Gelsenkirchen-Altstadt. . Ein Gespräch mit Propst Markus Pottbäcker, Synodalassessor Dieter Heisig sowie den beiden Pfarrerinnen Antje Röckemann und Katharina Blätgen.

Seit der Prophet Johannes im dritten Jahrzehnt nach Christus begann, die Menschen mit Wasser aus dem Fluss Jordan rituell zu reinigen und zu taufen, übergießen Christen ihre neuen Mitglieder mit Wasser. Anfangs wurden vor allem Sterbende getauft, später kam die Idee mit der Erbsünde auf: Weil Adam und Eva sich von Satan verführen ließen, sind alle Menschen Sünder. Helfen kann da nur die Nähe zu Gott und die Zugehörigkeit zur Kirche – besiegelt eben durch die Taufe. Auch angesichts der hohen Säuglingssterblichkeit begannen die Menschen, Neugeborene zu taufen, zur Sicherheit.

So viel zur Historie des Taufens in Kurzform, gleichsam einem Parforceritt durch die Jahrhunderte.

„Ein symbolisches Band zwischen Gott und Mensch“

Und heute, ist Taufe da nur noch ein übliches Ritual oder doch Überzeugungstat? Darüber haben wir mit Propst Markus Pottbäcker, Synodalassessor Dieter Heisig sowie den beiden Pfarrerinnen Antje Röckemann und Katharina Blätgen gesprochen. Erwartungsgemäß ist die Taufe „mehr als nur ein Ritual“ für sie, nämlich „ein symbolisches Band zwischen Gott und Mensch, ein Versprechen auf Nähe, Schutz und Gemeinschaft unter Freunden, innerhalb einer Familie“. Wasser als Archetypus allen Lebens, des Beginns einer wechselseitigen Beziehung, ist dabei das beste Mittel, um das deutlich zu machen.

Verwurzelt ist dieser Gedanke bei vielen Menschen, selbst jenen, die keinen Glauben haben und Kirche allenfalls als mittelmäßige Institution mit aus der Zeit gefallenen Dogmen betrachten. Selbst jetzt in der Moderne, in der „ein ungetaufter Mensch keine gesellschaftliche Ächtung mehr erfährt“, messen viele der Taufe – gewollt oder ungewollt – eine hohe Bedeutung zu.

Mehr als jeder Zweite lässt sich taufen

Keine zehn Prozent der 21 000 katholischen Gemeindemitglieder von St. Augustinus besuchen den Gottesdienst, indes liegt die Quote bei Taufen „bei über 50 Prozent.“ Ähnlich ist die Situation bei den 68 500 Evangelischen in der Stadt.

Oft, das haben die Theologen immer wieder festgestellt, ändert sich der Blick auf Glaube und Kirche mit der Geburt des eigenen Kindes. „Da passiert etwas, was alles Vertraute und alles Wissen übersteigt.“ Bis hin zur Angst, nicht mehr alles unter Kontrolle zu haben, dieses wehrlose Etwas in einer von „Krisen und Kriegen gebeutelten Welt nicht beschützen“ zu können. Da ergreift man/frau erleichtert zur ausgestreckten Hand „eines verlässlichen Partners“, der allen Stürmen der Zeit erfolgreich getrotzt hat.

Es geht um die Werte, die die christliche Kirche vertritt

Wobei alle vier dabei betonen, dass kirchlicher Beistand keine Frage der Taufe oder des Glaubens ist. Sondern der Fülle an Werten, die die christliche Kirche vertritt und vermittelt – komprimiert im Begriff Barmherzigkeit. Deshalb spricht in ihren Augen „vieles für die Taufe“, gegen politische Denkweisen und Systeme, sagen sie, kann man sich später immer noch entscheiden. Werte aber muss man hegen und pflegen, wie das Leben, das klein, verletzlich und immer wieder aufs Neue beginnt.

Zwei junge Frauen lassen sich zu Ostern in St. Augustinus taufen 

Ihre Gefühlslage schwankt zwischen jeder Menge Lampenfieber und stiller, geradezu gelassener Vorfreude. Beide eint indes ein ganz bewusster Schritt, ein gemeinsames Bekenntnis vor hunderten von Augenpaaren: Anika Grashof (30) und Stefanie Stoll (29) lassen sich Ostern in St. Augustinus taufen. „Wir wollen unserem christlichen Glauben mehr Gewicht geben“, so begründen die beiden jungen Frauen aus Gelsenkirchen ihre Entscheidung.

Stefanie Stoll (29) und Anika Grashof (30) wollen sich zu Ostern taufen lassen. Schwester Anna Maria (r.) hat sie darauf vorbereitet.
Stefanie Stoll (29) und Anika Grashof (30) wollen sich zu Ostern taufen lassen. Schwester Anna Maria (r.) hat sie darauf vorbereitet. © Nikos Kimerlis

Bei der 30-Jährigen, in Thüringen geboren, stand Religion innerhalb der Familie nie zur Debatte, in der ehemaligen DDR war „christlicher Glaube verpönt“. Zwölf Jahre als Krankenschwester in der Pflege, das intime Gespräch mit vielen Patienten, haben bei Anika Grashof die Erkenntnis wachsen lassen, „dass da mehr ist, ja mehr sein muss, auch nach dem Tod“. In Stefanie Stolls Familie haben die Eltern es den Kindern freigestellt, ob sie sich taufen lassen oder nicht. Als Mutter einer Tochter frisch in Elternzeit, hat bei der 29-Jährigen „das neue zarte Leben, die Liebe“ zu ihrem tiefgläubigen Mann und auch der Kontakt zur Gemeinde den Glauben aufblühen lassen.

Der Glaube muss im Alltag gelebt werden

Schwester Ana Maria, die die Katechse, also den Religionsunterricht mit den Erwachsenen leitet, freut sich über den Zuwachs. Ihre Devise: „Der Glaube muss im Alltag gelebt werden“. Das ist mitunter eine echte Herkulesaufgabe und Zerreißprobe, denn ihre „Schüler“ konfrontieren sie umgekehrt mit schwer erklärbaren Dingen – zuletzt etwa mit dem Amoklauf in den USA mit 17 Toten. Aber auch ganz weltliche Umstände führen dazu, dass der Zugang zum Sakrament der Taufe wieder in die Ferne rückt. Zwei Erwachsene sind vorzeitig abgesprungen. Eine Frau, die „noch nicht so weit war“, die noch Zweifel hatte und zudem nach Dortmund umzog, sowie ein Mann, der, ständig auf Montage, wenig Zeit fand, sich mit Glaubensfragen auseinanderzusetzen.

Entscheidung, welche Rolle Kirche spielt, fällt später

Umso fester wurzelt der christliche Gedanke in Anika Grashof und Stefanie Stoll. Grashof will am 4. August kirchlich heiraten, für sie ist jetzt schon klar, dass auch ihre Kinder das Sakrament bekommen. Auch Stoll denkt schon weiter, am 26. Mai ist die Taufe ihrer Tochter.

Eine vorweggenommene Entscheidung, das ja, aber aus Überzeugung, die sie beide ihren Kindern vorleben wollen. „Und wenn das nicht klappt, so können die immer noch selbst entscheiden, welche Rolle Glaube und Kirche in ihrem Leben spielen“, sagen sie. Toleranz gehört ja auch zum Christsein.

Die Taufe erkennen elf christliche Kirche gegenseitig an

>> Die Taufe als Sakrament des Anfangs ist einmalig. Einmal getauft, ist es nicht mehr möglich, bei einem Wechsel nochmals getauft zu werden. Man spricht auch vom „unauslöschlichen Charakter“ der Taufe.

>> In der Magdeburger Erklärung haben elf christliche Kirchen die wechselseitige Anerkennung der Taufe ausgesprochen und das Dokument am 29. April 2007 unterzeichnet.