Essen-Rüttenscheid. . In Rüttenscheid schließen immer mehr Buden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Längere Öffnungszeiten, gestiegene Kosten und verändertes Kaufverhalten gehören dazu. Für Dietmar Wirtgen, der seit 32 Jahren im Geschäft ist, „lohnt sich der Betrieb rein wirtschaftlich kaum noch“.
Der Kult-Kiosk „Anne Bude“ schloss schon für über einem Jahr, ist nun Experimentierfläche für unterschiedliche Kulturprojekte und Bar zugleich. Ein weiteres Büdchen mit langer Tradition an der Ecke Elfriedenstraße direkt gegenüber des Spielplatzes wurde schon längst in eine Wohnung umgebaut. Seit einigen Wochen ist auch die kleine Trinkhalle an der Brassert-/ Ecke Franziskastraße dicht. Kurzum: Immer mehr Buden-Betreiber streichen die Segel.
„Reich werden konnte man damit nie, aber gut davon leben. Mittlerweile langt es aber kaum noch, um sich über Wasser zu halten“, klagt Dietmar Wirtgen, der schon seit 32 Jahren im Kult-Geschäftszweig des Ruhrgebiets arbeitet: abwechselnd in Überruhr und seit acht Jahren auch hinterm Verkaufstresen der Trinkhalle an der Hedwigstraße 8.
Umsatz um etwa 25 Prozent gesunken
In den vergangenen drei bis vier Jahren sei der Umsatz um etwa 25 Prozent eingebrochen, schätzt der 65-Jährige. Daran trage nicht allein die große Konkurrenz der Supermärkte mit Öffnungszeiten bis teilweise Mitternacht die Schuld. „Uns sterben viele Kunden schlicht weg“, so Wirtgen. Vor allem für die älteren Nachbarn sei er oft zentraler Versorgungspunkt, habe einer betagten Dame häufig Wasserkisten in eines der umliegenden oberen Stockwerke gebracht und hat für die „Kunden-Hunde“ immer ein Leckerchen griffbereit. „Zu diesen Kunden hat man eine feste Bindung, ist weit mehr als nur Verkäufer, man kennt sich. Da gehört das Gespräch immer dazu“, so Wirtgen.
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Darüber hinaus sei die Zielgruppe deutlich umsatzstärker. „Die nehmen neben der Zeitung noch zwei Frauenschriften, ein paar Plätzchen und Getränke mit. Im Gegensatz dazu kommt ein Großteil der jungen Kunden nur zum Zigaretten kaufen. An Tabakwaren verdient man aber kaum, das meiste geht an den Staat“, so Wirtgen. Der Einsatz für den von ihm geschätzten Ertrag von vier Euro brutto die Stunde ist groß: Die Bude ist sieben Tage die Woche, Feiertage eingeschlossen, von 7 bis 22 Uhr geöffnet. 450-Euro-Kräfte wollen bezahlt werden und der Vermieter natürlich ebenso: Für die gemütlichen 36 Quadratmeter, auf denen sich von der „gemischten Tüte“ bis hin zur Flasche Mariacron alles findet, werden 750 Euro Warmmiete fällig.
Gleichzeitig steigen die Energiekosten, was angesichts der großen Eistruhe nicht unerheblich ist. „Rein wirtschaftlich gesehen lohnt sich das nicht mehr. Aber ich komme gerne hierher nach Rüttenscheid. Manche bleiben morgens 20 Minuten hier, trinken ihren Kaffee und reden“, sagt Wirtgen. Im Juli bekommt er seine erste Rente, denkt aber noch gar nicht daran, aufzuhören. „Das macht doch Spaß hier, ich mache erstmal weiter. Außerdem gehören die Büdchen doch zum Ruhrgebiet dazu.“