Essen-Rüttenscheid. . Bis zu 500 Pakete und Päckchen erreichen zur Zeit täglich den Post-Shop an der Zweigertstraße nahe des Rüttenscheider Sterns. Trotz Siegeszuges des Online-Versandhandels bei Geschenken, besinnen sich die Menschen bei ihren Grußkarten zurück auf Handgeschriebenes.
Blitzschnell stempelt Angela Dietrich die Weihnachtskarten durch. Der Briefkasten vor dem Eingang quillt schon am Vormittag über. „Geht das heute noch raus?“, fragt eine ältere Dame besorgt, nachdem sie ihr Päckchen abgegeben hat. Hinter ihr reicht die Schlange wartender Kunden bis auf den Bürgersteig an der Zweigertstraße. Bei besonders großem Ansturm wird der Geduldsfaden mit Hilfe von Schokolade und Gummibärchen etwas verlängert. In diesen Tagen „normaler Ausnahmezustand“ in dem Post-Shop nahe des Rüttenscheider Sterns, der größten Partner-Filiale der Deutschen Post in Essen. 300 bis 500 Pakete und Päckchen kommen aktuell pro Tag an – weil Kunden nicht zu Hause sind oder die Packstationen, etwa an der Alfredstraße, schlichtweg keine Kapazität mehr haben.
Im Sommer vergangenen Jahres übernahm Bassem Chour den Laden gemeinsam mit Partner Murat Azazoglu das Geschäft: „Seit drei Jahren nimmt der Versand von Online-Händlern wie Amazon oder Zalando rapide zu. Das wissen wir auch aus den Zahlen unseres Vorgängers“, hat Bassem Chour beobachtet. Von dem aktuellen Streik bei Amazon ist in dem Paket-Lager hinter den Kulissen wenig zu spüren: Dort türmen sich die Pakete und Päckchen. Sogar ein Bügeleisen steht mittendrin; es bleibt zu hoffen, dass es nicht als Weihnachtsgeschenk für die Liebste gedacht ist.
Handgeschriebenes zum Fest
Dabei sind es nicht nur die Geschenke, die zurzeit für einen Ansturm sorgen. So werde der klassische Brief-Versand trotz Siegeszuges der digitalen Kommunikation oft unterschätzt, weiß Geschäftsführer Mehmet Azazoglu: „Gerade zur Weihnachtszeit schreiben sich die Menschen lieber auf dem klassischen Weg, da werden hier auch Liebesbriefe abgeschickt.“ Manch ein Nostalgiker frage sogar noch heute nach Telegrammen.
Auch am Dienstagmorgen sind jene, die zumindest an Weihnachten den Brief oder die Postkarte der E-Mail vorziehen, wieder in großen Scharen vor den drei Schaltern zu finden. Hebamme Doris etwa, die uns in ihrer großen Hektik nicht ihren Nachnamen verrät, dafür aber, dass sie Heiligabend arbeiten muss und vielleicht ein paar Christkinder auf die Welt bringt. Ihre handgeschriebenen und säuberlich gestalteten Karten gehen an „viele liebe Menschen, die ich kenne“, sagt sie, ins nahe Ruhrgebiet und den Osten der Republik.
Einen lebenden Vogel per Post verschicken?
Auch Olga Kulikova und Maksym Khudytskyi stecken in den Weihnachtsvorbereitungen: Sie wollen zum Fest der Liebe zurück in ihrer Heimat, der Ukraine, sein. Weil ihr kleines Auto nach drei Monaten in Deutschland nicht den kompletten Hausstand fasse, müssen die beiden den Inhalt ihrer Kleiderschränke auf dem Postweg nach Hause schicken: 34 Kilo wiegt eines der sperrigen Pakete und damit drei Kilo zu viel. Umpacken ist angesagt, die beiden nehmen es mit einem Lächeln.
Ab einer Länge von 1,20 Meter gilt ein Paket als Sperrgut. „Gitarren, Fahrräder – Sie glauben ja gar nicht, was sich die Menschen in dieser Zeit so alles schicken lassen“, weiß Bassem Chour. Sogar einen lebendigen Vogel habe mal jemand verschicken wollen, erzählt Chour – dem Kunden habe er natürlich erklärt, dass das nicht geht.
„Noch bis Samstag“, schätzt Mitarbeiterin Angela Dietrich, „wird es hier sehr viel zu tun geben.“ Insgesamt 13 Mitarbeiter sind im Post-Shop beschäftigt, vier davon kamen Start des Weihnachtsgeschäfts Ende Oktober hinzu. Kapazitäten, die Chour auch nach Weihnachten braucht: „Die Menschen bestellen immer mehr im Internet. Das wird sich auch nach dem 26. Dezember nicht ändern.“