Gelsenkirchen. In der Lehrbackstube des Berufskollegs Königstraße in Gelsenkirchen lernen Nachwuchsbäcker, welche Zutaten in den Christstollen gehören und wie er gebacken wird. Handarbeit und gute Zutaten sind oberstes Prinzip.
Mit oder ohne Marzipan? Das grenzt an eine Glaubensfrage. Fakt ist: Der Christstollen ist das gehaltvollste und in der Herstellung anspruchvollste Exemplar der Gattung Weihnachtsgebäck. Man erkennt das an der Länge der Zutatenliste (insgesamt 20) und der Länge der Zubereitungszeit. Ein halber Tag geht drauf. Der Hefeteig muss in mehreren Etappen ruhen und quellen und noch mal ruhen und quellen, bevor er überhaupt in die Backröhre gelangt, um dort knapp eine Stunde zu verbringen.
Weshalb die Auszubildenden des Bäckerhandwerks einen Projekttag daraus machen. Auch für die Azubis im 3. Lehrjahr ist der Stollen die Königsdisziplin. 16 Kilogramm Teig liegen auf dem Tisch. Der Zutatenwert liegt bei 100 bis 150 Euro. „Deshalb werden die Christstollen meistens vom Meister oder vom Altgesellen gebacken – falls was schief geht“, sagt Loni Essmajor, Oberstudienrätin für Mathematik, Katholische Religion und Produktionstechnik. Unter Letzteres fällt auch die Herstellung des Christstollens.
„Die Azubis sind ganz gierig darauf, die Praxis zu erlernen“
An einem langen, bemehlten Tisch in der Lehrbackstube stehen elf Männer und zwei Frauen, zwischen 18 und 24, kneten und formen 16 Kilogramm Teig für Christstollen. Daraus entstehen große und kleine Christstollen. Wer mag, legt einen Strang Marzipan auf die untere Teighälfte und klappt die obere Teighälfte darüber. So entsteht die typische Christstollenform. Die großen Gebäckstücke werden in speziellen Stollenformen gebacken, die kleinen kommen auf Roste für Baguette-Brote.
„Die Azubis sind ganz gierig darauf, die Praxis zu erlernen“, sagt die Lehrerin. Dazu gehören das Abwiegen der Rohstoffe bis zur Lagerung des Gebäcks. Darauf legt man in der Schule an der Königstraße besonderen Wert: Das möglichst viel Handarbeit vermittelt wird, der Herstellungsprozess nicht nur von Maschinen übernommen wird, sondern das individuelle Backen noch gelernt wird. „Das ist die Nische, in der selbstständige Bäcker noch überleben können“, ist Essmajor überzeugt.
Fachmännisch verpackt
Die fertig gebackenen Stollen werden anschließend von den angehenden Verkäuferinnen fachmännisch verpackt – in Klarsichtfolie und mit Schleifenband. Wenn er nun ein, zwei oder drei Wochen durchzieht, ist er genau an einem Adventssonntag anschnittbereit! (In streng katholischen Familien durfte er erst zum 28. Dezember, dem Tag des unschuldigen Kindes, angeschnitten werden.)
Dann ist er saftig und schmeckt nach den vielen Gewürzen, die in ihm stecken. Ein Rausch von Aromen und Nährstoffen, mit dem eine leckere und wohlriechende Weihnachtszeit eingeläutet wird.