Gelsenkirchen. Bäcker Theodor Wegmann verschickt manche Brote bis nach Kanada und lebt von vielen Stammkunden. In seinem Betrieb in Gelsenkirchen vertraut er auf traditionelles Handwerk, Zeit und Zutaten. Der Ketten-Konkurrenz setzt er dabei klassische Nischen-Produkte entgegen und hat damit Erfolg.

Der „Matador“-Ofen arbeitet seit gut 55 Jahren tadellos. Nicht viel jünger ist der kräftige Drehhebelkneter. „Der ist praktisch unkaputtbar“, sagt Bäckermeister Theodor Wegmann morgenmunter. Wegmann, 52 Jahre alt, ist ein Mensch, der Dinge bewahrt, der Traditionen lebt. Im klassischen Handwerk, in der Produktion, im Geschmack. Der Gang in seine Backstube an der Hauptstraße 85 ist auch ein Sprung in Zeiten, als sein Handwerk noch zahlreiche Kleinbetriebe nährte.

Sven Timmes, 28, öffnet routiniert die Ofenklappe. Der Hitzeschwall ist enorm. Dem 28-Jährigen scheint er nichts auszumachen. Der Geselle zieht eine breite Riege Kastenbrote hervor. Bei 220 Grad waren sie gerade noch im Ofen. Mit einer Bürste streicht er die Laibe mit Wasser ab und bringt sie auf Hochglanz. Der Duft ist verführerisch. Nächste Station ist der Backwagen. Auf einem Brett werden die Brote umgehoben, kühlen eine Weile ab und sehen so aus, wie sie der Meister wünscht: „Schön hochgezogen, gleichmäßig gelockert, von der Form her einigermaßen gleich, mit guter Kruste und Krume.“

Würdigung im „Feinschmecker“

Chi-Chi hat hier keinen Platz. Doppelte Warburger, Doppelkorn, Landbrot oder Kasseler kommen bei Wegmann aus dem Ofen. Lang gebacken, mit Röstaromen und Wumms im Geschmack. Traditionelle Brote halt mit altgedienten, kernigen Namen. Wegmann setzt auf Zeit und Zutaten. Seine Spezialität sind die Doppeltgebackenen. Nach anderthalb Zusatz-Stunden im Ofen haben sie die richtige Kruste.

„Die lassen sich manche Kunden nachschicken, sogar bis nach Kanada. Da kostet das Porto mehr als die Ware“, sagt er. Üppige Laibe, oft 1,5 Kilo schwer, liegen im Verkaufsraum. „Das sind Formate, die es eigentlich gar nicht mehr gibt. Doch der Erfolg gibt mir Recht. Ich denke, dass ich eine Nische besetzt habe. Unser Brot hält sich gut, und es schmeckt.“ Aber auch das ist Bäckeralltag: „Die Kosten steigen. Das Überleben ist schwieriger geworden. Auch weil die Jugend ein ganz anderes Einkaufsverhalten hat.“

„Freundlichsten Bäcker Deutschlands“

Ein Vollzeitkraft, vier Aushilfen und Wegmanns Frau Birgit „schmeißen“ den Laden. Eine handgefertigte Urkunde jenseits der Theke weist Wegmann als „freundlichsten Bäcker Deutschlands“ aus. Kunden wissen offenbar auch den Humor des Bäckermeisters zu schätzen. Doch auch Profis haben sein Backwerk gewürdigt. Wiederholt zählte der „Feinschmecker“ den Bäcker zu den besten Adressen im Land.

1891 wurde die Bäckerei gegründet. Theodor Wegmann hat im eigenen Betrieb gelernt, als sein Onkel Fritz und sein Vater Franz ihn führten. Sein Sohn Florian ist auch Bäcker. „In 5. Generation. Der hat 2013 auch die Meisterprüfung gemacht.“ Zehn bis zwölf Brotsorten, rund 15 verschiedene Brötchensorten, Gebäck und Plätzchen fertigt Wegmann traditionell handwerklich. Backen aus der Tüte? „Ne, das mach’ ich nicht“, sagt er. Mit Timmes und seinem zweiten Gesellen Aleksandr Kappel, 27, steht er nachts ab 2.30 Uhr in der Backstube. „Um halb zehn sind die Gesellen raus. Eigentlich“, findet der Bäckermeister, „ist das für Familien ideal. Zwei Stündchen schlafen, dann kann man sich auch tagsüber um die Kinder kümmern.“

Für den Chef ist der Arbeitstag dann noch längst nicht vorbei. „Ich fahre noch die Kundschaft ab und beliefere ein paar Altenheime“, sagt er. „Dann mach ich noch ein bisschen Büro. Und um fünf Uhr bin ich wieder hier. Sauerteig ansetzen, spülen, alles vorbereiten.“ Ein paar Stunden Schlaf müssen danach reichen – bis zum nächsten Zeitsprung.