aus dem Marienhospital Gelsenkirchen am Mittwoch beim ersten WAZ- Medizinforum der Saison nachgingen. Hierbei drehte sich alles um die Möglichkeiten der minimal invasiven Verfahren. Auch um die weniger offensichtlichen Vorzüge für den Patienten. Die liegen in einer geringeren Belastung für den Patienten, in einer schnelleren Mobilisierung und kürzeren Verweildauer im Krankenhaus.

Dennoch, so Professor Andreas M. Raffel, Chefarzt der Kliniken für Chirurgie, haben sich die Eingriffe über „Schlüssellöcher“ noch nicht in allen Bereichen durchgesetzt. Die Entfernungen der Gallenblase führten die Liste an, würden in nahezu allen Fällen minimal invasiv entfernt. Bei Blinddarm-OPs liege die Quote schon nur noch bei bis zu 70 Prozent, bei entzündlichen Darmerkrankungen gar nur bei bis zu 40 Prozent. „Das sind ganz schlechte Zahlen. Das muss sich ändern.“


Schilddrüsenoperationen als Besonderheit

Die Experten forderten das Publikum auf, kritisch nachzufragen. Eine Aufforderung, der das Publikum gern folgte.
Die Experten forderten das Publikum auf, kritisch nachzufragen. Eine Aufforderung, der das Publikum gern folgte. © Thomas Gödde

Ein Beispiel, bei dem minimal invasive Verfahren nicht unbedingt optimal sind, sind Schilddrüsenoperationen. Warum und was die Alternative ist, erläuterte der Chefarzt selbst ausgesprochen anschaulich und nachvollziehbar. Er zeigte Bilder und Filmausschnitte von Operationen und bewies: „Die Schnitte sind heute deutlich kleiner als noch vor wenigen Jahren.“ Ein weiteres Foto belegte: Nach ein paar Wochen ist sie kaum mehr sichtbar.

Um Komplikationen zu vermeiden, arbeite man heute mit einem Neurostimulator, der während des Eingriffs den Stimmbandnerv eindeutig lokalisiert. „Denn den wollen wir schützen.“

„Exotische“ Verfahren sind eher maximal intensiv

In anderen Ländern, so der Mediziner, gebe es auch Versuche, Schilddrüsen minimal invasiv zu operieren, um den Hals kosmetisch nicht zu beeinträchtigen. In der Vorstellung solch „exotischer Verfahren“ zeigte Raffel etwa, wie der Zugang zur Schilddrüse über die Achseln oder über die weibliche Brust gesucht werde. Da allerdings habe der Operateur lange Wege zu überwinden, müsse Haut abheben, sich viel Raum schaffen, riskiere Verletzungen. Aussagekräftige Fotos belegten das. „Für mich ist das maximal invasiv. Ich denke, da haben wir das schonendste Verfahren.“

Bei Galle und Darm gibt es Nachholbedarf

Klassiker der minimal invasiven Operationen wie Blinddarmentfernungen, aber auch Besonderheiten im Haus stellte Privatdozent Markus Krausch (im Bild) vor.
Klassiker der minimal invasiven Operationen wie Blinddarmentfernungen, aber auch Besonderheiten im Haus stellte Privatdozent Markus Krausch (im Bild) vor. © Thomas Gödde

Als „chirurgische Volkskrankheiten“ bezeichnete Privatdozent Markus Krausch den Inhalt seines Vortrages. So ging es zunächst um die Entfernung des Blinddarms. „Da sind heute laparoskopische Eingriffe möglich mit drei kleinen Schnitten. Die sehen sie nach einiger Zeit quasi nicht mehr.“ Ähnliches gelte für die Entfernung der Gallenblase. „Der Klassiker für die laparoskopische Chirurgie. Da wollen wir die großen Rippenbogenrandschnitte nicht mehr sehen.“ Die Schnitte würden zudem heute verklebt und nicht mehr genäht – noch etwas einfacher.

Drei kleine und ein größerer Ausgang

Ungewöhnlicher, aber in Ückendorf praktiziert, sind die minimal invasiven Operationen der Entzündung des Dickdarms. Kleine Aussackungen im Darm bereiten hier größere Probleme, weil sie sich entzünden. Die betroffenen Stellen werden entfernt – über drei kleine Zugänge und einen etwas größeren, den „Ausgang“ für das heraus geschnittene Darmgewebe. Sogar einige Tumore könnten mittlerweile so entfernt werden. Dabei werde jedoch individuell entschieden.

Leisten-, Schenkel- und Nabelbrüche

Zwischen Publikum und Experten entspann sich eine rege Diskussion.
Zwischen Publikum und Experten entspann sich eine rege Diskussion. © Thomas Gödde

Jeder weiß, man kann sich den sprichwörtlichen Bruch heben. Tatsächlich, so die beiden Chirurgen, breche da im Körper etwas. Rund um den Bauchraum halten verschiedene Gewebeteile alles zusammen. Gibt es dort einen Durchbruch, dann ist dort, das veranschaulichten die Mediziner, ein Loch. Bei einem Leistenbruch etwa kann es dann zu einem Durchtritt aus der Bauchhöhle in der Leiste kommen. Bei Frauen gibt es häufiger Austritte am Oberschenkel. Auch dies sei quasi eine Volkskrankheit, erklärte Krausch. Daher gebe es auch viele Operationstechniken, etliche davon minimal invasiv, einige mit einem Netz, das in das Loch eingesetzt wird. „Das hält gar nicht viel. Aber der Körper erkennt das als Fremdkörper und entwickelt hier Narbengewebe. Und das hält.“

Ebenfalls verbreitet sei der Zwerchfellbruch, eine häufige Ursache für den Reflux. „Der Verschlussmechanismus für den Magen funktioniert nicht mehr“, so Andreas Raffel. Eine Magenspiegelung zeige dann eine „offene Haustür“. Durch minimal invasive Verfahren bis hin zum Einsatz eines Schrittmachers könne die jedoch wieder verschlossen werden.

„Seien Sie kritisch, fragen Sie nach!“

Immer wieder machte Chefarzt Dr. Andreas Raffel beim Forum den Besuchern im Raum Mut, sich zu informieren, sich einzumischen in ihre Behandlung. „Sie sind mündig, machen Sie den Mund auf, seien Sie kritisch“, lautete sein Plädoyer für mehr Transparenz in der Medizin. „Informieren Sie sich! In den Kliniken, im Internet, bei den Fachärzten.“

Vor allem aber solle man mit dem behandelnden Arzt sprechen, fragen, wie oft er den jeweiligen Eingriff im Jahr durchführe. „50 Schilddrüsen-OPs oder Leistenbrüche im Jahr, das ist zu wenig. Das muss schon dreistellig sein.“

Im Marienhospital sei es zudem üblich, den Patienten in die Entscheidung über den richtigen Eingriff einzubeziehen. „Wir verstehen uns als Partner des Patienten, schlagen Möglichkeiten vor und entscheiden gemeinsam“, so Markus Krausch. Meist favorisierten auch die Ärzte selbst den kleinsten Eingriff – zumindest versuchten sie, den durchzuführen. „Wir fangen fast immer laparoskopisch an und bringen es dann auch fast immer laparoskopisch zu Ende.“