Gelsenkirchen. . Was ist eigentlich der Gelsenkirchener Weg zum Gemeinsamen Lernen? Die Stadtschulpflegschaften wollte Genaueres dazu wissen. Und kritisierte die aktuelle Umsetzung.
Seit August 2014 gilt das Recht auf Gemeinsames Lernen (GL) im Regelsystem für Kinder mit Förderbedarf. Seither wird GL nicht nur an einzelnen Schulen, sondern an allen Schulformen praktiziert. Vor allem Eltern beklagen, keine oder zu wenige Informationen über Inklusion, Hintergründe und weitere Planungen zu bekommen. Die Stadtschulpflegschaft bat deshalb den Bildungsdezernenten, Stadtdirektor Dr. Manfed Beck, und den für Inklusion zuständigen Schulamtsdirektor Bernhard Südholt, Elternvertrern im Rahmen eines Infoabends den „Gelsenkirchener Weg“ zur Inklusion zu erklären. So geschehen am Dienstag im Berufskolleg Königstraße.
Dass es überhaupt einen speziellen „Gelsenkirchener Weg“ gibt, hängt mit eher übersichtlichen Konzeptvorgaben seitens des Landes zusammen. Es fehlt an Erfahrungen. Kein Land in Europa hat Kinder mit Förderbedarf so „aussortiert“ in ein eigenes System wie Deutschland und Österreich.
Professionelle Unterstützung von Außen geholt und auf Teamgeist gesetzt
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„Ich habe selbst an Förderschulen gearbeitet, war sehr stolz, dass die Kinder bei uns glücklich waren. Aber, so klagten sie, außerhalb der Schule waren sie ausgegrenzt,“ klärte Bernhard Südholt die eigene Position. Das besondere am Gelsenkirchener Weg sei, dass man professionelle Unterstützung geholt und Modellregionen in der Stadt geschaffen habe, von denen alle lernen können. Erfahrungsaustausch werde groß geschrieben.
Jahrelanges Warten auf Differenzierungsräume und Türen
Vor allem das Schalker Gymnasium war beim Infoabend mit Lehrern und Eltern stark vertreten. Und alle klagten über mangelnde Ausstattung: Man warte vergeblich auf versprochene Differenzierungsräume, die Container im Schulinnenhof kämen (wegen Ausschreibungsproblemen im Hochbaureferat) um Jahre zu spät, und es fehlten Vorgaben zur Arbeit in höheren Klassen. „Was soll ich ohne Unterstützung in Klasse 8 in Mathe mit den Förderschülern machen?“ fragte ein Schalker Lehrer. Eine Kollegin klagte über fehlende Konzepte zur Berufsvorbereitung für Kinder mit Förderbedarf. Wenn die hauseigenen Pädagogen die erstellten, fehlten sie im Unterricht. Über unnötiges Warten auf fehlende Türen für Differenzierungsräume klagte auch ein Elternsprecher des Annette-von -Droste-Hülshoff-Gymnasiums.
Eine Generationenaufgabe, die die ganze Gesellschaft fordert
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Bauliche Umsetzungsprobleme und Handlungsbedarf bei Berufsvorbereitungskonzepten räumten Dezernent und Schulamtsdirektor ein. In vielen Punkten sei man auf Kompromisse angewiesen, der Weg bis zum völlig rund laufenden Gemeinsamen lernen sei noch lang. Die personelle Ausstattung könne man nicht beeinflussen (Landessache), sie würde laut Gutachter aber reichen, wenn nur im GL statt in zwei Systemen unterricht werde. Das Abbauen von Vorurteilen, der Aufbau von gegenseitigem Respekt und einem zwanglosen Miteinander jedoch sei eine Generationenaufgabe, die von der gesamten Gesellschaft geschultert werden müsse. Schule allein könne das sicher nicht leisten. In dem Punkt waren Eltern, Lehrer, Dezernent und Schulamtsdirektor sich einig.