Gelsenkirchen. . Gelsenkirchener Schülersprecher stellen ihre Ideen zum Klimaschutz vor. Und erklären, warum Anreize für Alternativen besser sind als Verbote.

Die Schülersprecher Andreas Artz (18) und Marcel Richter (19, beide Evangelische Gesamtschule Bismarck), Kaan Polat (15, Hauptschule Schwalbenstraße), Dörte Wessels (17) und Rasmus Chaikowski (14, beide Ricarda-Huch-Gymnasium) sowie Ediz Özkilic (15, Gertrud-Bäumer-Realschule) erklären im WAZ-Interview, was sie von den Protesten halten, warum sie nicht dabei sind und wie sie zum Klimawandel stehen.

Sind die Proteste ein Thema an der Schule?

Dörte: Wenn, dann unter Schülern. Im Unterricht eher nicht.

Ediz: Wir hatten gerade erst als Hausaufgabe, uns damit zu beschäftigen

Andreas: An der Schule hab ich noch nichts mitbekommen. Ich weiß aus den Nachrichten davon.

Schüler sehen Auswirkungen weit weg

Warum hält sich das Engagement für das Klima in so engen Grenzen?

Sehen beim Thema Aufklärung noch Luft nach oben: die Gelsenkirchener Schülersprecher.
Sehen beim Thema Aufklärung noch Luft nach oben: die Gelsenkirchener Schülersprecher. © Olaf Ziegler

Dörte: Selbst ich habe kein klares Bild davon, was genau passiert, wenn wir so weitermachen. Es wäre wichtig, gerade unserer Generation klarzumachen, was genau das bedeutet. Auch für uns.

Andreas: Die Auswirkungen fühlen sich für uns hier weit weg an. Man glaubt, es betrifft einen nicht. Im Winter wird es wärmer, ja, aber sonst? Das müsste uns deutlich bewusster gemacht werden.

An der Gertrud-Bäumer-Realschule war der Schülerstreik Hausaufgabenthema.
An der Gertrud-Bäumer-Realschule war der Schülerstreik Hausaufgabenthema. © Olaf Ziegler

Ediz: Ich glaube schon, dass das in der Schule noch mehr ein Thema sein muss, damit jeder weiß, was die Folgen sind. Die Klimakrise muss ernster wahrgenommen werden.

Kaan: Man müsste mehr davon erzählen, schon in den Kindergärten.

Bilder könnten das Bewusstsein schärfen

Was wäre das effektivste, um das Bewusstsein zu schärfen?

Andreas: Mit Sicherheit kein Text!

Marcel: Filme. Vorher-Nachher-Bilder sind sehr eindringlich.

Greta Thunberg sieht die Hauptschuld vor allem in der Politik und bei Konzernen. Und ihr?

Rasmus: Ich glaub schon, dass die Politik am meisten bewegen kann. Es liegt auch an uns, aber die Politik hat die Macht, was zu ändern.

Andreas: Politik ist auch dafür da, die Meinung der Menschen zu vertreten. Die Friday-Bewegung ist ja noch nicht so eine große Gruppe, dass sie etwas bewegen kann. Da müssten sich mehr anschließen.

Warum tut ihr es nicht?

Andreas: Wenn ich dafür eine Doppelstunde verpasse, die ich fürs Abitur brauche, ist das nicht so gut. Aber man könnte auch als Schule ein starkes Zeichen setzen...

Hemmschwelle nach Drohungen aus der Politik

Marcel: Man weiß nicht, wie die Reaktionen ausfallen, wenn man freitags einfach nicht zur Schule kommt. Das ist eine Hemmschwelle, es gibt ja konkrete Androhungen aus dem Ministerium...

Welchen Beitrag zum Umweltschutz kann man selbst leisten, was tut ihr zum Beispiel?

Ediz: Wir trennen Müll. Und wir sammeln an der Schule und auch sonst Pfandflaschen ein und spenden das Geld für ein Africa-Projekt.

Dörte: Ich habe Mehrwegbeutel für Obst und Gemüse angeschafft, um Plastiktüten zu vermeiden.

Kaan: Ich finde es wichtig, Plastik zu vermeiden, wo es möglich ist. Ich und meine Freunde und Familie nehmen Glas, wenn das geht.

Andreas Artz wünscht sich einen attraktiveren öffentlichen Nahverkehr, der eine echte Alternative zum Auto sein könnte.
Andreas Artz wünscht sich einen attraktiveren öffentlichen Nahverkehr, der eine echte Alternative zum Auto sein könnte. © Artz

Andreas: Möglichst oft aufs Auto verzichten, auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Das Auto macht vermutlich den größten Anteil der Luftverschmutzung aus. Aber dafür müsste der öffentliche Verkehr attraktiver werden, dann würden das vielmehr Leute tun.

Ökostrom statt Kohlekraft

Rasmus: Man könnte beim einfachsten anfangen. Nicht auf eine Kreuzfahrt gehen im Urlaub, nicht den Kohlekraftanbieter beim Strom nehmen, sondern den mit alternativen Energien. Man muss ja nicht unbedingt verzichten, sondern kann auch umsteigen auf umweltfreundlicheres, das es gibt.

Kaan: Man könnte auch mehr aufklären über Umweltschutz, mit Plakatwerbung zum Beispiel zeigen, was es gibt. Und man kann sich kontrollieren, das Handy nutzen, um zu notieren, wieviel Plastik oder was auch immer man verschwendet hat im Lauf einer Woche zum Beispiel. Und das dann ändern.

Sollte man mehr verbieten? Etwa Obst mit Plastik einzupacken?

Selbst in Waltrop zogen Schüler vor das Rathaus aus Protest gegen die Umweltpolitik.
Selbst in Waltrop zogen Schüler vor das Rathaus aus Protest gegen die Umweltpolitik. © Tamina Forytta

Dörte: Die Frage ist, ob man es dem Verbraucher oder dem Hersteller verbietet. Ich glaube, es muss auch viel von einem selbst kommen. Man muss selbst konsequent sein.

Marcel: Ich denke, man sollte es andersrum machen, Alternativen für die Anbieter attraktiv machen. Hersteller animieren, in Ersatzprodukte etwa für Plastik zu investieren. Mehr auf umweltfreundliche Produkte setzen und dafür Steueranreize schaffen, Belohnungen. So könnte man das auch beim Verbraucher machen.

Pädagogen halten Streik nach Unterricht für effektiver

Wilhelm Derichs, Leiter des Schalker Gymnasiums, sieht die Schulpflicht als hohes Gut, das „nicht ohne Not gegen ein anderes hohes Gut, das Demonstrationsrecht, kontrastiert werden sollte“. Er würde sich freuen, wenn Schüler von ihrem Demonstrationsrecht jenseits der Schulpflicht Gebrauch machten. Für Gespräche stehe er gern zur Verfügung, der Klimawandel sei ihm wichtig.

Sozialwissenschaftslehrer Christian Kütemann (Gesamtschule Horst) hält „politische Beteiligung von Schülern natürlich für positiv.“ Es sei auch Ziel von Lehrern, gesellschaftliches Engagement zu fördern und das Thema Klimawandel sei „eines der dringendsten Probleme unserer Zeit“.

Besser ohne den Schatten des „Blaumachens“

Das „Gebäude Orange“ der Gesamtschule Horst, das derzeit saniert wird. Pädagoge Christian Kütemann sagt Schülern Unterstützung zu – in der Regel aber bei Protesten nach dem Unterricht.
Das „Gebäude Orange“ der Gesamtschule Horst, das derzeit saniert wird. Pädagoge Christian Kütemann sagt Schülern Unterstützung zu – in der Regel aber bei Protesten nach dem Unterricht. © Lutz von Staegmann

Er glaube aber nicht, dass sich die Wirkung des Protestes dadurch erhöht, dass er während des Unterrichtes stattfindet. „Im Gegenteil, der Protest wäre glaubhafter, würde er in der Freizeit stattfinden und nicht der Schatten des ‘Blaumachens’ auf ihn fallen.“ Dennoch könne er sich eine einmalige Teilnahme mit Schülern „als Unterrichtsgang zum Thema ‘Demokratie lernen’ vorstellen. Eingebunden in den Unterricht könne „so eine größere Nachhaltigkeit erreicht werden, weil auch Schüler erreicht würden, die das Thema bisher eher kalt gelassen hat. Angesichts unzähliger ,Coffee-to-go’-Becher auf dem Schulhof wäre das sicher auch in der Schülerschaft sinnvoll.“ Genügend Raum für das Thema biete der Lehrplan durchaus.