Gelsenkirchen. Sie dürfen in ihr Büro. Und sie können im Werk ihre Betriebsversammlung durchführen: Der Wellpappe-Betriebsrat konnte Mittwoch juristisch punkten.

  • Mit ihrem Antrag auf Einstweilige Verfügung konnte der Wellpappe-Betriebsrat Mittwoch punkten
  • Arbeitsgericht gab Weg ins Betriebsratsbüro und für Betriebsversammlung im Werk frei
  • Verdi-Sekretärin fürchtet, dass Verhalten der Palm-Gruppe im Insolvenzfall Schule machen könnte

Gegen die Palm-Gruppe hat die Belegschaft Mittwoch mit ihrem Antrag auf Einstweilige Verfügung einen ersten juristischen Erfolg verbuchen können:

Die sieben Betriebsratsmitglieder der Wellpappe Gelsenkirchen GmbH & Co. KG erhalten Zugang zu ihrem von einem Sicherheitsdienst abgesperrten Werk und ihrem Betriebsratsbüro. Auch die für diesen Freitag angesetzte Betriebsversammlung wird in der Kantine des Komplexes an der Grothusstraße 90a durchgeführt werden können – mit Zugangskontrolle und allein für die Beschäftigten.

Im Arbeitsgericht Gelsenkirchen verkündete Birte Kensy, Vorsitzende der 2. Kammer, den bis zur Entscheidung im Hauptverfahren gültigen entsprechenden Anerkenntnisbeschluss, dem die Rechtsanwälte der Palm-Gruppe zuvor nach kurzer Beratung inhaltlich gefolgt waren. Eine vollstreckbare Ausfertigung wird es umgehend geben. Bei Verstößen drohen der Arbeitgeberin bis zu 10 000 Euro Strafe je Betriebsrats- oder Belegschaftsmitglied.

Vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen streitet der Betriebsrat der insolventen Wellpappe Gelsenkirchen GmbH um den Zutritt zu den Betriebsratsräumen im Werk. Dieser war ihnen von der Betriebsleitung wegen der Freistellung aller Mitarbeiter verwehrt worden. Mit ihrem Anwalt Wilhelm Achelpöhler (v.l.) beraten sich der Betriebsratsvorsitzende Bodo Steigleder und sein Stellvertreter Ralf Neumann kurz vor Prozessauftakt.
Vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen streitet der Betriebsrat der insolventen Wellpappe Gelsenkirchen GmbH um den Zutritt zu den Betriebsratsräumen im Werk. Dieser war ihnen von der Betriebsleitung wegen der Freistellung aller Mitarbeiter verwehrt worden. Mit ihrem Anwalt Wilhelm Achelpöhler (v.l.) beraten sich der Betriebsratsvorsitzende Bodo Steigleder und sein Stellvertreter Ralf Neumann kurz vor Prozessauftakt. © Martin Möller

„Ja, ist doch eine klare Entscheidung“ – der Tenor war nach der Verhandlung am Mittwoch eindeutig. Über 40 der mit dem Insolvenzantrag seit anderthalb Wochen freigestellten 96 Mitarbeiter des Werks verfolgten die Verhandlung. Für ihren Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler war die Entscheidung nicht überraschend. Schon vor der Verhandlung erklärte er: „Der Betriebsrat hat Hausrecht im Betriebsratsbüro. Wir haben eine eindeutige Regelung des Betriebsverfassungsgesetzes. Das muss jetzt leider hier vor dem Arbeitsgericht durchgesetzt werden.“ Das Vorgehen der Palm-Gruppe im Insolvenzfall ist aus Sicht des Anwalts „Gott sei dank ein absoluter Einzelfall. Das Schlimme wäre, wenn das Schule macht.“

Mangelnde Kommunikation und Missverständnisse

Das fürchtet Verdi-Gewerkschaftssekretärin Bärbel Sumagang. „Wir haben schon die Sorge, dass hier eien Türe aufgestoßen wird und man in zehn Jahren sagt, das ist die Palm-Methode und Insolvenzverfahren dann in ganz andere Richtungen geführt werden.“

Die Geschichte „2. Etagen tiefer zu kochen“ und die Dynamik aus dem Fall zu nehmen, mühten sich die Rechtsanwälte des Unternehmens. Dem Misstrauen der Belegschaft, dass Werte aus dem Werk geschafft werden könnten, begegneten sie mit dem Versprechen, bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens „Maschinen weder abzubauen noch zu verändern, noch abzutransportieren“.

Kompromissvorschläge wurden abgelehnt

Ihre Kompromissvorschläge (u. a. Container am Werkseingang als Betriebsratsbüro, Betriebsversammlung an einem neutralen Ort bei Mietkosten-Übernahme durch das Unternehmen) standen abschließend nicht mehr zur Diskussion. Für ihre Einlassungen, der Streit sei auch auf mangelnde Kommunikation und Missverständnisse zurückzuführen gewesen und hätte mit ein paar Telefonaten geklärt werden können, ernteten die Anwälte Lacher der Zuhörer im Sitzungssaal 306.

„Mir wurde ganz klar gesagt: Ins Büro darf keiner. Dort liegen doch unsere ganzen Unterlagen und Akten. Das ist doch ein Scherz“, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Ralf Neumann. Für Verdi und den Betriebsrat wurde nur das erste juristische Gefecht ausgetragen. Wie berichtet, haben sie Strafantrag gestellt. Sie gehen von der „Herbeiführung einer Insolvenz“ aus. Sumagang: „Das scheint generalstabsmäßig geplant. In dieser Art und Weise ist das eine ganz neue Form.“