Essen. Tabak, Kaffee, Zucker und Schokolade stehen auf der Wunschliste der Häftlinge ganz oben. Der Essener Strafverteidiger Volker Schröder organisiert schon zum sechszehnten Mal die Paket-Aktion. Die Spenden werden anonym in der Haftanstalt verteilt.
Für 24 Gefangene in der Justizvollzugsanstalt (JVA) an der Krawehlstraße ging vor dem Fest ihr größster Wunsch in Erfüllung: Sie werden in Freiheit feiern können. Wer etwa im Januar ohnehin auf freien Fuß gekommen wäre, der wurde Dank Weihnachts-Amnestie früher entlassen. Die 500 Gefangenen, die Heiligabend in Haft feiern, freuen sich über Geschenke von draußen.
Zum sechzehnten Mal bittet darum Strafverteidiger Volker Schröder um Mithilfe, um Geld- und Sachspenden für Weihnachtspäckchen, die dann anonym in der JVA verteilt werden. Sie sind für diejenigen gedacht, die Heiligabend hinter Gittern verbringen, mittellos sind und niemanden „draußen“ haben, der ihnen etwas schenkt.
Ein Pfarrer hatte zu der Aktion angeregt
Angeregt zu der Initiative wurde Schröder einst von einem Pfarrer im Strafvollzug. Seitdem steht in seiner Kanzlei an der Zweigertstraße 33 in der Adventszeit ein Sparschwein. Viele Mandanten leisten alle Jahre wieder einen Beitrag für die Geschenke-Aktion.
Nur manchmal muss Schröder bremsen. „Das ist nichts für grobe Männerhände“, beschied der Rechtsanwalt etwa das gut gemeinte Angebot einer Spenderin. „Sie wollte die Knastis an die Nadel bringen“, formuliert er augenzwinkernd. Tatsächlich hatte die Dame vorgeschlagen, Strafgefangene der Justizvollzugsanstalt zu Weihnachten mit Wolle, Häkel- und Stricknadeln zu beglücken. Damit wollte sie die Tradition der Weihnachtspäckchen für Gefangene bereichern. Doch Schröder hat andere Erfahrungswerte was die Wünsche der Häftlinge betrifft.
25 Euro für ein Paket
Er beziffert die Kosten eines Paketes mit rund 25 Euro und macht folgende Vorschläge für alle Bürger, die selbst ein Weihnachtspaket zusammenstellen wollen: Bis zu fünf Päckchen Tabak, ein Glas löslichen Kaffee à 100 Gramm, ein Paket schwarzen Tee à 50 g (Beutel), ein Paket Zucker à 1000 g, acht Tafeln Vollmilchschokolade, ein Paket Weihnachtsplätzchen (250 g), ein Beutel Lebkuchen und eine Tüte nicht gefüllte Bonbons. So klein kann eine große Freude sein.
Weihnachten hinter Gittern
Für viele ist es eine Zeit der Erwartung – „für Strafgefangene ist Weihnachten eine schwere Zeit“. So sagt es Michael Lucka-von Eerde, seit März 2012 evangelischer Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Essen. „Eine Haftzeit trennt Menschen von Freunden und Familien. Viele haben niemanden, der sie Weihnachten beschenkt.“
Schon darum begrüßt die JVA die Paket-Aktion von Anwalt Volker Schröder. Für Häftlinge, die völlig mittellos sind, hält die Anstalt aber auch selbst gut 150 Weihnachtstüten mit Kaffee, Tabak und Schokolade bereit. „Die Leute sollen bekommen, was man hier zum Überleben braucht“, sagt JVA-Leiter Herbert Paffrath.
Die Weihnachtsgeschichte hat in der JVA einen anderen Akzent
Das gelte nicht nur für Materielles, im Advent gebe es auch viele Weihnachtsfeiern etwa von Betrieben oder Sportgruppen, und im vierstöckigen Innenraum des Hafthauses stehe ein Weihnachtsbaum in XL. An Heiligabend selbst gebe es ein besonderes Essen, ansonsten werde es ruhig im Gefängnis. „Da verdrückt mancher Gewalttäter eine Träne“, sagt Paffrath.
Viele besuchen einen der Gottesdienste, die Lucka-von Eerde und sein katholischer Kollege anbieten; selbst Muslime kommen. „Ich habe hier ja eh nicht die typischen Kirchgänger, aber die Seelsorge wird nachgefragt.“ So erlebe er die Gottesdiente hinter Gittern intensiver als in anderen Gemeinden. Auch die Weihnachtsgeschichte habe hier einen anderen Akzent: „Die Hirten, die als erste die frohe Botschaft hören, sind Outlaws.“ Ausgestoßene – wie die Häftlinge.