Gelsenkirchen. . In Ückendorf, der Altstadt und Buer kümmern sich große Ärzteteams um eine Krebsart, die immer öfter vorkommt: Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Sie ist klein, 15 bis 20 Zentimeter lang und in der Regel bemerkt man gar nichts von ihr. Aber wenn die Bauchspeicheldrüse Probleme bereitet, sind Mediziner alarmiert. Es gibt zwar unterschiedliche Arten von Erkrankungen, die die Bauchspeicheldrüse betreffen. Akute und chronische Entzündungen, Zysten, neuroendokrine Tumoren – aber eben auch Bauchspeicheldrüsenkrebs. Und wenn der entdeckt wird, ist er allzu oft schon fortgeschritten, hat Metastasen gebildet, Gallengänge verstopft, die Leber in Mitleidenschaft gezogen oder anderes. Für eine Operation im Sinne einer Tumorentfernung ist es dann häufig zu spät. Alarmzeichen für Bauchspeicheldrüsenerkrankungen sind Gelbfärbung der Haut, Gewichtsverlust und gürtelförmige Schmerzen im Bauchbereich.
Am Marienhospital Ückendorf hat Prof. Andreas Raffel, der Chefarzt der Chirurgie, im vergangenen Jahr 19 Patienten an der Bauchspeicheldrüse operiert. „Das mag wenig klingen, aber es ist die Königsdisziplin; die Operationen sind extrem kompliziert, aufwendig, dauern vier bis sechs Stunden,“ erläutert Raffel. An der Düsseldorfer Uniklinik, von der er vor zweieinhalb Jahren mit einem Team nach Gelsenkirchen wechselte, waren die Fallzahlen noch größer, am Marienhospital wurden sie bis dahin gar nicht operiert.
12000 Neuerkrankungen im Jahr in Deutschland
Doch die Zahl der Bauchspeicheldrüsenkrebserkrankungen steigt seit Jahren. 12000 Neuerkrankungen gibt es in Deutschland pro Jahr. In diesem Jahr hat Raffel bereits sieben Patienten daran operiert. „Oft wird dabei auch eine Schlinge um den Kopf des Organs gelegt, um zu drainieren“, also einen Abfluss zu schaffen, so der Chefarzt. In sehr seltenen Fällen wird sie auch ganz entfernt. Aufgrund der schweren Folgen für den Blutzuckerhaushalt und die Verdauung wird das jedoch vermieden wenn irgend möglich.
Heute sei Bauchspeicheldrüsenkrebs die neunthäufigste Krebserkrankung in Deutschland, erklärt Priv.-Doz. Gerald Meckenstock, Chefarzt der Onkologie im Haus. Dass die Zahl steigt, hängt zum einen mit der steigenden Lebenserwartung zusammen – in der Regel tritt dieser Krebs ab dem 50. oder 60. Lebensjahr auf – zum anderen aber auch mit dem Lebenswandel. Übermäßiger Alkoholkonsum etwa sei ein wichtiger Faktor, in zehn Prozent der Fälle liege eine genetische Veranlagung vor.
Verbesserung bei Chemotherapien
„Bei den Chemotherapien gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs hat sich sehr viel getan. Die Lebenserwartung ist dadurch gestiegen, und vor allem die Lebensqualität,“ versichert Meckenstock. 60 dieser Patienten behandelt er im Jahr mit 200 Therapien, in Kooperation auch mit der Radiologie in Horst. Dennoch: Heilbar ist Bauchspeicheldrüsenkrebs bis heute nicht. Je nach Form und Stadium sind einige Monate bis maximal fünf Jahre Lebensverlängerung möglich.
Das läuft auch über endoskopische Techniken: Wenn Verbindungen zu Dünn- oder Zwölffingerdarm aufgrund von Tumoren gestört sind, ist im Marienhospital dann das Team von Prof. Wilhelm Nolte mit seiner neuen Endoskopischen Abteilung gefragt. Endosonographien, Ultraschall im Köperinneren, wird aber auch zur Diagnostik genutzt, ergänzend zu CT und MRT. Für jeden Bauchspeicheldrüsenpatienten gibt es im Endokrinen Zentrum des Marienhospitals Tumorkonferenzen, in die alle Disziplinen eingebunden sind.
Viele Fachdisziplinen stimmen sich in der Tumorkonferenzen zur Behandlung ab
Die Bauchspeicheldrüse ist auch in den Evangelischen Kliniken an der Munckel-straße und im Bergmannsheil Buer ein großes Thema. An den Evangelischen Kliniken hat Chefarzt Dr. Stephanus Hubertus Nottberg im vergangenen Jahr allein 23 Bauchspeicheldrüsenoperationen durchgeführt, 300 seien es seit seinem Wechsel an die Klinik im Jahr 2000 gewesen, resümiert der Chirurg. Auch hier arbeiten viele Disziplinen für Bauchspeicheldrüsenerkrankte zusammen.
Punktgenaue Bestrahlung zur Vorbereitung von OPs
In der Inneren Klinik im Hause werden ebenfalls endoskopische Interventionen zur Schaffung von Zu- und Ableitung bei Behinderungen durch Tumore vorgenommen. Unterstützend und auch zur Vorbereitung von Operationen werden Chemotherapien in der Onkologie im Hause sowie stereotaktische Bestrahlungen in der angeschlossenen Spezialradiologie unter Leitung von Priv.-Dozent Razvan Galalae eingesetzt. Diese Strahlentherapie mit neuesten Techniken ermöglicht eine punktgenaue und damit besonders effektive und schonende Bekämpfung des Tumors. Und ermöglicht damit zum Teil auch Operationen, die sonst aufgrund der Tumorgröße nicht möglich wären.
Auch am Bergmannsheil wird Pankreas operiert
Am Bergmannsheil in Buer werden Operationen an der Bauchspeicheldrüse erst durchgeführt, seit der neue Chefarzt der Chirurgie, Dr. Markus Utech, vor eineinhalb Jahren hierhin wechselte. In 2017 operierte er zehn Patienten mit der Diagnose; die Mindestzahl, die die Krankenkasse akzeptiert. Allerdings gilt für Kliniken, die den Bereich erst aufbauen, zwei Jahre lang eine Sonderregel. Damit ein Aufbau überhaupt möglich ist.
Wer nach der Schonfrist unter dem Soll bleibt, bekommt diese Operationen nicht finanziert von den Kassen. Damit soll gewährleistet werden, dass nur erfahrene Chirurgen solche hochkomplexen Operationen durchführen. Der neue Chef ist jedoch zuversichtlich, auch angesichts der engen Anbindung an alle notwendigen Fachabteilungen im Haus, dass der Aufbau gut gelingt.