Gelsenkirchen.

In der Münchner Wohnung von Cornelius Gurlitt entdeckten Zollfahnder bereits 2011 rund 1500 Kunstwerke der Klassischen Moderne (wir berichteten überregional). Der spektakuläre Fund stößt die Diskussion über von den Nationalsozialisten geraubte Kunst neu an. „Es ist gut, dass das Thema wieder in der Öffentlichkeit präsent ist“, findet Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen.

Fälle von Kunstraub in der NS-Zeit sind Judith Neuwald-Tasbach in ihrer Gemeinde zwar nicht bekannt. Jedoch weiß sie, wie sich Besitzer geraubter Wertgegenstände fühlen. „Meine Eltern waren mittelständische Bürger und hatten ein Bettengeschäft“, erzählt Judith Neuwald-Tasbach. „Um überleben zu können, musste mein Vater seine in Leder eingebundene Enzyklopädie weit unter Wert verkaufen.“ Auch Pelzmäntel musste die Familie günstiger verkaufen, um essen zu können und um Platz zu schaffen, damit verfolgte Familien bei ihnen unterkommen konnten. „Aber die Bücher hatten einen hohen ideellen Wert für meinen Vater.“ Aus der Gelsenkirchener Synagoge wurden zudem Toraschmuck und Silberleuchter geraubt. Genauso erging es vielen Juden eben auch mit Kunstwerken. Daher stellt sich für Judith Neuwald-Tasbach vor allem die Frage: „Was ist ein Vertrag wert, der unter Zwang geschlossen wurde?“ Die geraubten oder unter Zwang verkauften Wertsachen nach dem Krieg wieder zu bekommen, sei schwierig und eher eine juristische als eine moralische Frage. Auch die Enzyklopädie hat ihr Vater, Kurt Neuwald, nie wieder bekommen.

Schwierige Herkunftssuche

Wie mühsam es sein kann, die Herkunft eines Werkes zu bestimmen, weiß Leane Schäfer, Leiterin des Kunstmuseums. Wenn nach der Herkunft einer Arbeit geforscht wird, sprechen Fachleute von „Provenienz“ – meistens werden Kunsthistoriker damit beauftragt. Leane Schäfer erklärt: „Jedes Bild hat eine eigene Biografie.“ Und jede Biografie könne Lücken haben. „Es hängt stark von der Vollständigkeit der Unterlagen ab, wie schwierig die Recherche ist.“ Gerade bei Werken, die vor oder während des Nationalsozialismus entstanden sind, ist es vorgekommen, dass Unterlagen vernichtet wurden oder „von Galeristen nicht mehr herausgerückt wurden“. Im Kunstmuseum gibt es dank der genauen Katalogisierung keine Raubkunst. „Wenn wir Werke ankaufen, dann meist von den Künstlern selbst“, erklärt Leane Schäfer. Für jede Arbeit gebe es zudem Listen, über die man nachvollziehen könne, wem ein Werk gehört hat, wer es wann ge- oder verkauft hat und auch wo es zuletzt ausgestellt war.

Kommt das Kunstmuseum bei einer Herkunfts-Recherche nicht weiter, gebe es die Möglichkeit, finanzielle Mittel beim Bund zu beantragen, um die Hilfe eines Forschers in Anspruch zu nehmen, weiß Leane Schäfer. Eine solche Provenienz-Forschung in Auftrag zu geben, sei allerdings sehr aufwendig, weil man kaum planen kann: „Wie lange dauert die Forschung? Und: Kommt am Ende überhaupt ein Ergebnis dabei heraus?“