Essen. Um sich vor Eindringlingen zu schützen, setzen auch in Essen-Rüttenscheid immer mehr Privatleute auf Überwachungskameras. Indes steigt die Zahl der Klagen beim Landesdatenschutzbeauftragten. Dort sieht man den Einsatz kritisch. Auch die Polizei rät von Kameras im privaten Bereich ab.
Der Rentner, der nicht mit Namen genannt werden möchte, klingt noch am Telefon völlig aufgelöst. Er sei gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt, erzählt er, seine Wohnung erkennt er kaum wieder. Einbrecher haben die Schubladen durchwählt, Wertsachen und Schmuck aus dem Familienbesitz mitgehen lassen. Der Rüttenscheider möchte warnen, die Menschen sensibilisieren. „Denn die Täter sind längst über alle Berge.“ Das ist leider meistens so, wie die Polizeistatistik aus dem vergangenen Jahr belegt: Von 2381 gemeldeten Einbrüchen in Essen konnten nur 8,11 Prozent aufgeklärt werden.
Immer mehr Menschen versuchen daher, unerwünschte Eindringlinge, Graffiti-Schmierer oder unbelehrbare Hundebesitzer mit Kameras abzuschrecken – zu beobachten beispielsweise an einer aufwändig renovierten Hausfassade an der Annastraße und wenige Meter weiter an einem sanierten Altbau in der Almastraße. Bei der Polizei sieht man diese Art der Prävention kritisch. „Von Kameras im privaten Bereich raten wir eher ab. Viel wichtiger ist die sogenannte mechanische Grundsicherung, also einbruchsichere Schlösser, Fenster und Türen“, sagt Polizei-Sprecherin Tanja Hagelüken. Außerdem hätten Kollegen die Erfahrung gemacht, dass Videoüberwachung im nachbarschaftlichen Bereich häufig für Probleme sorge – der tatsächliche Abschreckungseffekt einer Kamera hingegen kaum nachweisbar sei.
400 Klagen von Nachbarn im Jahr 2013, Tendenz steigend
Ganz ähnlich sieht das auch Nils Schröder, Sprecher des NRW-Datenschutzbeauftragten, die Genehmigungsbehörde für Kamera-Überwachungen. Aktuell türmen sich dort die Klagen von Nachbarn, die sich ausspioniert fühlen. 400 Fälle habe man allein im Jahr 2013 abgearbeitet. „Das Thema Videoüberwachung rückt bei uns immer mehr in den Fokus, da die Beschwerden in erheblichem Umfang steigen“, so Schröder. „Viele vergessen, dass durchaus auch die Rechte anderer betroffen sind“, so der Sprecher weiter.
Die Regelungen, wer in welchem Umfang sein Privatgelände überwachen darf, sind dabei komplex. Grundsätzlich sei private Überwachung nur dort erlaubt, wo öffentlicher Raum nicht beeinflusst werde. Bei der Überwachung von Hausfassaden etwa dürfe bis zu einem Meter öffentlicher Raum mit aufgenommen werden – wenn der Hausbesitzer dazu einen triftigen Grund – etwa eine besonders schützenswerte Fassade – benennt und die Öffentlichkeit mit einem Schild auf die Kameras hinweist. „Wird öffentlicher Raum gefilmt, müssen die Aufnahmen umgehend gelöscht werden. Ist etwas Verwertbares dabei, können die Bilder natürlich der Polizei zu Ermittlungszwecken zur Verfügung gestellt werden“, sagt Schröder.
Auch er sieht den Einsatz von Videotechnik dabei kritisch: „Meistens vermitteln Kameras ein falsches Sicherheitsgefühl – und stören das Verhältnis zur Nachbarschaft im Zweifelsfall nachhaltig.“ Vor allem bei Graffiti-Schmierereien habe man die Erfahrung gemacht, dass Kameras oft wenig zur Aufklärung beitragen: „Viele Täter sind ohnehin vermummt“, sagt Schröder, „und auf den Aufnahmen kaum zu erkennen.“