Gelsenkirchen. . Wie gut sind die Teilhabechancen von Kindern in Gelsenkirchen verteilt? Antwort und Anregungen zur Verbesserung gibt der Partizipationsindex.

Kinder, die in Schalke-Nord, der Altstadt oder Neustadt aufwachsen, haben die schlechtesten Bedingungen für einen guten Start ins Leben, Altersgenossen in Buer-Ost die besten in der Stadt. Diese Erkenntnis aus dem neuen Partizipationsindex, der ab heute in den politischen Gremien vorgestellt wird, ist nicht überraschend. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass generell die Teilhabechancen von Kindern, die im Stadtnorden aufwachsen, größer sind als für jene im Stadtsüden.

Dennoch ist die umfangreiche Datensammlung, die der aktualisierte Index liefert, ein wertvolles Instrument für die Planung gezielter Fördermaßnahmen aller Art. Weil sie statt gefühlter Wahrheiten handfeste Zahlengrundlagen für die Beantragung von Fördergeldern liefert und sie zudem erlauben, die begrenzten Mittel, die für Prävention zur Verfügung stehen, möglichst effektiv einzusetzen. „Das Richtige am richtigen Ort tun“ lautet die Devise für Marita Meissner, die die Stabsstelle im Verwaltungsvorstand leitet. Zudem verdeutlicht der Index Entwicklungen. Die sozialräumlichen Unterschiede sind weiter gewachsen, die Schere ist weiter auseinander gegangen, wenn auch weniger als in Nachbarstädten und nicht in allen Bereichen.

Das Stadtgebiet wird in 40 Bezirke aufgeteilt

Die Erhebung teilt das Stadtgebiet in 40 Bezirke auf. Fünf Faktoren, die die Entwicklung von Kindern beeinflussen, werden untersucht: Wirtschaftliche Lage, Integrationsvoraussetzungen, Gesundheitsbedingungen, Bildungsbeteiligung sowie Umwelt/Wohnen. Bei der Unterteilung der Stadtteile zeigen sich starke Unterschiede in Sachen Teilhabechancen in direkter Nachbarschaft: In Ückendorf von sehr hoch (Süd) bis gering (Nord), und auch in Buer (Durchschnitt bis sehr hoch). Verbessert hat sich die Situation zuletzt in Hassel.

41 Prozent der Kinder hier leben von Sozialgeld

Der Start ins Leben ist für Kinder, die im Stadtnorden aufwachsen, weiterhin deutlich leichter  als für jene im Stadtsüden.
Der Start ins Leben ist für Kinder, die im Stadtnorden aufwachsen, weiterhin deutlich leichter als für jene im Stadtsüden. © Helge Hoffmann

Für die wirtschaftliche Lage ist das Familieneinkommen das Maß der Dinge. 41 Prozent aller Kinder unter 15 Jahren in der Stadt leben von Sozialgeld, bei Kindern unter sieben Jahren sind es noch mehr. Im Vergleich zum ersten Bericht von 2015 ist die Sozialgeldquote stadtweit um fünf Prozentpunkte gestiegen. In Bulmke-Hüllen-West und Rotthausen-West liegen die Quoten gar bei 54 bis 62 Prozent.

Beim Thema Gesundheit ist ein Faktor der Anteil adipöser (fettsüchtiger) Kinder. Diese Quote hat sich stadtweit um zwei auf 13 Prozent verbessert. Berücksichtigt werden auch Zahngesundheit und das Nutzen von Vorsorgeuntersuchungen. Für die Integrationsvoraussetzungen werden der Migrantenanteil unter 18 Jahren, nicht ausreichende Deutschkenntnisse und Zuwanderung aus dem Ausland im letzten Jahr berücksichtigt. In Schalke-Nord hatten 57 Prozent der Kinder bei der Schuleingangsuntersuchung keine ausreichenden Deutschkenntnisse; in Buer-Ost und Erle-West waren es nur fünf Prozent. Stadtweit ist dieser Anteil um 1,1 Prozent gestiegen.

Mit Mobilen Kitas wird gegengesteuert

Die Schalker Meile liegt mitten in Schalke-Nord und bietet mit die schlechtesten Startchancen für Kinder im Stadtgebiet.
Die Schalker Meile liegt mitten in Schalke-Nord und bietet mit die schlechtesten Startchancen für Kinder im Stadtgebiet. © Oliver Mengedoht

Beim Thema Bildungsbeteiligung zählen die Empfehlungen nach der Grundschule für Hauptschule oder Gymnasium, die Kitabesuchsdauer und elementare Entwicklungskompetenzen. Besonders schlecht sind auch hier die Werte in Schalke-Nord, wo jedes dritte Kind keine oder weniger als zwei Jahre lang eine Kita besucht, auch in Ückendorf-Nord und der Altstadt ist die Bildungsteilhabe gefährdet. Hier wurden auch bereits Gegenmaßnahmen ergriffen, etwa mobile Kitas etabliert. Genau im städtischen Durchschnitt beim Thema Bildungsbeteiligung liegen Horst und Bismarck.

Auch Umweltfaktoren fließen in die Berechnung ein

Indikatoren sind auch Umwelt und Wohnen. In Schalke-Nord, Bulmke-Hüllen und der Altstadt leben um die 40 Prozent der Bewohner weniger als drei Jahre in der gleichen Wohnung. Das erschwert die Bildung sozialer, nachbarschaftlicher Netzwerke, die die Entwicklung von Kindern befördern könnte. Hinzu kommen dort Lärmbelästigung und Hitzeinseln.

>> Informationen zur Datenerhebung: Die Koordination Kommunale Präsention ist als Stabsstelle im Vorstandsbereich der Stadtverwaltung

Mit Mobilen Kitas, wie sie in diesem ehemaligen Wohnmobil eingerichtet wurden, versucht Gelsenkirchen die Teilhabechancen von zugewanderten Kindern zu verbessern.
Mit Mobilen Kitas, wie sie in diesem ehemaligen Wohnmobil eingerichtet wurden, versucht Gelsenkirchen die Teilhabechancen von zugewanderten Kindern zu verbessern. © Martin Möller

angesiedelt. Mit dem Aufbau einer Präventionskette hatte die Stadt als eine der ersten Kommunen bereits 2005 begonnen, der erste Partizipationsindex lag 2015 gedruckt vor. Die aktualisierte Broschüre basiert auf Daten bis zum 31.12.2016, bezieht also erste Auswirkungen des starken Zuzugs von Flüchtlingen ein.

Die Erhebungsdaten werden laufend aktualisiert

Die Erhebungsdaten werden laufend aktualisiert und allen Abteilungen der Verwaltung zugängig gemacht, um Erkenntnisse in Planungen einbeziehen zu können. Monatlich trifft sich zudem ein Arbeitskreis mit Experten der Bereiche Jugendhilfeplanung, Umwelt, Bildung, Stadtplanung, Gesundheit und Statistik.

Für die Förderung von Teilhabe durch Maßnahmen wie den Bildungsverbund Schalke, mobile Kitas und Zahngesundheitsaktionen gehen Mitarbeiter auch von Haus zu Haus, um Betroffene in kritischen Bezirken zu ihren Wünschen für eine Verbesserung der Situation zu befragen.