Gelsenkirchen. Jetzt meldet sich der Anwalt der Nachfahren des von den Nazis ermordeten Besitzers des Gemäldes „Bacchanale“ zu Wort. Er sagt, es habe keinen Vorschlag der Erben an die Stadt gegeben, das Bild für eine Viertelmillion zu kaufen.

Die Erben des von den Nazis ermordeten jüdischen Besitzers des Corinth-Gemäldes „Bacchanale“ melden Anspruch auf das imposante Bild an. Sie wollen es allerdings nicht der Stadt verkaufen, sondern sie fordern es zurück. Sagt ihr Anwalt. Bei dem Exponat, das sich seit 1957 im Besitz der Stadt Gelsenkirchen befindet, handelt es sich um Raubkunst der Nazis. Jetzt meldet sich der Anwalt der Erben zu Wort.

Prof. Dr. Fritz Enderlein aus Potsdam vertritt die Großnichte und den Großneffen der einstigen Berliner Besitzerin des Bildes. Der Jurist stellte im Gespräch mit der WAZ klar: „Die Erben haben der Stadt nicht angeboten, das Bild für rund eine Viertelmillion zu kaufen. Es gibt kein Kaufangebot.“

Verhandlungen laufen weiter

Die Vorlage der Stadtverwaltung für den Kulturausschuss aber besagt etwas anderes. Danach habe der Anwalt der Erben angeboten, gegen eine Zahlung von 210.000 Euro das Gemälde im Eigentum der Stadt zu belassen.

Prof. Enderlein erklärt das Auftauchen der Summe von 250.000 Euro so: „Das Bild war kürzlich in Dresden ausgestellt. Die Transportversicherung betrug eine Viertelmillion.“ An dieser Summe könne man zumindest in etwa den Wert des Exponates erkennen.

Auf Nachfrage, was denn die Erben, die übrigens, so der Anwalt, heute in Westeuropa und in Übersee leben, tatsächlich vorschlagen, sagt Enderlein: „Die möchten das Gemälde zurück und haben sich bereit erklärt, der Stadt Gelsenkirchen das Zehnfache des Preises zu bezahlen, den das Kunstmuseum bezahlt hat.“ Die Stadt kaufte das Ölbild für 14.500 DM in einer Kölner Galerie. Seitdem ist die Malerei Bestand der Sammlung des Museums.

Auch zu den damaligen Eigentümern weiß der Anwalt einiges zu erzählen: „Das Berliner Ehepaar S. hatte zwei Kinder, die beide im Konzentrationslager ermordet wurden. Nicht eine Tochter hat überlebt, sondern die Ehefrau, die 1945 aus dem KZ befreit werden konnte. Da bei der Zwangsversteigerung nur ihr Ehemann als Eigentümer angesehen wurde, war sie die Erbin, die nach dem Kriege einen Entschädigungsantrag stellte.“

Bei der von den Nazis erzwungenen Versteigerung sei der komplette Haushalt, darunter rund 65 Kunstwerke, weggegangen. In dem 1962 beendeten Entschädigungsverfahren seien der Erbin 33.200 DM zugesprochen worden, und zwar nicht nur für den gesamten bei der Versteigerung entstanden Verlust, „sondern auch für gezahlte Reichsfluchtsteuer und anderes“. Für das Corinth-Gemälde habe die damals bereits 76 Jahre alte „und durch die erlittene Verfolgung und das Schicksal ihrer Familie gezeichnete“ Frau nur rund 600 DM erhalten. Also viel weniger, als Gelsenkirchen fünf Jahre zuvor dafür bezahlt habe.

Im Auftrag von Großnichte und Großneffe als Erben der 1971 verstorbenen Frau trat der Anwalt bereits vor vier Jahren an das Kunstmuseum Gelsenkirchen heran: „Daraufhin passierte nicht viel, bis ich mich vor zwei Jahren an den Oberbürgermeister wandte.“ Seitdem laufen die Verhandlungen.