Gelsenkirchen. . 7500 Deutsche warteten im vergangenen Jahr vergeblich auf eine Spenderniere. Thomas Neumann hat seiner Schwester eine geschenkt. Einfach so.

  • Gelsenkirchenerin Eva Bork lebt dank der vom kleinen Bruder gespendeten Niere wieder fast normal
  • Für den 49-Jährigen Rettungssanitäter Thomas Neumann war die Spende eine „Selbstverständlichkeit“
  • Organspenden von Lebenden sind nur unter nahen Verwandten und Ehepartnern erlaubt

Es gibt Geschenke, die sind so kostbar, dass man sie mit Geld nicht kaufen kann. Eva Bork hat so ein Geschenk von ihrem Bruder bekommen. Nicht als Weihnachtsgeschenk, sondern einfach so, als Geschenk des Lebens: eine Niere.

Die heute 58-Jährige hatte einen langen Leidensweg hinter sich, bis sie das neue Organ eingesetzt bekam. Für Thomas Neumann, ihren „kleinen“ Bruder, zur Spenderzeit 44 Jahre jung, war es gar keine Frage, dass er seiner Schwester hilft. Doch auf dem Weg zur Spende waren eine ganze Menge Steine wegzuräumen.

Rauchen ist für Spender verboten

Zum Beispiel war Thomas Neumann Raucher, seit früher Jugend. Als Spender durfte er aber auf keinen Fall rauchen. Also hörte er nach Jahrzehnten mit dem blauen Dunst auf. Nicht erst sechs Wochen vor der Transplantation, wie verlangt, sondern drei Monate vorher. Von jetzt auf gleich. „Mit Hypnose. Das ging tatsächlich sofort. Ich kam aus der Sitzung und hatte keinen Schmacht mehr. Aber ich wusste ja auch, wofür.“

Ein Jahr lang zogen sich die Vorbereitungen zur Transplantation hin. Für die Voruntersuchungen im Essener Universitätsklinikum nahm er sich Urlaub, zehn Tage insgesamt. Blutuntersuchungen – der Mann hat eigentlich Angst vor Nadeln! –, Röntgen von Kopf bis Fuß, psychologische und neurologische Tests. Und dann am Ende noch ein Dreier-Gremium, das darüber entschied, ob er physisch und psychisch als Spender taugt.

Die Dialyse ist mit viel Schmerzen und Leid verbunden

Thomas Neumann hat das nicht aus der Ruhe gebracht. Der Rettungssanitäter fährt beruflich regelmäßig Menschen zur Dialyse. Er weiß, was sie durchmachen müssen, bis sie endlich ein Spenderorgan haben. „Das sind junge und alte Menschen. Dreimal die Woche müssen sie zur Dialyse. Und das ist mit viel Schmerzen und viel, viel Leid verbunden.“

Ein schöneres Geschenk als das Leben gibt es nicht. Die Zahl der Organspender ist deutlich zu klein. Geschuldet ist dies auch Vergabeskandalen in der Vergangenheit.
Ein schöneres Geschenk als das Leben gibt es nicht. Die Zahl der Organspender ist deutlich zu klein. Geschuldet ist dies auch Vergabeskandalen in der Vergangenheit. © Thomas Schmidtke

Seine Schwester hatte noch Glück im Unglück. Sie konnte Hämodialyse betreiben. Das heißt, sie hatte einen Beutel, den sie fünfmal täglich reinigen beziehungsweise durchspülen musste. Das funktioniert nicht bei allen Patienten. Immerhin ist die Methode deutlich weniger schmerzhaft. Trotzdem galt es stets, eine Wunde zu pflegen an der Stelle, wo der Beutel in den Körper führte. Am Ende wurden ihre Nierenwerte trotz strikter Diät, die Dialysepatienten einzuhalten haben, immer schlechter, die Entzündungen und Krankenhausaufenthalte häuften sich. Die Ärzte legten ihr schließlich eine Nierentransplantation ans Herz.

Eine Spenderniere kann bis zu 15 Jahre halten

Die meisten Menschen müssen auf eine neue Niere lange warten, für manche dauert es zu lange. Sie sterben unterdessen. Eva Bork wollten gleich drei Menschen eine Niere schenken: ihr Bruder Thomas und zwei Nichten. Eine Nichte schied als alleinerziehende Mutter gleich als Spenderin aus. Auch wenn eine Lebendspende nicht wirklich gefährlich ist; Komplikationen kann es immer geben und junge Mütter, zumal alleinerziehend, werden da ungern genommen. Die andere Nichte entpuppte sich bei den Voruntersuchungen zur Spende überraschend als schwanger. . .

Doch für Thomas war es gar keine Frage. Er verzichtete für seine Schwester nicht nur auf seine körperliche Unversehrtheit und Zigaretten, sondern auch auf seine Flasche Feierabend-Bier, um seine Niere optimal vorzubereiten.

Das Immunsystem muss dauerhaft gebremst werden

Bei den beiden ist alles gut gegangen. Er spürt außer der Narbe keinerlei Folgen, Eva Borks Körper hat das fremde Organ gut aufgenommen. Allerdings wird sie – wie bei Organspenden üblich – immer Immunsuppressiva nehmen müssen. Wie lange genau die Niere „hält“, weiß man nicht. Zehn bis 15 Jahre, so hofft sie, müssten es aber schon sein. Dass die Niere das Geschenk ihres Lebens ist – das ist jetzt schon klar.

Lebend-Organspenden sind nur unter Blutsverwandten und Ehepartnern erlaubt. Damit soll Organhandel verhindert werden. Wenn ein Mensch im Krankenhaus stirbt, der sich zur Organspende bekannt hat, muss alles sehr schnell gehen. Damit der korrekte und schnelle Ablauf gewährleistet ist, gibt es eigens Transplantationsbeauftragte an den Krankenhäusern, die sich regelmäßig fortbilden.

Nur bei der Diagnose „irreversibler Hirnfunktionsausfall“

Dr. Uwe Wildförster ist Chefarzt der Neurochirurgie am Bergmannsheil in Buer und als solcher natürlich der ideale Transplantationsbeauftragte.
Dr. Uwe Wildförster ist Chefarzt der Neurochirurgie am Bergmannsheil in Buer und als solcher natürlich der ideale Transplantationsbeauftragte.

Am Bergmannsheil Buer ist das der Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie, Dr. Uwe Wildförster. Wenn ein irreversibler Hirnfunktionsausfall bei einem Patienten diagnostiziert wird und bekannt ist, dass der Patient mit einer Organspende einverstanden war, wird eine Kette in Gang gesetzt. Diese Diagnose darf ausschließlich ein Spezialist wie Dr. Wildförster stellen.

Die Hotlines bei der zentralen Organspendenvergabe Eurotransplant sind rund um die Uhr besetzt. Während die Eckdaten des Sterbenden an die Zentrale in Den Haag vermittelt werden, wird sofort geprüft, wer als Empfänger infrage kommt. Der muss umgehend in ein Transplantationszentrum kommen (in der Region Münster, Essen oder Bochum) und für die Operation vorbereitet werden. Die Organentnahme übernehmen eigens in die Klinik eingeflogene Transplantations-Teams.

15000 Wartende sind bei Eurotransplant registriert

Eurotransplant ist ein Zusammenschluss von acht europäischen Ländern, über den die Vergabe von Spenderorganen geregelt wird. 15 000 Patienten sind bei Eurotransplant als Wartende registriert. Kriterien für die Zuteilung eines Organs oder die Rangliste sind der erwartete Erfolg, die durch Experten ermittelte Dringlichkeit, die Wartezeit und die nationale Austauschbilanz.

Als Spender geeignet sind übrigens auch ältere Menschen. Genaue Informationen über Bedingungen für Organspenden und Spenderausweise gibt es beim Hausarzt und bei den Krankenkassen. Optimal ist, wenn die Organspendebereitschaft auch in einer Patientenverfügung festgehalten wird.

Organspender und Wartende in Deutschland 2015

>>> 7530 Patienten warteten Ende 2015 in Deutschland auf eine Spenderniere, 1533 Nieren Verstorbener wurden transplantiert

>>> 773 Patienten warteten auf ein Spenderherz, 278 Herzen deutscher Spender wurden transplantiert

>>> 1233 warteten auf eine Leber, 730 Spenderlebern wurden transplantiert

>>> 396 Menschen warteten auf eine Lunge, 514 Lungen aus Deutschland wurden transplantiert

>>> 37 Menschen warteten auf eine Bauchspeicheldrüse, 101 wurden transpantiert.