Essen. Kaugummi-Automaten gehörten zum Straßenbild, sind aber längst eine aussterbende Art. Einzelne überlebten und spucken immer noch allerlei Rundes aus – zum Essen oder Schmücken. Eine Spurensuche in Essen.

Für viele Ältere ist er so untrennbar mit der Kindheit verbunden, wie Ahoj Brausepulver und Rollschuhlaufen: der Kaugummi-Automat. Die Kästen zur unkomplizierten Nahversorgung waren früher an vielen Hauswänden heimisch, sind inzwischen aber auch in Essen fast ausgestorben. Wir haben uns auf die Suche gemacht - nach den letzten Überlebenden in Essen.

Altenessen, Lierfeldstraße. Schon von fern leuchtet mir das Feuerwehrrot entgegen, auch wenn der Zahn der Zeit schon heftig genagt hat. Da ist sie, die mechanische Wunderkiste aus der Kinderzeit, ganz unauffällig neben der Bushaltestelle. Es ist ein großes Modell mit drei Schächten; weitaus breitere Gitter an der abgeschabten Front, als ich es in Erinnerung habe. Es gibt Kaugummikugeln in gelb, rot und weiß für 20 Cent, dann „Zaubertrolle“ aus Plastik für 50 Cent und schließlich Undefinierbares für ebenfalls 50 Cent. Ich wähle Letzteres, ohne Überraschung ist der Automatenkauf nur halb so magisch. Paul Brühl, Geschäftsführer des Verbands der Automaten-Fachaufsteller, wird da zum Alltagsphilosophen: „Der Mensch ist zum Spielen da, und beim Automaten hat er dazu die Gelegenheit.“

Offizielle Genehmigungen für 19 Standorte

Ich bekomme zunächst mal kaum mein Geld in den Schlitz, eine metallene Schutzplatte stört gewaltig. War das früher auch schon so? Dann drehen, einmal umgreifen, noch einmal drehen, und es poltert im Schacht. Nun folgt der beste Moment, das Öffnen der Klappe. In durchsichtiger Plastikkugel strahlt mir ein Gummi-Morgenstern in künstlichem rot entgegen. Der fühlt sich weich und klebrig an, aber kann man den auch essen? Ich klatsche das elastische Teil vor die Glaswand der Bushaltestelle und siehe da: Es bleibt haften. Ein Scherzartikel also. Keine schlechte Ausbeute. Wo ist der nächste?

Magische Momente werden immer rarer

So wie den an der Karnaper Straße. Ein wahres Luxusmodell mit Cola-Kugeln (20 Cent), Modeaccessoires (50 Cent), Flummis, die fast eine eigene Geschichte wert sind (50 Cent) und Kaugummis mit Monsterköpfen (50 Cent). Die weiße Abdeckung sieht noch gut aus, aber ein Fußabdruck an der Seite zeigt, was so ein Automat alles ertragen muss. Für 50 Cent werde ich Besitzer eines Plastikrings. Der Kasten funktioniert tadellos. Das gilt auch für das ziemlich verranzte Exemplar, das ich an der Vogelheimer Straße finde. Die Frontplatten sind zur Abwechslung gelb und blau, zur Wahl stehen gleich vier „Kostbarkeiten“. Verbandschef Brühl unterstreicht: „Die Kaugummikugel hat immer ihre Daseinsberechtigung, aber man muss sie ergänzen.“ Ich wähle das Überraschungsfach. Für 50 Cent bekomme ich ein Blecharmband mit Herzchen.

Das letzte Testobjekt hängt nicht mehr im Norden – hier fallen die meisten Automaten ins Auge – sondern an der Bushaltestelle Hirtsieferstraße in Altendorf. Es schaut bedauernswert aus, die ehemals rot Frontpartie wurde bereits von einer blauen ersetzt, die auch schon die besten Tage hinter sich hat. Das Gestell ist mehr Rost als rot. Aber in einer der beiden Kammern warten Gummitotenköpfe für kleine Piraten. Ein Highlight, über das sich die Kinderseele genauso freut wie ich. Es gibt sie also noch, die magischen Momente der Kindheit. Aber die werden immer rarer – wie die Automaten in Feuerwehrrot.

Automat bringt bis zu 20 Euro monatlich

So wie das Kaugummi selbst, kam auch der Automat mit den US-Soldaten in das Deutschland der Nachkriegszeit und prägte dann lange das Straßenbild mit. Fragt man in der Branche nach Gründen für das Verschwinden, wird ganz Unterschiedliches genannt: Kinder spielen nicht mehr so oft im Freien, der demografische Wandel mit immer älteren Menschen, ein großes Warenangebot in den Supermärkten und auch hygienische Vorbehalte.

Letzteres weist die Branche zurück. Paul Brühl, Geschäftsführer des Verbands der Automaten-Fachaufsteller, schätzt, dass es immerhin noch 400.000 bis 500.000 Stück in Deutschland gibt. Und so wenig verdiene man mit den Kästen gar nicht. „Das reicht von 7 bis 20 Euro im Monat. Wenn man 1000 Stück hat, ist das für einige Automatenaufsteller ein ganz guter Nebenverdienst“, berichtet er. Allerdings sei der Wartungsaufwand, bei dem die Geräte komplett getauscht werden und die Aufsteller oft von weither anfahren, sehr groß. Brühl glaubt noch an die Zukunft der roten Kästen: „Hier erfährt das Kind spielerisch seine erste geschäftliche Transaktion.“