Gelsenkirchen. Die Jam-Session im Hans-Sachs-Haus gab an gleich zwei Abenden spannende Einblicke in die Werkstatt einer Ballett-Compagnie. Die Tänzer agierten wie in einem Improvisationstheater auf Zuruf.

Der Ober reicht die Menükarte an. Später werden die Wünsche der Gäste penibel abgefragt: Welcher Gruß aus der Küche darf es denn sein und welches Hauptgericht mit welcher Beilage? Die Besucher hatten die Qual der Wahl.

Ihr Hunger galt allerdings nicht Hummer, Huhn und Co., sondern der Kultur. So saßen sie auch nicht in einem Spitzenrestaurant, sondern im Ballettsaal der Spitzentänzer des Gelsenkirchener Balletts im Revier. Und die servierten im Foyer des Hans-Sachs-Hauses köstlichen „Tanz á la Carte“.

Kreationen live zelebriert

Selbst eine Choreographie von nur ein paar Minuten bedarf wochenlanger Arbeit und intensiven Trainings. Normalerweise. Im Hans-Sachs-Haus aber schuf die Compaganie in nur einer Stunde eine komplette Tanz-Miniatur. Impro-Theater kennt inzwischen jeder. Diesmal gab es Impro-Ballett.

Als die US-Amerikanerin Bridget Breiner zur Spielzeit 2012/13 die Leitung des Balletts am Musiktheater im Revier übernahm, da installierte sie mit der Veranstaltungsreihe „Jam-Session“ ein neues, ein experimentelles, frisches Format. Jenseits der großen Bühnenproduktionen zeigen die Künstler, was sie sonst noch drauf haben. Treten in Museen in den Dialog mit bildender Kunst, tanzen zu Jazzmusik oder präsentieren eigene Choreographien. In diesen Sessions entstehen einmalige Kreationen für den Augenblick.

Nun wurde erstmals im Hans-Sachs-Haus gejammt. Die Tanzfläche in der Mitte, drumherum die Sitzplätze. Die amerikanische Performancekünstlerin und Theaterpädagogin Julie Stearns gab die Kellnerin bzw. die Moderatorin. Als Koch, der die Rezeptzutaten zu einem Ballett verrührte, trat Raphael Coumës-Marquet, 1. Solist des Semperoper Ballett Dresden, auf. Er steht zurzeit als Albrecht in „Giselle“ auf der MiR-Bühne.

"Hier noch zwei Sklaven bitte"

Ob Musik, ob Figuren, Geschichte oder Titel: Vor den Augen der Zuschauer verwandelten die Tänzer des Ballett im Revier jede ausgesuchte Zutat in eine einzigartige Kreation. Der eine wünschte sich als Spielort eine Pyramide, der andere den tragischen Tod der Cleopatra. „Hier noch zwei Sklaven bitte“, forderte der eine, der nächste wollte Kamele. Ein bisschen wie Kindergeburtstag.

Ob die Zuschauer die „Lahme Ente“ oder die „Arabesque“ gewählt hatte, ob sie den „Blue bird“ oder „The flying fish“ bestellten“: Am Ende stand eine überzeugende Tanz-Miniatur. Dem Publikum gab der Abend auf jeden Fall einen spannenden Einblick in die Möglichkeiten einer Ballett-Werkstatt.