Gelsenkirchen. . Die Zahl der Klagen am Arbeitsgericht ging 2016 um 7,8 Prozent zurück. So blicken die Richter auf das vergangene Jahr zurück.
- 2016 landeten auf den Tischen des Arbeitsgerichts 2133 Klageeingänge – ein Minus von 7,8 Prozent
- 80 Prozent der Streitfälle sind bis Jahresende erledigt worden - die Richter sind zufrieden mit der Bilanz
- 2829 Fälle wurden bearbeitet, oft waren fehlende Löhne und schlechte Bedingungen die Gründe zur Klage
Die Richter am Gelsenkirchener Arbeitsgericht bekommen den Kampf vieler Arbeitnehmer um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu spüren. Im vorigen Jahr landeten auf den Tischen der Gerichte 2133 Klageeingänge (-7,8 Prozent). 2829 Fälle wurden bearbeitet. Die Richter ziehen zufrieden Bilanz: 80 Prozent der Streitfälle sind bis Jahresende erledigt worden.
Allein der geplante Rückzug von Vaillant beschäftigte die Richter in 212 Verfahren. Die Gerichte mussten sich außerdem Klarheit bei vielen undurchsichtigen Arbeitsverträgen verschaffen und sich mit Praktiken manch dubioser Zeitarbeitsfirmen auseinandersetzen.
Schlechte Arbeitsbedingungen
Renate Schreckling-Kreuz, Vorsitzende Richterin der 5. Kammer, bestätigt die Zunahme von Fällen, in denen Arbeitnehmer über schlechte Arbeitsbedingungen, fehlerhafte Lohnabrechnungen oder ausbleibende Bezahlung klagen: „Dabei wird es immer schwieriger, den Sachverhalt aufzuklären, weil mitunter nicht festgestellt werden kann, wer der Arbeitgeber ist.“ So habe ein Unternehmen unter bulgarischer Firmierung Familienväter in Bulgarien angeworben, die hier im Bau- oder Chemiebereich eingesetzt werden. Sie reparieren unter anderem Rohrleitungen in Chemieparks. Ein Ein-Mann-Gesellschafter mit bulgarisch-türkischen Wurzeln tritt als GmbH auf. In Deutschland ist für die Gründung ein Stammkapital von 25.000 Euro erforderlich, in Bulgarien reicht eine Einlage von 160 Euro für die dortige EOOD. „Die Arbeitsverhältnisse“, weiß Renate Schreckling-Kreuz, „wirken für die Beschäftigten mitunter wie ein Alptraum. Bei dem Nettolohnverfahren gibt es das Geld bar oder häufig auch gar nicht.“
Ein polnischer ehemaliger Bergbauingenieur betreibt ein Zeitarbeitsunternehmen, das vor allem polnische Arbeitskräfte beschäftigt. Sie werden zu wesentlich schlechteren Tarifleistungen der Zeitarbeitsbranche für Mitarbeiter im Bergbau eingesetzt, die schon ausgeschieden sind. In einem von zehn Verfahren hatte der Verleiher einem Arbeiter 50 Euro pro Tag an Mietkosten vom Lohn abgezogen. Als Strafe, weil er sein Zimmer in der Sammelunterkunft nicht rechtzeitig geräumt hatte.
Klagen von Putzfrauen und Call-Center-Mitarbeitern
Auch über Zahlungsklagen von Putzfrauen, Mitarbeitern von Call-Centern oder über die Interessen der Kläger bei der Abwicklung von Insolvenzen mussten die Richter entscheiden. Nicht immer endete der Rechtsstreit dabei so eindeutig wie bei der einstweiligen Verfügung der IG Bau gegen „Stölting Care & Service“. Das Unternehmen für Gebäudereinigung hatte seinen Mitarbeitern 50-Euro-Kopfprämien zugesagt, wenn sie der Gewerkschaft den Rücken kehrten. Eine Methode, so hatte das Gericht entschieden, die gesetzwidrig ist.
Erfahrungen mit schlechten Arbeitsbedingungen machten die Gerichte mit Betrieben im Gebäudereinigungshandwerk und einer Gleissicherungsgesellschaft.
Prozessualer Spitzenreiter, bezogen auf eine einzelne Person, ist die Schalke 04 Arena-Management GmbH. Am 2. Februar kämpft eine kaufmännische Mitarbeiterin in der achten Runde nach einer ungerechtfertigten Kündigung um ihren Arbeitsplatz.
1281 Vergleiche geschlossen
Die Zahl der Klageeingänge ging gegenüber 2015 um 7,8 Prozent zurück. 2016 wurden 1281 Vergleiche geschlossen. In 155 Fällen trafen Gerichte Entscheidungen, 628 Klagen galten durch Rücknahme als erledigt. Dazu gab es 150 Versäumnisurteile. Fast 53 Prozent der Verfahren dauerten zwischen einem und drei Monaten, 19 Prozent waren nach weniger als einem Monat, 19,4 Prozent nach vier bis sechs Monaten, sieben Prozent nach sieben bis zwölf Monaten erledigt.